Fisker kommt aus dem Abwärtsstrudel nicht mehr heraus. Der E-Auto-Bauer braucht Geld, sieht sich mit technischen Problemen konfrontiert und flüchtet nun in die Insolvenz.

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Es steht schlecht um den amerikanischen Elektroautobauer Fisker. Am Montag (17.6.2024) hat Fisker im Bundesstaat Delaware ein Verfahren mit Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragt. Der Schritt kündigte sich schon seit Wochen an. Vermögenswerte von etwa 500 Millionen bis eine Milliarde Dollar stünden Verbindlichkeiten zwischen 100 Millionen Dollar und 500 Millionen Dollar gegenüber.

Rückrufe bei Fisker

Zu allen wirtschaftlichen und finanziellen Problemen gesellte sich vor Kurzem auch noch ein technisches: Das in Manhattan Beach, Kalifornien, ansässige Unternehmen ruft 11.201 Oceans in Europa, den USA und Kanada "freiwillig zurück", um Software-Probleme zu beheben. Diese können dazu führen, dass der Elektro-SUV in einen Schutzmodus übergeht, was möglicherweise zu einem Verlust der Motorleistung führt.

Video: Erster Check: Fisker Ocean

In Nordamerika muss Fisker ein zweites Problem per Rückruf lösen: Die Anzeigen und Warnsymbole des Ocean entsprechen nicht den "Federal Motor Vehicle Safety Standards" (FMVSS). Von dieser Unzulänglichkeit sind in den USA 6.864 und in Kanada 281 Ocean-Exemplare betroffen. Das Modell wird in den USA bereits seit geraumer Zeit von der Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA wegen vier sicherheitsrelevanter Vorfälle untersucht. Immerhin müssen weder diese noch jene Fahrzeuge mit der fehlerhaften Software in die Werkstätten beordert werden. Laut Hersteller lassen sich die Mankos per Over-the-Air-Update beheben, was bis zum 30. Juni 2024 geschehen soll.

"Erhebliche Zweifel" an der Fortführungsfähigkeit

Die Rückrufe sind ein weiterer Rückschlag in diesem an Misserfolgen für Fisker reichen bisherigen Jahr 2024. Bereits Ende Februar teilte der US-Elektroautobauer mit, dass das Unternehmen angesichts der klammen Finanzlage "erhebliche Zweifel" an der Fortführungsfähigkeit der Firma habe. Man sei zwar auf der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten, könne aber nicht garantieren, dass diese Bemühungen erfolgreich sein werden.

Nach eigenen Angaben stand man in Verhandlungen mit einem großen Automobilhersteller über eine Partnerschaft, die eine Investition in Fisker sowie die gemeinsame Entwicklung einer oder mehrerer Plattformen für Elektroautos und eine Produktion in Nordamerika umfasse. Am 1. März 2024 berichteten die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg, dass es sich bei diesem Automobilpartner um Nissan handeln könnte. Im Gegenzug für ein Invest in Höhe von 400 Millionen Dollar könnte der japanische Autobauer Zugriff auf die für den Fisker Kayak (ehemals Alaska) entwickelte Pick-up-Plattform erhalten, hieß es damals.

Verhandlungen mit Partner gescheitert

Wie Reuters mit Bezug auf Insider weiter berichtete, könnte Nissan einen eigenen sowie den Fisker Pick-up auf dieser Plattform in einem US-Nissan-Werk produzieren. Der japanische Autobauer besitzt Montagewerke in Mississippi und Tennessee. Für Nissan hätte ein Deal einen schnellen Einstieg in den US-Markt für elektrisch angetriebene Pick-ups ebnen können. Fisker hätte sich mit der Investition Zeit erkaufen können, um den Absatz seines Elektro-SUV Ocean in Schwung zu bringen. Zudem muss Fisker noch den Serienanlauf des Elektrokleinwagens Pear (siehe Fotoshow) finanzieren, der eigentlich 2025 starten sollte.

In einer Pflichtmitteilung vom 25. März 2024 teilt Fisker allerdings mit, dass die Verhandlungen mit einem potenziellen Partner gescheitert sind. Die Aktie des Autobauers stürzte daraufhin ins Bodenlose ab. Die New Yorker Börse beabsichtigt zudem, der Aktie die Notierung abzuerkennen. Mit dem Scheitern der Verhandlungen verliert Fisker zudem vermutlich die Finanzierungszusage des polnischen Investmentfonds CVI, der dem Autobauer 150 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet etwa 139 Millionen Euro) aufgeteilt in vier Tranchen geben wollte, die Investition aber wohl an einen erfolgreichen Partnereinstieg geknüpft hatte. CVI ist bereits durch 2025 fällige Wandelschuldverschreibungen mit Fisker verbunden. Fisker wollte daraufhin alle strategische Optionen prüfen, darunter auch gerichtliche oder außergerichtliche Restrukturierungen oder Kapitalmarkt-Transaktionen, hieß es in der Pflichtmitteilung weiter.

Angeblich weitere Interessenten vorhanden

Laut einem Bericht von Business Insider von Ende April sollen vier weitere große Autobauer an einem Einstieg bei Fisker interessiert sein. Henrik Fisker bestätigte die Gespräche angeblich gegenüber der Belegschaft in einer Mitarbeiterversammlung. Namen wurden aber nicht genannt.

Video: Erster Check: Fisker Pear

Unabhängig von den Verhandlungen mit möglichen Partnern hatte Fisker bereits am 18. März 2024 die Produktion seines einzigen Modells gestoppt. Der Elektro-SUV Ocean wurde bei Magna in Steyr gefertigt. Die Produktionsunterbrechung sollte zunächst sechs Wochen dauern. Die Kleine Zeitung aus Graz berichtet unterdessen, dass der anhaltende Produktionsstopp rund 1.000 Mitarbeiter bei Magna den Job kostet. Schon Ende 2023 hatte der Auftragsfertiger vom Zwei- aufs Einschichtsystem umgestellt und sich von 450 Mitarbeitern getrennt. Ende April wurden wegen schlechter Auftragslage weitere 500 Kündigungen ausgesprochen.

Magna muss Millionensumme abschreiben

In seinem Quartalsbericht vom 3. Mai 2024 vermerkte Magna darüber hinaus, dass im laufenden Jahr keine weitere Fertigung für Fisker geplant sei. Die Produktionsunterbrechung dürfte damit ein Produktionsende bedeuten. Der Auftragsfertiger beziffert die Abschreibungen und Restrukturierungskosten im Zusammenhang mit Fisker auf insgesamt 316 Millionen Dollar (293 Millionen Euro); 97 Millionen Dollar (90 Millionen Euro) betreffen die Aktivitäten in Graz.

Parallel versucht Fisker, bereits gebaute Exemplare des Ocean mit riesigen Rabatten noch abzuverkaufen. Wie Business Insider mit Bezug auf Quellen bei Fisker berichtet, räumt der Autobauer bereits seine Zentrale in Kalifornien. Mitarbeiter wurden gebeten, ihre Arbeitsplätze zu verlassen. In der ersten Mitteilung über die unsichere Zukunft von Fisker im Februar wurden bereits mögliche Kündigungen für Ende Juni angedroht. Weiteren Medienberichten zufolge geht Henrik Fisker wohl selbst nicht mehr von der Rettung seiner Firma aus. Die Insolvenz und damit das Aus des E-Auto-Bauers scheinen damit unausweichlich.

Klage wegen offener Rechnungen

Weiterer Ärger droht Fisker von anderer Seite. Nach Informationen der US-Website Techcrunch hat der deutsche Entwicklungsdienstleister Bertrand gegen den US-Autobauer eine Klage angestrengt, weil noch Zahlungen für Entwicklungsdienstleistungen für die Modelle Alaska und Pear offen seien. Bereits seit August 2023 wurden vereinbarte Abschläge nicht avisiert. Insgesamt stehen Zahlungen in Höhe von rund 13 Millionen Dollar aus. Der gesamte Entwicklungsauftrag wurde zu Vertragsbeginn im Mai 2022 mit 35 Millionen Dollar bewertet.

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Genauso viel Geld, also umgerechnet 32,5 Millionen Euro, soll übrigens die Villa wert sein, die Firmenchef Henrik Fisker gerade zu verkaufen versucht. Sie liegt in der kalifornischen Metropole Los Angeles und bietet einen Blick auf den weltberühmten Sunset Strip zwischen Hollywood und Beverly Hills.  © auto motor und sport

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