Die Atempause im Handelskonflikt der beiden größten Volkswirtschaften währte nur kurz. In Washington heißt die Verhandlungsstrategie wieder: alles oder nichts. Eine Entwarnung ist nicht in Sicht.
Trotz der Verschiebung neuer Strafzölle durch die US-Regierung ist im Handelskrieg mit China keine Einigung in Sicht. Die Volksrepublik habe in den jüngsten Gesprächen keine neuen Zugeständnisse gemacht, sagte US-Handelsminister Wilbur Ross am Mittwoch. Die Verschiebung einiger Strafzölle bis Dezember sei nur mit der Sorge um das Weihnachtsgeschäft in den USA begründet, sagte Ross im Gespräch mit dem Sender CNBC. Präsident Donald Trumps Berater für Handelsfragen, Peter Navarro, sagte, man müsse sich auf langwierige Verhandlungen einstellen. Die US-Börsen gaben unterdessen stark nach - auch wegen Warnsignalen am Anleihenmarkt.
Der als sehr einflussreich geltende Navarro sagte dem Nachrichtensender Fox Business, der Präsident werde in den Verhandlungen mit China keinen halb garen Kompromiss akzeptieren. Es brauche tiefgreifende, strukturelle und verifizierbare Veränderungen. "Man kann die Chinesen nicht auf halbem Weg treffen", sagte Navarro. Würde man das tun, würden sie immer noch "halb so viel stehlen wie jetzt stehlen und halb so viele Amerikaner töten", sagte Navarro mit Blick auf das Handelsdefizit und den anhaltenden Schmuggel der Droge Fentanyl aus China.
Wachstumschancen verpasst
Navarro räumte ein, dass der bereits seit einem Jahr andauernde Handelskonflikt langfristig die globale Konjunktur in Mitleidenschaft ziehen würde. "Wenn wir in China keine strukturellen Veränderungen erreichen, dann wird die globale Wirtschaft eine tolle Chance für weiteres Wachstum verpassen", sagte er Fox Business. Die Verhandlungsführer beider Seiten wollten in den nächsten zwei Wochen erneut telefonieren, so Navarro. Handelsminister Ross wiederum sagte, dass es bislang noch kein Datum für die ursprünglich im September in Washington geplante Verhandlungsrunde gebe.
Der Handelskrieg lastet schon jetzt auf den Konjunkturaussichten. Nach Warnsignalen vom US-Anleihenmarkt sackte der New Yorker Leitindex Dow Jones bis zum frühen Nachmittag (Ortszeit) zeitweise um gut 700 Punkte oder fast drei Prozent auf 25 549 Punkte ab. Auch der Technologieindex Nasdaq fiel zeitweise um gut drei Prozent.
Aufforderung an die US-Notenbank
Die Entwicklungen am Anleihenmarkt wurden von einigen Analysten als Zeichen einer bevorstehenden Rezession gedeutet. Präsidentenberater Navarro wies diese Interpretation jedoch zurück. Die Volatilität an der Börse lasse nur darauf schließen, dass die US-Notenbank den Leitzins um ein halbes Prozent senken müsste, sagte er. Die Federal Reserve hatte den Leitzins im Juli erstmals seit 2008 wieder gesenkt - auch wegen der Folgen der Handelskonflikte für die Konjunktur.
Die US-Regierung hatte am Dienstag einen Teil der von Trump Anfang August angekündigten neuen Strafzölle in Höhe von 10 Prozent auf Importe im Wert von insgesamt 300 Milliarden US-Dollar überraschend verschoben. Zahlreiche Konsumgüter - darunter etwa Smartphones, Laptops, Turnschuhe und Spielzeug - sollen erst ab 15. Dezember mit der Strafabgabe belegt worden, um das Weihnachtsgeschäft nicht zu gefährden. US-Medienberichten zufolge sollen die nun ausgenommenen Importe einen Wert von mindestens 100 Milliarden US-Dollar haben.
Ab Mitte Dezember gilt der Ernstfall
Die Zölle sollten ursprünglich im September in Kraft treten. Zuvor verhängte Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Importe im Wert von rund 250 Milliarden US-Dollar bleiben weiter bestehen. Damit werden ab Mitte Dezember fast alle chinesischen Importe in die USA mit Strafzöllen belegt sein.
Die Verhandlungsführer aus Peking und Washington hatten am Dienstag zuletzt telefoniert. Trump sagte, die jüngsten Gespräche seien "sehr produktiv" gewesen. China wolle unbedingt ein Handelsabkommen, sagte er. Die vorige Gesprächsrunde der beiden Staaten im Juli war ohne konkretes Ergebnis zu Ende gegangen, woraufhin Trump die neuen Strafzölle ankündigte. Trump wird auch künftig sicher weiter Druck machen und auf eine schnelle Einigung mit Peking drängen. Er befürchtet, die Chinesen spielen im Hinblick auf die US-Wahl im kommenden Jahr auf Zeit. Das will er nicht hinnehmen.
Der Handelskrieg war ursprünglich von der Verärgerung Trumps darüber ausgelöst worden, dass China weit mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Der US-Präsident fordert eine Beseitigung von Marktschranken, kritisiert die Verletzung von Urheberrechten und den zwangsweisen Technologietransfer bei in China tätigen US-Unternehmen. (best/dpa)
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