Wenn Tiere schlecht gehalten oder gequält werden, ist die Unsicherheit oft groß, wie man sich richtig verhält. Welche Schritte Du befolgen solltest und an wen Du Dich wenden kannst, um die Tierquälerei zu melden.
Der Hundebesitzer, der seinen Vierbeiner brutal am Halsband zieht. Der Nachbarshund, der immer zu kurz angeleint in seinem Zwinger sitzt. Die Katze von nebenan, die abgemagert und deren Fell völlig verfilzt ist. Das Teacup-Schwein, das in der viel zu kleinen Wohnung gegenüber lebt. Grotesk verkleidete Haustiere auf Social Media, die offensichtlich unter der Zurschaustellung für Klicks leiden. Schweine, Hühner und Kühe, die zusammengepfercht im Stall leben müssen. Das Pferd, das teilnahmslos in seiner Box steht. Nur einige Beispiele, bei denen Du genau weißt, dass dies keine artgerechte Haltung ist, sondern schon an Tierquälerei grenzt.
Doch was kannst Du machen, wenn Du so etwas siehst? Wen rufst Du an? Ist das Veterinäramt zuständig, das Ordnungsamt oder doch sogar die Polizei? Sollst Du den Halter aktiv ansprechen? Darfst Du die Tierquälerei als Beweismaterial fotografieren oder sogar filmen? Die Unsicherheit und Unwissenheit und die Angst vor möglichen Konsequenzen führen oftmals dazu, dass Beobachter solcher Vorfälle gar nichts machen und dann häufig unter schlechtem Gewissen leiden, den Tieren nicht geholfen zu haben. Mithilfe der auf Tierrechte spezialisierten Kanzlei Fritz gibt Dir DeineTierwelt Antworten auf die Frage, wie Du Dich richtig verhältst, wenn Du Zeuge von Tierquälerei wirst.
Wann handelt es sich um Tierquälerei?
Auch wenn für Dich als Tierliebhaber der Tatbestand der Tierquälerei schon längst erfüllt ist, handelt es sich wirklich vom Gesetz her bereits um eine Misshandlung? Die auf Tierrecht spezialisierte Rechtsanwältin Melanie K. Fritz erklärt gegenüber "RTL": "Grundsätzlich spricht das Tierschutzgesetz bei Misshandlungen davon, dass einem Tier ohne ersichtlichen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Hund in einem heißen Auto zurückgelassen wird. Aber auch wenn es (das Tier) erheblich vernachlässigt wird".
Je nachdem wie schwer die Tierquälerei ist, handelt es sich entweder um eine Ordnungswidrigkeit oder um eine Straftat. "Die wäre mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht" führt die Anwältin weiter aus. Freiheitsstrafen werden jedoch sehr selten verhängt. Außerdem kann ein Tierhalteverbot ausgesprochen werden.
Grundsätzlich sind im Tierschutzgesetz alle Wirbeltiere gleichgestellt, das Gesetz greift also für alle Tiere, auch für solche, die keine Haustiere sind. "Dennoch sieht man in der Praxis häufig, dass bei einem misshandelten Welpen eher eingegriffen wird, als bei der Misshandlung einer Stadttaube. Einfach, weil diese Tiere keine besonders große Lobby haben" sagt die Tierrechts-Expertin. Diese unterschiedliche Behandlung nennt man auch Speziesismus.
Wem kannst Du die Tierquälerei melden?
Damit es überhaupt zu einer Verurteilung kommt, muss die Misshandlung zunächst seitens offizieller Stellen festgestellt werden. Dazu sollte entweder das Veterinäramt, das Ordnungsamt oder die Polizei verständigt werden.
Das örtliche Veterinäramt ist zuständig, wenn das Tierschutzgesetz nicht eingehalten wird. Wenn das Amt Hinweise auf Tierquälerei oder Misshandlungen erhält, muss es überprüfen, wie die Tiere gehalten werden. Bestätigt sich der Verdacht, muss der Tierhalter innerhalb einer Frist dafür sorgen, die Haltung artgerecht zu gestalten. Innerhalb dieser Frist kann das Tier auch vorübergehend beschlagnahmt werden.
Um schnell handeln zu können, benötigt das Veterinäramt jedoch Informationen aus erster Hand. Es kann zügiger reagieren, wenn Augenzeugen persönlich Kontakt aufnehmen, anstatt den Vorgang zuerst einem Tierschutzverein, dem örtlichen Tierheim oder dem Deutschen Tierschutzbund melden.
Anwältin Fritz erklärt die Besonderheit bei Hunden: "Gerade bei Hunden kann man immer auch überlegen, ob zusätzlich eine Meldung beim Ordnungsamt Sinn ergibt. Die sind für die Einhaltung der ‚Landeshundegesetze‘ und der ‚Hundeverordnung‘ zuständig. Vor allem große Hunde oder Listenhunde sind oft gar nicht vernünftig angemeldet. Gerade bei Leuten, die sich nicht kümmern."
Die Polizei schließlich ist für akute Notsituationen oder einen eindeutigen Fall von Tierquälerei zuständig. Wenn zum Beispiel ein Hund bei geschlossenen Scheiben in einem heißen Auto sitzt, ist diese akute Notsituation gegeben. Eine Strafanzeige bei der Polizei oder direkt bei der Staatsanwaltschaft ist nicht mit Kosten verbunden und trägt somit dazu bei, Tierquäler für ihr Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen.
Darfst Du Tierquäler fotografieren oder filmen?
Siehst Du, wie jemand sein Tier misshandelt, ist das Bedürfnis groß, die Tierquälerei visuell festzuhalten. Der Griff zum Smartphone geht schnell und schließlich brauchst Du die Bilder oder Videos ja auch zur Dokumentation. Häufig dient Foto- oder Filmmaterial den Ämtern oder Tierschutzorganisationen als eindeutiges Beweismittel und als Grundlage für weitere Ermittlungen. Doch natürlich weißt Du, dass Du Fremde oder deren Eigentum nicht ohne deren Erlaubnis filmen oder fotografieren darfst.
Rechtsanwältin Fritz erklärt gegenüber "RTL", dass es sich hierbei um eine Grauzone handelt: "In der Regel darf man Menschen nicht so einfach filmen. Auch, in fremde Gärten oder Häuser reinzufilmen, kann sehr problematisch sein. Wenn man aber in der Öffentlichkeit ist, ist es in Ausnahmefällen möglich." Oft ist es eine "Interessenabwägung". Aber: "Falls man sich nicht sicher ist und keine Zeugen hat, sollte man vom Filmen eher absehen." Wer schon gefilmt hat und nun Konsequenzen fürchtet, sollte wissen: "Man kann Anzeigen auch anonym stellen. Je schlimmer die Tierquälerei ist, umso eher wird wohl ein Auge zugedrückt."
Tierquälerei im Ausland
Wirst Du Zeuge von Tierquälerei im Ausland, rät "Peta" dazu, zunächst die Verantwortlichen selbst zu konfrontieren. Ist Dir das allerdings zu riskant, wende Dich am besten an die lokale Polizei, Behörde oder dortige Tierschutzorganisation. Im Nachhinein sei es meist unmöglich, den Tieren effektiv zu helfen. Wichtig ist es auch im Ausland, Beweise zusammen: Gib den genauen Ort, das Datum, Details zur Tierquälerei, die Verantwortlichen (falls bekannt) und gegebenenfalls Zeugen an. Um der Angelegenheit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, kannst Du Dich auch an Dein Reiseunternehmen wenden und auf Missstände hinweisen. Denn es liegt in seinem Interesse, dass ein Urlaubsort kein schlechtes Image durch schlechtem verhalten gegenüber Tieren bekommt und kann Einfluss nehmen.
Fazit: Schau nicht weg
Wenn Du beobachtest, dass Tiere schlecht gehalten oder gequält werden, behalte als erstes Ruhe. Dokumentiere die Tierquälerei und notiere Dir Ort, Zeit und Datum. Wenn möglich, mache Fotos vom Zustand und der Örtlichkeit. Achte dabei darauf, die Privatsphäre zu respektieren. Notiere Dir die Kontaktdaten möglicher Zeugen und bitte diese gegebenenfalls um Abgabe einer "eidesstattlichen Versicherung". Melde Deine Beobachtungen persönlich dem Veterinäramt, dem Ordnungsamt oder – in einer akuten Notsituation – der Polizei und stelle Dich für eine Aussage zur Verfügung.
Um sicherzugehen, dass Deiner Meldung auch nachgegangen wird, kannst Du Dich regelmäßig über den aktuellen Stand erkundigen. Tut sich gravierender Missstände nichts, kann es hilfreich sein, die nächsthöhere Dienststelle hinzu zu ziehen, rät "Peta". Das können zum Beispiel Oberbürgermeister, Landräte, das Landesamt oder Regierungspräsidium sein. Oft werden die zuständigen Behörden auch durch Berichterstattung über Fälle von Tierquälerei zum Handeln motiviert. Du kannst Dich also an die Presse wie Deine lokale Zeitung oder auch überregionale Medien wenden.
Das Wichtigste ist jedoch immer: Schau nicht weg und verlasse Dich nicht darauf, dass jemand anderes sich um die Angelegenheit schon kümmern wird. Sollte die Angelegenheit akut sein und Lebensgefahr drohen, wende Dich ohne zu zögern an die Polizei. © Deine Tierwelt
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