Eigentlich wollten wir in Tschechien eine Tour entlang der Moldau machen. Bei gemeldeten 15 Grad und Dauerregen haben wir uns dann spontan entschieden in Richtung Süden zu fahren. In der Sommerferienzeit Last-minute noch einen buchbaren Campingplatz zu finden, war aber gar nicht so leicht. Nach einiger Recherche in der Stellplatz-Radar-App bin ich auf einen Campingplatz am Stadtrand von Mailand gestoßen und konnte direkt online einen Platz reservieren.

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Los geht die Reise mit der Übergabe von Camillo an der Redaktion in Stuttgart. Direkt im Anschluss laden wir zwei Faltstühle, einen Klapptisch, unser Gepäck in den Kofferraum, etwas Proviant ins Kühlfach, füllen den Frischwasserkanister auf und machen uns direkt auf den Weg Richtung Süden.

Fahrkomfort mit dem Mercedes

Die Bedienung im Mercedes ist selbsterklärend: Analoge Geschwindigkeits- und Drehzahlzeiger, dazwischen ein Bildschirm, der wahlweise Geschwindigkeit, Verbrauch, Navigation usw. anzeigt und mit dem Multifunktionslenkrad bedient wird. Auf der Mittelkonsole ein aufgesetzter Bildschirm, der via Touchscreen bedient wird.

Einziges Manko: Das integrierte Navi. Es schlägt als einzige Route die Fahrt durch den Gotthard-Tunnel vor. Gegenprobe mit Google-Maps: Eine Stunde Stau vor dem Gotthard, Alternativroute ohne Stau über San-Bernadino. Das trübt das Vertrauen ins integrierte Navi und das Smartphone wird zum Ersatz-Navigationsgerät.

Beim Fahren fällt in der Stadt direkt positiv auf, dass die V-Klasse bei den vielen 90-Grad-Kurven im Wohngebiet kaum ins Wanken kommt und die unzähligen Gullideckel komfortabel wegfedert. Ein Totwinkel-Assistent wäre wünschenswert, ist aber durch die gute Rundumsicht nicht obligatorisch. Bei der Auffahrt auf die Autobahn wird zum ersten Mal klar, dass knapp 240 PS eine Großraumlimousine mit 2.455 Kilogramm sehr sportlich auf Autobahntempo beschleunigen können.

Worauf ich dabei bestens hätte verzichten können: Den Sportmodus. In diesem dreht der Motor unangenehm hoch und das Getriebe schaltet so spät, dass ich aus Mitleid mit dem Aggregat bereits mit den Schaltwippen hochschalten wollte. Viele weitere Autobahnauffahrten im Eco-Modus zeigen: Auch im vermeintlichen Spar-Modus beschleunigt die V-Klasse immer noch mit ordentlich Power, schaltet aber deutlich komfortabler und früher hoch.

Als gegen Abend die Verkehrsdichte abnimmt, taste ich mich auf einem freien Stück an knapp 190 km/h heran. Dass das problemlos möglich ist, zeigt eine baugleiche V-Klasse (allerdings ohne Aufstelldach), die mich mit über 200 km/h überholt. Dennoch entscheide ich mich, den Tempomat wieder auf entspanntere 130 km/h einzustellen.

Erste Campingerfahrung mit dem Campstar

Gegen 23 Uhr stellt sich Müdigkeit ein. Wir beschließen, auf einem Autobahn-Rasthof zu übernachten. Für einen kleinen Mitternachtssnack klappen wir den Innentisch aus – dafür muss man die Tischplatte aus der Arretierung lösen, innerhalb der Schiene nach vorn ziehen, hochklappen und das Tischbein montieren. Letzteres hat problemlos funktioniert, der Rest war ziemlich hakelig.


Nach dem Essen klappen wir den Tisch ein und montieren die Liegeflächenverlängerung am unteren Ende der umgeklappten Rückbank – wir wollten auf dem Rastplatz nicht unbedingt das Schlafdach aufklappen. Dadurch ergibt sich eine für zwei Personen ausreichend große Liegefläche, zwar mit einigen Spalten, die lassen sich aber mit einem Topper leicht ausgleichen. Nachteil: Fast der komplette Bereich hinter den Vordersitzen ist durch das Bett ausgefüllt, Zähneputzen und Umziehen ist fast nur noch auf der Liegefläche krabbelnd möglich.

Als wir im Bett liegen, fällt uns auf, dass die Scheiben zwar getönt sind, doch sehr viel Laternenlicht durchscheint. Außerdem sieht man von außen ohne Probleme ins Innere des Campers – da hätten wir uns eine Verdunkelungsmöglichkeit gewünscht.

Am nächsten Morgen geht es nach einem schnellen Frühstück weiter nach Mailand. Die digital erhältliche Vignette für die Schweiz hatte ich bereits einige Tage zuvor auf das Kennzeichen des Campers registriert, demnach können wir ohne Zwischenstopp über die Grenze fahren. Nach gut einer halben Stunde Fahrt durch die Schweiz meldet sich der Bordcomputer: AdBlue beim nächsten Tankstopp nachfüllen. Also kaufe ich an der nächsten Tankstelle einen Kanister AdBlue und fülle fünf Liter nach. Ohne weitere Zwischenfälle kommen wir am Campingplatz in Mailand an.

Auf dem Campingplatz

Die Stellfläche liegt schattig unter Bäumen. Unsere Nachbarn sind eine V-Klasse Baureihe W 639 und ein baugleiches Modell wie unser Testfahrzeug – hier fühlt sich Camillo also bestens aufgehoben. Wir klappen das Schlafdach auf, stellen Stühle und Tisch auf und genießen ein kurzes Mittagessen, das von der Kühlbox bestens kalt gehalten wurde. Als wir die Küche nach außen schwenken, kommen unsere Nachbarn begeistert auf uns zu – das wäre das Einzige, was ihnen in ihrem Camper noch fehlen würde. Am Abend machen wir uns mit dem Bus auf in Richtung Mailänder Innenstadt.

Zurück am Campingplatz klettern wir zum ersten Mal hoch ins Schlafdach: Auf den umgedrehten Beifahrersitz steigen, an der Armlehne des Fahrersitzes abstützen und hochklettern. Nach unten in umgekehrter Reihenfolge. Eine Leiter wäre hier tatsächlich angenehmer. Die Unterfederung mit Lattenrost ist bequem, die Matratze für meinen Geschmack einen Tick zu dünn. Am nächsten Morgen wiederholt sich das Programm vom Vortag: Frühstück, Sightseeing, klettern, schlafen.


Nach der zweiten Nacht geht es wieder zurück. In der Schweiz machen wir am Luganer See Halt. Danach fahren wir ohne längere Zwischenhalte zurück nach Stuttgart.

Preis und Ausstattung:

Die Klasse der Großraumlimousinen hat den großen Vorteil Alltagsauto und Camper gleichzeitig sein zu können. Die integrierte Möbelzeile schränkt den Camper dadurch kaum in seiner Alltagstauglichkeit ein und bietet noch genug Platz für Gepäck und Passagiere.

Mercedes liefert eine hochwertige und teilweise luxuriöse Basis – dafür muss man bereits ab Werk (für eine V-Klasse ohne Campingausstattung) knapp 60.000 Euro bezahlen. Wer sich für einen Campstar entscheidet, muss noch mindestens 10.000 Euro drauflegen – das finde ich für Aufstelldach inkl. Bett, Beleuchtung, Kühlfach und Schwenk-Küche okay. Wer jedoch mehr Luxus in Form von Zusatzheizung, 360-Grad-Kamera & Co. möchte, muss noch einige Kreuze mehr in der Konfiguration machen.

War alles an Ausstattung an Bord, was du brauchtest? Was hat gefehlt?

  • Passend zugeschnittene Verstausysteme (Boxen, Ausziehfächer o.ä.)
  • Ein passendes Stuhl-Tisch-Set
  • Geschirr bzw. überhaupt eine ordentliche Verstaumöglichkeit für Geschirr.

Vor- und Nachteile des Pössl Campstar

Hier listet unsere Camper Florian Greiner auf, was ihr auf ihrer Reise mit dem Pössl Campstar aufgefallen ist.

Wohnen / Betten:

Unten:

(+) Flexible Rückbank, leicht verschiebbar und umklappbar
(+) Für eine Nacht auf jeden Fall ausreichend
(+) Ausreichend lang mit Liegeflächenverlängerung

Oben:

(+) Ausreichend große Liegefläche, auch Länge ausreichend
(+) Nettes Lichtkonzept mit gut erreichbarem Schalter + Schwanenhalslampe

Unten:

(-) Keine Verdunkelungsmöglichkeiten à von außen komplett einsehbar
(-) Hakelige Liegeflächenverlängerung, die wenig Flexibilität bietet
(-) Ohne Topper tendenziell zu hart

Oben:

(-) Manuelles Aufstelldach (unsere Nachbarn haben ihr Dach in 10 Sekunden elektrisch eingefahren)
(-) Hakelige und billig anmutende Dach-Arretierung (hat sich in der Mitte sogar einmal gelöst)
(-) Matratze zu dünn (für schwere Menschen) à dadurch zu hart

Wohnen / Sitzgruppe:

(+) S.o. (flexible Rückbank, verschiebbar und komplett umlegbar)
(+) Guter Tisch aber (je nach Ort der Rückbank) umständlich im Aufbau
(+) Flexibel im Alltag einsetzbar mit zusätzlich einbaubaren (Einzel-)Sitzen
(+) Frontsitze lassen sich gut umdrehen (recht flüssig, keine Handbremsen o.ä. im Weg); Arretierung in verschiedenen Positionen möglich

(-) Tisch umständlich im Aufbau
(-) Wenn man Bett und Tisch im Wechsel einsetzen möchte (z.B. bei schlechtem Wetter) muss man viel umbauen und hin- und herschieben

Wohnen / Küche:

(+) Vollkommen ausreichendes Waschbecken mit genügend Druck
(+) Großes Kühlfach, das optisch sehr schön integriert ist und ordentlich Kühlleistung bringt
(+) Praktische Küche zum nach außen schwenken
(+) Unkompliziertes Kanister-Konzept direkt unter der Spüle

(-) Edelstahloptik im Waschbecken sehr anfällig für Flecken
(-) Praktisch kein Stauraum vorhanden

Wohnen / Sanitärraum:

(-) Nicht vorhanden und wenig Möglichkeit eine Porta Potti zu verstauen

Wohnen / Möbelbau:

(+) Optisch schön integrierte Möbelzeile
(+) Kein Quietschen

(-) Seitliche Fächer bei beladenem Kofferraum nicht zugänglich
(-) Je nach Position der Rückbank (Fahrmodus mit aufrechter Rückenlehne) Fächer nicht zugänglich
(-) Teilweise hakelige Druckknöpfe

Beladen / Stauräume und Zuladung:

(+) Großer Kofferraum

(-) Ohne maßgenaue Boxen/Außenmöbel nur Tetris und wildes Stapeln möglich
(-) Liegeflächenverlängerung unter Sitzbank verhindert Durchladen von langen Gegenständen
(-) Je nachdem wie oft (bzw. nicht oft) man die Rückbank hin- und herschieben will, muss man Gepäck evtl. vor der Rückbank verstauen
(-) Keine Staumöglichkeit in der Heckklappe

Technik / Bordtechnik, Verarbeitung, Beleuchtung, Wintertauglichkeit:

(+) Übersichtliches Kontrollpanel
(+) Viele verschiedene Beleuchtungsmöglichkeiten (indirekt unter Küche, von oben unterhalb Liegefläche und im Aufstelldach, mit Leselampe und Beleuchtung im Dach)

(-) LED-Licht tendenziell zu weiß und zu hell (v.a. im Dach)
(-) Funktion von Frischwasseranzeige
(-) Fahrzeug-Batterie Warnmeldung ohne Grund
(-) Fahrzeugbeleuchtung bleibt an, wenn die Tür offen ist à nur ganz oder gar nicht (mit Knopf im Fahrerhaus ausschalten)

Fahren / Fahrsicherheit, Fahrkomfort, Fahrverhalten, Fahrleistung:

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(+) Zitat der Nachbarn: "Es ist halt ein Mercedes"
(+) Ausreichend Leistung
(+) Stabiles Fahrverhalten (fast auf Pkw-Niveau)
(+) Übersichtliche Abmessungen
(+) Sehr gute Rundumsicht (Schulterblick möglich)
(+) Gute Assistenzsysteme
(+) 360-Grad-Kamera
(+) Anhängerkupplung

(-) Navi
(-) Unnötig aggressiver Sport-Modus
(-) Kein Totwinkel-Warner
(-) Teilweise umständliche Bedienung (z.B. Lied weiterschalten am Lenkrad)
(-) Teilweise sehr billig anmutende Knöpfe  © Promobil

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