Der VW-Konzern denkt gerade kollektiv über einen Aufschub des einst laut ausgerufenen Verbrenner-Aus nach. Einen viel größeren E-Auto-Anteil verkauft hingegen ausgerechnet der Hersteller, der nie ein konkretes Datum für den Abschied von Dieseln und Benzinern angekündigt hat. Digitalchefredakteur Gerd Stegmaier über mögliche Gründe.

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Das Autoland Deutschland tut sich mit dem Zukunftsantrieb schwer: erst die mächtige Branche, dann die Kunden, als Reaktion darauf schließlich die Politik und inzwischen alle.

Dabei waren die Hersteller nach ein paar Jahren, weichgeklopft vom Abgasskandal, neuen Emissionsregeln und RDE-Messungen auf den E-Antrieb umgeschwenkt. Bei Volkswagen führte Herbert Diess die ID.-Modelle ein und der Trend breitete sich im Konzern aus, Porsche legte den Taycan auf, Audi begann bereits 2018 mit dem E-Tron. Bei BMW hingegen hatte das Thema nach dem Frühstart mit dem i3 (2013 auf Basis einer Electric-only-Plattform) Pause, der nächste Bayern-Stromer iX3 ging erst 2020 in Produktion.

Bereits zwei Jahre vorher machte der damalige VW-Chefstratege Michael Jost seine Überlegungen zum Verbrenner-Ende bekannt: 2026 sollte die Entwicklung des Konzerns von Benzinern und Dieseln aufhören, Anfang der 2030er-Jahre sollten die letzten Verbrenner-Modelle vom Band laufen.

Dass bei der Wende "des schweren Tankers" Volkswagen (Herbert Diess) zum E-Antrieb der Abschied vom Verbrenner gleich mit in den Vordergrund trat, hat technische und wirtschaftliche Gründe. Auch die Weiterentwicklung der Bestandstechnologie, um die strengere Regulatorik zu erfüllen, kostet, zahlt aber nicht unbedingt auf die deutlich teurere Neuentwicklung des E-Antriebs ein. Für die Industrie gibt es zwei Wege, diesen Zielkonflikt zu lösen: Die Zeit paralleler Investitionen in Verbrenner und E-Autos zu begrenzen oder neue E-Modelle sowie Verbrenner-Modelle möglichst synergetisch zu entwickeln.

Im Bestreben, die neue Technik möglichst schnell auf große Stückzahlen hochskalieren zu können, ging Volkswagen mit dem Modularen Elektrobaukasten (MEB) einen Weg wie Tesla und BMW mit dem i3: Eine electric-only Architektur sollte die Vorteile des neuen Antriebs voll ausschöpfen können und gleichzeitig große Stückzahlen elektrischer Volumenmodelle günstiger machen. Entsprechend sollte der ID.3 von Anfang an Preise haben, wie ein ähnlich motorisierter Golf. Eine Folge miteinander zusammenhängender Probleme ließen diese Strategie in der Praxis nicht zur Entfaltung kommen:

  • Als wichtigster Vergleichsmaßstab zwischen E-Auto und Verbrenner erwies sich nicht die Motorleistung, sondern die Reichweite. Die hängt vom teuersten Teil des E-Autos ab, der Batterie. Der Technologie dafür haben sich die europäischen Hersteller bekanntermaßen bis heute nicht bemächtigt. Vor allem aber sanken die Preise für Akkus nicht schnell genug, E-Autos mit konkurrenzfähiger Reichweite bleiben viel teurer als Verbrenner.
  • Ohne Preisparität stiegen die Stückzahlen der E-Autos nicht ansatzweise in Regionen von Verbrennern.
  • Speziell für den VW-Konzern ergab sich ein weiteres Problem: Potenzielle Synergien zwischen den Antriebsarten gibt’s bei der Elektronik-Architektur – diese ist schließlich unabhängig von der jeweiligen Antriebsart. Bei der aber verzettelte sich der Konzern so gründlich, dass sie für Golf und ID.3 gleichermaßen zum Problem wurde.

Der VW-Konzern versuchte es immerhin beim Audi E-Tron 2018 mit dem E-Antrieb auf einer Verbrenner-Plattform. Der Erfolg war allerdings auch hier überschaubar: Das Gewicht des E-SUV mit seiner 700 kg schweren Batterie in der Verbrenner-Bodengruppe war heftig, die Reichweite nicht rekordverdächtig, der Preis hoch. Die Probleme der Mischbauform mochten weniger auffällig sein als beim Mercedes EQC, aber im Kern hatten die deutschen Hersteller ein Prinzip von Tesla auf den Kopf gestellt.

BMW ist mit der zweiten Generation seiner E-Autos (iX3, i4) auf die Mischbauform geschwenkt und hat damit das gewonnen, was Hersteller beider Antriebsformen dringend brauchen: Flexibilität. Bei den Bayern laufen E-Autos, Diesel und Benziner mit oder ohne Hybrid vom selben Band (das geht bei Mercedes EQS und S-Klasse auch). Die Cluster-Architektur (CLAR) für seine Heckantriebs-Verbrenner hat BMW so modifiziert, dass sie den E-Antrieb gut integrieren kann. Für den Kunden heißt das auch: i7 oder i5 sehen bis aufs Typenschild praktisch genauso aus wie die Verbrenner-Pendants 7er und 5er. Damit fällt womöglich eine weitere Barriere für den Umstieg aufs E-Auto.

Zumindest stieg der E-Anteil laut Handelsblatt bei den BMW-Neuzulassungen 2024 mit 21,8 Prozent auf nahezu den gleichen Wert wie bei Porsche (21,9 Prozent), wo allerdings im Herbst das Volumenmodell Macan in neuer Generation nur noch mit E-Antrieb auf den Markt kam. In einer Art Schlingerkurs denkt Porsche allerdings gerade über eine Verlängerung des Verbrenner-Macan nach. Andere Marken Audi (15,3 Prozent), Mercedes (14,2 Prozent) und vor allem Volkswagen (12,2 Prozent) liegen beim E-Auto-Anteil weit hinter Porsche und BMW.

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Bei jeder Marke gibt es eigene Verwerfungen im Modellprogramm beziehungsweise -fahrplan, die den E-Anteil gebremst haben mögen, bei Mercedes zum Beispiel bremst offenbar das polarisierende Design von EQS und EQE die Nachfrage. Aber schon das deutet darauf hin, was die Kunden bei E-Autos nicht brauchen: einen plakativen Unterschied zum Verbrenner.   © auto motor und sport