- Das Bürgerkriegsland Jemen steht am Rande einer Hungersnot
- Mehr als 24 Millionen Menschen im Land sind auf humanitäre Hilfe angewiesen
- Die "Integrated Food Security Phase Classification" (IPC) rechnet mit einer drastischen Verschlechterung in der ersten Jahreshälfte
"Die Chance, eine Hungersnot im Jemen noch zu verhindern, schwindet mit jedem Tag", so warnten UNICEF, das Welternährungsprogramm und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen im Dezember 2020 gemeinsam.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang mit dem Bürgerkriegsland diese dringliche Warnung zu hören ist. Die Situation im Jemen ist katastrophal, schon mehrfach stand das Land am Abgrund. Doch aktuell ist die Lage der Familien so verheerend wie nie.
Jemen: Die schlimmste humanitäre Krise der Welt
Der Jemen wird eine "Hölle auf Erden" genannt. 2015 eskalierte der Bürgerkrieg. Seitdem wird die Situation für die Menschen immer bedrohlicher. Nicht nur die Gefechte selbst, sondern auch die unmenschlichen Lebensbedingungen bringen sie in Gefahr: Lebensmittel sind extrem teuer, gleichzeitig haben viele Familien kein Einkommen, die Wirtschaft liegt am Boden. So können sich viele keine regelmäßigen Mahlzeiten leisten.
Die Folge: Die Menschen hungern. Mehr als 24 Millionen Menschen im Land sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind 80 Prozent der Bevölkerung. Die Situation zwingt Eltern jeden Tag, furchtbare Entscheidungen zu treffen: Fliehen oder bleiben wir? Kaufen wir für unsere Kinder heute etwas zu essen oder Trinkwasser? Können wir uns eine medizinische Behandlung für unser krankes Kind leisten?
Aktuellen Zahlen zufolge sind im Jemen 400.000 Kinder lebensbedrohlich mangelernährt. Das bedeutet, dass sie sofort Hilfe brauchen – denn sie kämpfen jeden Tag um ihr Leben. UNICEF-Experten schätzen, dass 2,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren im Verlauf des Jahres 2021 an akuter Mangelernährung leiden werden. Für jedes dieser Kinder gilt: Werden sie nicht behandelt, geraten auch sie schnell in Lebensgefahr.
Warum wurde im Jemen bislang keine Hungersnot ausgerufen?
Im Alltag spricht man von einer "Hungersnot", wenn in einer Region viele Menschen nichts oder nicht genug zu essen haben. Tatsächlich aber gibt es bestimmte Kriterien, nach denen eine Hungersnot offiziell durch die Vereinten Nationen oder die Regierung des jeweiligen Landesausgerufen wird.
Grundlage für die Entscheidung, ob eine Hungersnot vorliegt oder nicht, ist die Einschätzung einer internationalen Arbeitsgruppe nach den sogenannten "IPC-Phasen". IPC steht für "Integrated Food Security Phase Classification". Es handelt sich um eine Skala für Ernährungssicherheit, die fünf Phasen unterscheidet.
Bei Phase 5, der Hungersnot, erleben zahlreiche Familien akute Nahrungsmittelknappheit, weil sie kaum Geld für Lebensmittel und auch nicht für andere lebenswichtige Dinge wie Trinkwasser haben. Ausschlaggebend für eine Hungersnot ist zudem, dass mehr als 30 Prozent der Kinder unter fünf Jahren an akuter Mangelernährung leiden.
Im Jemen wurde noch keine Hungersnot ausgerufen. In Kriegs- und Krisenländern sind die Daten für die IPC oft unvollständig. Deshalb ist es eine große Herausforderung, die Situation der Menschen auf Basis der vorliegenden Daten präzise zu beschreiben.
Das klingt sehr technisch und auch zynisch, wenn man auf die verheerende Lage der Menschen im Jemen schaut. Dennoch ist es wichtig, dass es klar definierte, einheitliche Kriterien für das Ausrufen einer Hungersnot gibt und dass diese beachtet werden. Ohne sie würde die Gefahr steigen, dass der Begriff "Hungersnot" politisch instrumentalisiert wird.
Gleichzeitig gehen Experten davon aus, dass in einigen Regionen im Jemen die Lebensumstände der Menschen bereits denen einer Hungersnot gleichen.
Hungersnot im Jemen verhindern
Laut der aktuellen IPC vom Dezember 2020 könnte sich die Zahl der Menschen, die unter katastrophalem akuten Hunger leiden, zwischen Januar und Juni in diesem Jahr fast verdreifachen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Zahl der Menschen in Phase 4 – der Krisenphase am Rande zur Hungersnot – in der ersten Hälfte des Jahres 2021 von 3,6 Millionen auf fünf Millionen Menschen ansteigen könnte.
"Die Welt darf nicht tatenlos zusehen, wie der Jemen in eine Hungersnot abrutscht und Millionen besonders gefährdete Kinder und Familien hungern", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. "Wir haben schon einmal eine Hungersnot im Jemen verhindert und wir sollten in der Lage sein, sie erneut abzuwenden, mit verstärkter Unterstützung und ungehindertem Zugang zu jedem Kind und jeder Familie in Not."
United Internet for UNICEF unterstützt die Nothilfe für Mädchen und Jungen im Jemen.
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