Über 20 Millionen Neugeborene wurden 2015 mit einem niedrigen Geburtsgewicht von weniger als 2.500 Gramm geboren – das war jedes siebte Baby. Drei Viertel dieser Kinder kamen in Südasien und in afrikanischen Ländern südlich der Sahara zur Welt. Auch in wohlhabenden Ländern Europas, in Nordamerika, Australien und Neuseeland hat es seit dem Jahr 2000 kaum Fortschritte bei der Verringerung des Anteils von Geburten mit niedrigem Geburtsgewicht gegeben.

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Dies ist Ergebnis einer neuen Analyse des Londoner Instituts für Hygiene und Tropenmedizin, UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation WHO für 148 Länder, die das Wissenschaftsmagazin The Lancet Global Health am Donnerstag (16. Mai) veröffentlicht. Die Daten zu 281 Millionen Geburten weltweit wurden hierfür ausgewertet.

Leichte Verbesserung gegenüber dem Jahr 2000

Im Jahr 2012 hatten die 195 Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation beschlossen, bis 2025 den Anteil der Geburten mit niedrigem Geburtsgewicht um 30 Prozent zu verringern.

Die veröffentlichten Schätzungen dokumentieren einen leichten Rückgang der weltweiten Häufigkeit von niedrigem Geburtsgewicht von anteilig 17,5 Prozent der Geburten im Jahr 2000 (22,9 Millionen Lebendgeburten) auf 14,6 Prozent in 2015 (20,5 Millionen).

Die Forscher konstatieren einen dringenden Bedarf für verstärkte Investitionen und weitergehende Maßnahmen um Fortschritte zu beschleunigen. So müsse ein tieferes Verständnis über die Hauptursachen für niedriges Geburtsgewicht gewonnen werden.

Hierzu gehören das Alter der Mütter, die Zahl der Schwangerschaften, Geburtskomplikationen, chronische Gesundheitsprobleme (wie Schwangerschafts­vergiftungen), Infektionen (zum Beispiel Malaria), der Ernährungszustand sowie Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung in geschlossenen Räumen, Tabak- und Drogenmissbrauch.

Regierungen zeigen noch immer zu wenig Einsatz

In Ländern mit geringem Einkommen ist unzureichendes Wachstum im Mutterleib die häufigste Ursache für niedriges Geburtsgewicht. In stärker entwickelten Regionen hängt dieses oft mit einer Frühgeburt - einer Geburt vor der 37. Woche nach der Empfängnis - zusammen.

"Trotz klarer Vereinbarungen zeigen unsere Schätzungen, dass die Regierungen zu wenig tun, um niedriges Geburtsgewicht zu verringern", sagte die Hauptautorin der Studie, Dr. Hannah Blencowe vom britischen Institut für Hygiene und Tropenmedizin.

In den vergangenen 15 Jahren habe es nur sehr geringe Fortschritte gegeben - "sogar in wohlhabenden Ländern, wo ein niedriges Geburtsgewicht häufig mit dem Alter der Mutter, Rauchen sowie unnötigen Kaiserschnitten oder Fruchtbarkeitsbehandlungen zusammenhängen, die das Risiko von Mehrlingsgeburten nach sich ziehen. Diese grundlegenden Themen müssen die Regierungen in wohlhabenden Staaten angehen", forderte Blencowe.

Niedriges Geburtsgewicht mit hohen Risiken verbunden

Die Autoren rufen dazu auf, weltweit jedes Baby sofort nach der Geburt zu wiegen und die klinische Versorgung zu verbessern. Mit öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen wie Aufklärungskampagnen sollen die Ursachen für niedriges Geburtsgewicht bekämpft werden.

"Jedes Neugeborene muss gewogen werden. Doch bis heute haben wir diese Informationen lediglich von jedem dritten Baby", sagt die Ko-Autorin der Untersuchung, Julia Krasevec, von UNICEF. "Wir können Babys mit niedrigem Geburtsgewicht nicht helfen, wenn wir nicht die Reichweite und die Genauigkeit der von uns erhobenen Daten verbessern."

Über 80 Prozent der rund 2,5 Millionen Neugeborenen, die jedes Jahr sterben, haben ein niedriges Geburtsgewicht – entweder weil sie zu früh auf die Welt kamen oder zu klein waren.

Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht leiden unter einem höheren Risiko für Entwicklungsstörungen sowie Krankheiten im späteren Leben – darunter chronische Erkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme.

Viele Länder nur mit unzureichenden Daten

Die Forscher werteten alle verfügbaren Daten von Regierungen und nationalen Untersuchungen aus den Jahren 2000 bis 2015 aus.

Sie heben jedoch hervor, dass 47 Staaten, darunter 40 Entwicklungs- und Schwellenländer nur unzureichende Daten bereitstellen konnten. Auf diese Länder entfallen fast ein Viertel aller Geburten weltweit.

Einer der niedrigsten Anteile an Babys mit niedrigen Geburtsgewicht wurde für Schweden geschätzt (2,4 Prozent). In den Industrieländern lag der Anteil insgesamt bei 7 Prozent, darunter Deutschland (6,6 Prozent), England (7 Prozent) und die USA (8 Prozent).

Südasien und die afrikanischen Länder südlich der Sahara verzeichnen den größten Fortschritt. Der Anteil der betroffenen Neugeborenen sank zwischen den Jahren 2000 und 2015 um 1,4 bzw. um 1,1 Prozentpunkte.

Trotzdem ist – hauptsächlich durch das Bevölkerungswachstum – die Zahl der Kinder mit geringem Geburtsgewicht in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von 4,4 auf 5 Millionen Babys gestiegen. In Südasien kamen 2015 die meisten Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht zur Welt (8,8 Millionen).

Anstieg der Häufigkeit auch in wohlhabenden Ländern

Wohlhabende Länder in Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland zeigen den geringsten Fortschritt mit einer durchschnittlichen jährlichen Reduzierung um 0,01 Prozentpunkte und im Schnitt 7 Prozent von Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht.

Einen Anstieg der Häufigkeit von Geburten mit niedrigem Geburtsgewicht verzeichnen in diesen Regionen Tschechien (2 Prozentpunkte), Irland (1,3 Prozentpunkte), Portugal (1,2 Prozentpunkte) und Spanien (1,1 Prozentpunkte).

"Geringes Geburtsgewicht ist ein komplexes Phänomen, zu dem Probleme beim Wachstum des Babys während der Schwangerschaft und zu frühe Geburten beitragen," sagte Dr. Mercedes Onis von der Weltgesundheitsorganisation WHO.

"Die grundlegenden Ursachen müssen in jedem Land verstanden werden. In Südasien beispielsweise kommt ein großer Teil der Babys mit niedrigem Geburtsgewicht fristgerecht zur Welt, aber sie konnten sich im Mutterleib nicht richtig entwickeln, weil ihre Mütter unterernährt waren.

Umgekehrt sind Frühgeburten der Hauptgrund für niedriges Geburtsgewicht in Situationen mit vielen Teenagerschwangerschaften, hohen Infektionsraten oder einem hohen Anteil an Fruchtbarkeitsbehandlungen sowie Kaiserschnitten – wie etwas in den USA und Brasilien."

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