Die Regierung lädt am Freitagmittag zum Wohngipfel. Und hat davor noch schnell Steuererleichterungen für Wohnbaufirmen beschlossen. Damit aber löst sie die Wohnungsnot nicht. Denn das Problem liegt woanders.
Der erste Baustein für mehr Wohnraum ist gelegt, so sieht es zumindest die Regierung. Sie hat diese Woche kurz vor ihrem Wohngipfel eine Sonderabschreibung für Wohnungsbauunternehmen auf den Weg gebracht.
Damit soll sich für Firmen die Investition in bezahlbaren Wohnbau stärker lohnen, weil sie künftig von größeren Steuererleichterungen profitieren. Das werde helfen, schnell neue Wohnungen angesichts der Wohnungsnot zu schaffen – so ist das Kalkül der Regierung.
Allerdings geht der Regierungsbeschluss weit am eigentlichen Problem der Branche vorbei: Das ist nämlich nicht, dass hierzulande niemand bauen will, weil es sich finanziell nicht ausreichend lohnen würde.
Denn Geld ist genug da und Investoren, die es in den Wohnungsbau stecken wollen, stehen auch Schlange.
Das Grundproblem ist, dass kaum noch jemand bauen kann - weil es an zwei entscheidenden Dingen fehlt.
Die erste Bau-Bremse: Es fehlt das Bauland
Geschätzt zwei Millionen Wohnungen fehlen hierzulande insgesamt - und zwar dort, wo die Menschen am dichtesten zusammenwohnen, in den großen Städten. Während es auf dem Land etliche leerstehende Häuser gibt, weil immer mehr Menschen von dort wegziehen, verzeichnen die Städte seit Jahren einen enormen Zuzug.
Allein nach Berlin oder München ziehen jedes Jahr zehntausende Neubürger. Und dort wird nicht nur seit Jahren zu wenig gebaut, sondern selbst jetzt in Zeiten des Baubooms werden noch viel zu wenige Wohnungen errichtet.
Fragt man die bauwilligen Wohnungsunternehmen, woran das liegt, so wie es der Gesamtverband GdW dieser Tage gemacht hat, dann antworten rund 60 Prozent der Firmen: Uns fehlt das Bauland. Oder: Das Bauland ist zu teuer.
Genauso viele von ihnen geben an, dass sie die Investitionen in den Neubau in den kommenden Jahren gerne erhöhen wollen.
Geld für Neubauprojekte ist also da. Der Wille zum Bau auch. Doch die verfügbaren Flächen für den Neubau haben sich zuletzt dramatisch verringert.
In den Großstädten sanken die Baulandverkäufe laut Statistiken des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent. In den teuersten Großstädten mit extrem angespanntem Wohnungsmarkt sogar um 42 Prozent.
Fürs erste Halbjahr 2018 meldete München jüngst, es seien 52 Prozent weniger Fläche für den Mehrgeschossbau zur Verfügung gestellt worden.
Inzwischen sagt auch schon jedes dritte Unternehmen in regionalen Umfragen, es habe ein geplantes Bauvorhaben einstellen müssen - wegen der hohen Grundstückspreise.
Der Hauptengpass sind also die Flächen. Viele Städte können selbst kaum noch Grundstücke ausweisen, weil sie bereits bis an die Ränder bebaut sind.
Und die Bürgermeister vieler Umlandgemeinden weigern sich, Flächen zu opfern. Weil sie sich vor dem Zuzug der Städter fürchten und vor dem Zorn ihrer Bürger, die sich durch die Neuankömmlinge überrannt fühlen.
Die Frage des Wohngipfels muss also sein: Wie verschafft man wachsenden Städten mehr Platz zum Bauen? Und zwar für Mehrfamilienhäuser, denn paradoxerweise stieg zuletzt die Zahl der verkauften Flächen für Einfamilienhäuser und Doppelhäuser an.
Vor allem: Welche Rolle spielt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dabei, die Bima? Sie besitzt laut einer Bundestagsanfrage riesige Flächen auch in den Metropolen.
Allein in den sieben größten Städten hortet sie 230 Hektar Land und 970 Grundstücke. Davon 368 in Berlin, 248 in München und 246 in Köln.
Darauf ließen sich in Berlin geschätzt 27.000 Zweizimmerwohnungen bauen, in München knapp 20.000. Doch der Verkauf dieser Flächen an die Kommunen gestaltet sich in vielen Fällen schwierig, vor allem langwierig. Oder er wird nach jahrelangen Verhandlungen dann doch nicht vollzogen.
Wer also behindert hier wen? Und: könnten Landverkäufe der Bima nicht für die dringend nötige Entspannung sorgen?
Die zweite Bau-Bremse: Es fehlen die Handwerker
Selbst wenn Bauträger ein bezahlbares Grundstück ergattern, so klagen sie über ein weiteres Problem, das derzeit enorm die Preise treibt.
Sie finden nämlich keine Baufirmen mehr, die die Wohnungen auch errichten. Das liegt vor allem am Fachkräftemangel - und der daraus folgenden begrenzten Anzahl an Handwerkern.
Zwar hat die deutsche Bauindustrie allein im laufenden Jahr 18.000 neue Jobs geschaffen, verkündet sie selbst. Seit 2015 seien sogar 67.000 neue Beschäftigte eingestellt worden und auch die Zahl der Auszubildenden habe sich endlich wieder erhöht.
Das reicht aber bei weitem nicht, weswegen Bauunternehmen zuletzt immer häufiger auf ausländische Subunternehmer zurückgegriffen haben, wie der Industrieverband sagt.
Oder sie boten ihre Dienstleistung gar nicht erst an, berichten große Bauträger. Früher hätten noch 30 Unternehmen ihre Angebote eingereicht, wenn es um ein Millionenbauprojekt zum Beispiel in München gegangen sei, bekennt einer von ihnen, der namentlich nicht genannt werden will.
Heute kämen noch maximal zwei Angebote - und zwar zu deutlich höheren Preisen. Allein seit letztem Jahr hätten sich die reinen Baukosten so um rund 30 Prozent in die Höhe geschraubt.
Viele Baufirmen würden gern ihr Personal aufstocken, das sagt jede fünfte von ihnen. Doch der heimische Arbeitsmarkt ist leer gefegt.
Deshalb bräuchten die Unternehmen vor allem auch gesetzliche Erleichterungen was die Beschäftigung von ausländischen Mitarbeitern angehe.
Der Verband fordert: "Die Politik muss Planungssicherheit herstellen." Auf dem Wohngipfel hätte sie Gelegenheit dazu.
Verwendete Quellen:
- Pressemitteilung zu Umfrage des GdW-Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
- Positionspapier vom Verband der Deutschen Bauindustrie
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