In vielen deutschen Städten finden Studierende nur noch mit Mühe ein bezahlbares WG-Zimmer. Beate A. Schücking, die Präsidentin des Deutschen Studierendenwerks, spricht im Interview über gestiegene Wohnkosten und ihre Forderungen an die Politik.
Zum Studentenleben gehören Lernen, Feiern – und zunehmend auch finanzielle Sorgen. Im Schnitt zahlen Studierende heute 479 Euro pro Monat für ein WG-Zimmer, in den Metropolen und beliebten Unistädten werden noch deutlich höhere Beträge fällig. Am 1. April beginnt das neue Sommersemester. Zeit für Fragen an Beate A. Schücking, die Präsidentin des Deutschen Studierendenwerks.
Frau Schücking, wie schwierig ist der Wohnungsmarkt inzwischen für Studierende?
Beate A. Schücking: Der Wohnungsmarkt ist extrem eng geworden für Studierende. Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, eine Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden. Die Studierenden gehören inzwischen zu einer prekären Gruppe innerhalb der Gesellschaft, zumindest diejenigen, die weniger als 800 Euro im Monat zur Verfügung haben – und das ist jeder Dritte.
Für Studierende mit wenig Geld gibt es das Bafög. Das sieht 360 Euro für Wohnkosten pro Monat vor – ist das realistisch?
Nein. Nach einer Studie des Moses Mendelssohn Instituts reicht in 73 der 90 untersuchten Städte mit einer Hochschule der Bafög-Satz nicht mehr für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Im Mittel zahlen Studierende 479 Euro alleine für das Wohnen – und das bundesweit. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen und dem, was ich höre von Studierenden. Die Pauschale müsste mindestens erhöht werden. Das ist nicht nur für die Studierenden, die Bafög beziehen, ein Problem. Es orientieren sich auch viele Eltern an den Bafög-Sätzen und denken, dass das reichen sollte. Das tut es aber in den seltensten Fällen.
In Großstädten wie München oder Berlin zahlen Studierende 760 Euro beziehungsweise 650 Euro für ein WG-Zimmer. Inwiefern wirkt sich das auf den Ort aus, in dem Studierende ein Studium aufnehmen?
In Städten wie München ist es absolut unrealistisch, dass sie mit der Wohnkostenpauschale des Bafög hinkommen. Das wirkt sich dann auch auf die Studienplatzwahl und den -ort aus. Die Entscheidung wird darauf reduziert, wo man sich ein Studium leisten kann. Es ist völlig unerheblich, ob sie die Universität spannend finden oder sich für die Vorlesungen dort interessieren, letztlich ist entscheidend, ob sie eine Wohnung oder ein WG-Zimmer finden und sich dieses dann auch leisten können.
Einige wichtige Universitäten sind in Städten mit hohen Mieten, auch traditionelle Studentenstädte wie Tübingen sind inzwischen davon betroffen.
Es sind eben nicht nur einzelne Städte wie München und auch längst nicht nur solche in Süddeutschland, in denen das Wohnen derart teuer geworden ist. Es gibt noch ein paar Hochschulen in Städten, in denen ein weniger hoher Mietspiegel herrscht, aber das sind wirklich Ausnahmen: Cottbus, Chemnitz oder Halle (Saale) etwa. Hier können sie mit dem vorgesehenen Wohngeld aus dem Bafög noch ein WG-Zimmer finanzieren. Aber gerade Städte, die renommierte Hochschulen beherbergen, wie München, Frankfurt oder Berlin, liegen bei den Mieten für Studierende weit über dem gewichteten Durchschnitt von 479 Euro für eine Wohnung oder WG-Zimmer.
Wie wirkt sich das auf die Bildungsgerechtigkeit aus?
Da passiert im Prinzip eine soziale Auslese. Der Studienplatz richtet sich danach, wer sich das leisten kann. Und das sind letztlich Studierende, die von Eltern unterstützt werden, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen.
Wie könnte dagegen gearbeitet werden?
Es müssen mehr Studierendenwohnheime gebaut werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das wird nie den gesamten Bedarf decken, aber es hilft zumindest die Not zu lindern.
Wie hilft das Studierendenwerk?
Wir engagieren uns als Dachorganisation der deutschen Studierendenwerke unter anderem auf politischer Ebene dafür, dass die Belange von Studierenden Gehör finden. Wir haben beispielsweise bewirkt, dass der Bund über das Programm "Junges Wohnen" nun zum ersten Mal seit fast 40 Jahren den Bau von Studierendenwohnheimen bezuschusst. So werden in den kommenden Jahren 500 Millionen Euro Finanzhilfen allein des Bundes fließen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum für Studierende geschaffen wird, und die Länder sind aufgefordert, das Programm mit eigenen Mitteln zu flankieren.
Was wäre zusätzlich politisch nötig?
Eine Erhöhung der Wohnkosten-Pauschale beim Bafög. Leider hat sich die Bundesregierung dagegen entschieden, den Satz 2024 zu erhöhen. Wir kämpfen aber weiterhin im parlamentarischen Verfahren darum, dass eine Erhöhung kommt. Außerdem muss der Wohnheim-Bau langfristig unterstützt werden, nur so kann perspektivisch geplant werden.
Über die Gesprächspartnerin
- Die Ärztin und Psychotherapeutin Prof. Dr. Beate A. Schücking ist seit Anfang 2023 Präsidentin des Deutschen Studierendenwerks. Zuvor war sie von 2011 bis 2022 Rektorin der Universität Leipzig.
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