Lange galt Bayern-Präsident Uli Hoeneß als moralische Instanz. Mit seinem Erfolg als Visionär und Lenker des deutschen Fußball-Rekordmeisters Bayern München und mit seiner Klartext-Rhetorik hatte er sich auch bei Gegnern viel Respekt verschafft. Damit ist es nun vorbei. In München steht der 62-Jährige vor Gericht, muss im schlimmsten Fall mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Die wichtigsten Fragen zum Prozess des Jahres:

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Was wird Hoeneß vorgeworfen?

Der Bayern-Präsident muss sich vor Gericht wegen Steuerhinterziehung verantworten. Auf einem Konto bei der Züricher Privatbank Vontobel sollen Millionenbeträge gelegen haben, mit denen Hoeneß in Aktien und Devisen spekulierte. Die Kapitalerträge dafür hat er nicht korrekt versteuert, wie er selbst einräumt.

Um welchen Betrag geht es?

Im Jahr 2000 soll Hoeneß vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis Dreyfus fünf Millionen Mark erhalten haben. Der 2009 verstorbene Dreyfus soll auch für einen Kredit in Höhe von 15 Millionen Mark gebürgt haben. Zeitweise hat Hoeneß mit seinen Spekulationen hohe Gewinne gemacht, später nach eigener Aussage massive Verluste. Die Staatsanwaltschaft geht von mehr als 3,55 Millionen Euro aus, die der Bayern-Präsident Steuern hinterzogen hat, die Verteidigung von weniger als einer Million Euro. Genau dort liegt die Schallgrenze, denn bei hinterzogenen Steuern von mehr als einer Million Euro erhält der Verurteilte normalerweise eine Haftstrafe. Unklar ist unter anderem, ob ein Teil der Steuerschuld bereits verjährt ist.

Welche Rolle spielt die Selbstanzeige?

Eine Selbstanzeige führt in der Regel dazu, dass der Steuersünder straffrei ausgeht, wenn er seine Steuerschuld plus eine zusätzliche Strafzahlung begleicht. Die fälligen Steuern samt Zinsen hat der Bayern-Boss bereits überwiesen, mit einer laut Medienberichten vorsorglich hoch angesetzten Abschlagszahlung in Höhe von zehn Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft hält die Selbstanzeige jedoch für unzureichend, deswegen kam es überhaupt zum Prozess. Zum einen soll es massive formale Mängel in der Anzeige geben. Zum anderen muss im Prozess bewertet werden, welche Bedeutung es hatte, dass Hoeneß offenbar konkret befürchten musste, enttarnt zu werden, und nur deswegen die Selbstanzeige stellte. Der "Stern" hatte wegen des Kontos einer deutschen Fußball-Größe bei der Vontobel-Bank recherchiert. Das Institut soll Hoeneß im Januar informiert haben, der daraufhin innerhalb von nur einer Nacht mit Beratern die Selbstanzeige zusammengeschustert haben soll.

Mit wem hat es Hoeneß vor Gericht zu tun?

Staatsanwalt ist Achim von Engel, "Münchens härtester Ankläger", wie der "Focus" schreibt. Von Engel gilt als Spezialist für Steuerkriminalität und kennt die große Bühne: Im Oktober 2011 hatte er den ehemaligen VW-Chef Bernd Pischetsrieder wegen Steuerhinterziehung vor Gericht gebracht. Am Ende wurde das Verfahren zwar eingestellt, Pischetsrieder musste jedoch 100.000 Euro an soziale Einrichtungen zahlen. Richter an der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II ist Rupert Heindl. Auch ihm eilt der Ruf voraus, ein "harter Hund" zu sein. Seine Verfahren ziehe er "wie ein Roboter" und mit aller Härte durch. Hoeneß' Verteidigerteam besteht aus Werner Gotzens, Dieter Lehner und vor allem aus Staranwalt Hanns W. Feigen, der schon den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel in dessen Steuerprozess vor dem Gefängnis bewahrt hatte. Vier Prozesstage sind angesetzt.

Muss Hoeneß bei einer Verurteilung ins Gefängnis?

Bei Steuerhinterziehungen im Volumen von mehr als einer Million Euro gibt es eine Gefängnisstrafe. So urteilte zumindest der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2008. Tatsächlich gibt es vor Gerichten aber immer wieder Deals, der Steuerschaden wird heruntergerechnet und in den vergangenen Jahren ist kein Top-Prominenter wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter gewandert. Wie groß der Spielraum für einen Deal im Fall Hoeneß ist, ist allerdings angesichts des großen öffentlichen Drucks fraglich.

Bleibt Hoeneß Bayern-Präsident?

Bislang hat Hoeneß dem öffentlichen Druck Stand gehalten, auch wenn er selbst einräumte, dass ihm die Angelegenheit massiv zugesetzt habe. Aufsichtsrat und Mitglieder des FC-Bayern haben ihm den Rücken gestärkt. Bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern im November hat Hoeneß angekündigt, sein Schicksal in die Hände der Vereinsmitglieder zu legen. "Wenn ich das Gefühl habe, dass meine Person dem Verein schadet, werde ich Konsequenzen ziehen", versprach er bereits im Mai. Sollte er tatsächlich ins Gefängnis müssen, wäre er wohl nicht mehr haltbar. Doch schon wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden würde, sähe es möglicherweise anders aus.

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