Kulturkampf um die Heizung? Das muss nicht sein. Bevor Hausbesitzer gegen das neue Heizungsgesetz rebellieren, sollten sie mit kühlem Kopf und spitzem Bleistift ihre Optionen durchrechnen, auch wenn es schwerfällt. Drei Tipps, die es Hausbesitzern und allen, die es werden wollen, jetzt leichter machen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nie im Leben hätte ich vermutet, dass ich auf die Frage, wie ich heize, mal neidische Blicke ernten würde. Aber doch, das Gebäudeenergiegesetz, kurz Heizungsgesetz, macht es möglich. Deshalb hier volle Offenlegung meiner persönlichen Verhältnisse: Wir heizen mit Fernwärme – und sind damit fein raus, denn bei Fernwärme sind die Energieversorger zuständig für die Umstellung auf erneuerbare Energie. Wer damit heizt, kann die Debatte um das neue Gesetz einfach ignorieren.

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Das gilt bei mir natürlich nur teilweise, denn beruflich beschäftige ich mich immer wieder mit dem Heizungsgesetz. Dazu kommt: Meine Verwandten wohnen überwiegend in kleinen, alten Häusern in einer schönen, aber strukturschwachen Gegend, wie es sie hierzulande häufig gibt. Vorsichtig formuliert treffen die neuen Regeln dort nicht gerade auf Begeisterung – verständlicherweise. Genau deshalb rate ich zu kühlem Blick statt Kulturkampf. Denn die jetzt verabschiedete Fassung des Gesetzes macht es vielen Menschen einfacher, als sie denken, weil sie mehr Zeit und mehr Möglichkeiten bekommen.

1. Die neuen Fristen kennen

Eine der Besonderheiten im neuen Gesetz ist, dass die Vorgaben sich von Ort zu Ort und von Haus zu Haus unterscheiden. Deshalb hilft eine kleine Bestandsaufnahme, um herauszufinden, wann Sie überhaupt etwas tun müssen und wie lange Sie im Vorfeld aktiv werden sollten.

Grob gesagt: Ist eine Öl- oder Gasheizung jünger als 30 Jahre und funktioniert einwandfrei, können Sie sich erst einmal zurücklehnen und direkt bei Punkt 2 weiterlesen. Ab wann an Ihrem Wohnort nur noch Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien eingebaut werden dürfen, richtet sich danach, wann die kommunale Wärmeplanung vorliegt (siehe Punkt 3).

Wichtig zu wissen: Öl- und Gasheizungen, die älter als 30 Jahre sind, müssen schon nach der alten Rechtslage ausgetauscht werden. Diese Regel bleibt, und auch die Ausnahme: Falls der Hausbesitzer am 1. Februar 2002 selbst in dem Haus gewohnt hat, gibt es keine Austauschpflicht. Ziehen aber Käufer oder Erben ein, müssen sie die alte Heizung innerhalb von zwei Jahren austauschen. Brennwertkessel und Niedrigtemperaturheizungen sind ausgenommen.

2. Rechtzeitig Beratungstermin ausmachen

Selbst wenn nun mehr Zeit ist als gedacht: Sichern Sie sich früh Beratungstermine beim Energieberater und beim Heizungsbauer – möglichst schon, bevor Ihre Heizung den Geist aufgibt. Je näher in Ihrem Ort die Frist rückt, ab der keine neuen Gasheizungen mehr installiert werden dürfen, desto schwieriger wird es voraussichtlich, Termine zu bekommen.

Bei der Beratung geht es nicht nur um die Technik für eine neue Heizung, sondern auch um Dämmung und Fördergelder – wie viel also der Staat zuschießt. Derzeit lässt sich das noch nicht genau sagen, aber schon bis Ende September soll die Bundesregierung dem Bundestag ein neues Förderkonzept vorlegen, das ab Januar 2024 in Kraft tritt. Voraussichtlich wird eine neue Heizung auf Basis erneuerbarer Energien mit mindestens 30 und höchstens 70 Prozent der Investitionskosten gefördert. Erst wenn das neue Förderprogramm steht, können Berater konkrete Aussagen machen, wie viel Geld im Einzelfall fließen könnte. Mit dem kostenlosen, laufend aktualisierten Finanztest-Rechner können Sie nachsehen, welche Förderprogramme für Sie infrage kommen und ob es neue Programme gibt.

3. Verfolgen, was vor Ort geschieht

Eine der wesentlichen Neuerungen des neuen Gesetzes ist die Verbindung zur kommunalen Wärmeplanung. In dieser Planung soll jede Stadt und Gemeinde verbindlich festlegen, wo sie Fernwärme und Wasserstoffnetze ausbauen, damit Hausbesitzer damit planen können. Der Stand der Vorbereitungen ist deutschlandweit sehr unterschiedlich: Größere Städte in Baden-Württemberg müssen bis Ende 2023 schon fertig sein mit ihrer Planung, in vielen anderen Bundesländern gibt es noch keine konkreten Vorgaben.

Dort dürften viele kleinere Kommunen die vorgesehene bundesweite Frist bis Juni 2028 voll ausschöpfen. Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern sollen spätestens bis Juni 2026 eine Wärmeplanung haben.
Diese Termine sind wichtig, denn: Erst wenn es eine kommunale Wärmeplanung gibt, greift die Pflicht für Hausbesitzer, beim Austausch einer defekten Heizung ein neues Modell zu wählen, das zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird.

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Gibt es noch keine kommunale Wärmeplanung, dürfen bis Juni 2028 und in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern bis Juni 2026 weiterhin Gasheizungen eingebaut werden. Voraussetzung: Es gab vorher eine Energieberatung und die Gasheizung ist auf Wasserstoff umrüstbar. Wer die Frist nutzt und noch einmal auf Gas setzt, sollte aber bedenken, dass die Gaspreise in den kommenden Jahren deutlich steigen werden, weil die CO2-Steuer schrittweise angehoben wird. In vielen Fällen rechnet sich eine Wärmepumpe längerfristig vielleicht doch – vor allem, wenn es dafür Zuschüsse vom Staat gibt.

Als kühle Rechnerin wäre es mir am liebsten, wenn ich jetzt schon mit harten Zahlen zu den Fördermöglichkeiten aufwarten könnte. Aber das wird noch ein paar Wochen dauern. Meine Prognose daher für den Weihnachtsbesuch im hundert Jahre alten Bergarbeiterhäuschen: Die Heizungsfrage wird mindestens so heiß genossen wie der Glühwein. Und danach wird kühl gerechnet. Prost!

Zur Person:

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin Finanztest gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und Finanztest sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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