Dem geliebten Partner auf vier Hufen einen würdigen Abschied ermöglichen – dafür entscheiden sich immer mehr Pferdebesitzer. Und dann? Die Trauer bleibt und ein Gedenken mit Freunden ist nur im privaten Rahmen möglichen. Doch in Baden-Württemberg gibt es jetzt Deutschlands erste Tierbestattungskirche. pferde.de sprach mit Ellen Weinmann über den schweren Moment des Abschieds und warum Trauer Zeit braucht…

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Auch wenn wir den Gedanken daran immer wegschieben: Irgendwann kommt der Tag, an wir Abschied von unserem Pferd nehmen müssen. Früher blieb dann nur eins: der Abdecker. "Für die meisten Pferdebesitzer ist allein der Gedanke daran ein Albtraum", sagt Ellen Weinmann. Für sie selbst ist er unerträglich. "Ich komme aus einer sehr tierlieben Familie", sagt die 43-Jährige. Und schon früh prägte sie eine Erfahrung: "Vor mehr als 20 Jahren starb unser Hund Ferdinand. Wir konnten uns damals nur mit Hilfe eines Tierbestatters in München würdig von ihm verabschieden."

Ein Erlebnis, das die Familie überzeugte: Würdige Bestattungen sind für Tierbesitzer wichtig. Damals hatte Ellen Weinmann auch den ersten Gedanken an eine eigene Tierbestattung. Doch erst vor fünf Jahren kam das einschneidende Erlebnis. Damals starb ihre Rottweiler-Mischlingshündin Mistinguette. Auch sie wollten sie bestatten lassen. "Aber die Beisetzung eines so großen Hundes war äußerst kompliziert. Für uns war das, neben der Trauer, eine zusätzliche Belastung."

Abschied nehmen vom Tier fällt immer schwer
Abschied nehmen vom Tier fällt immer schwer © Foto: pexels.com/Tiana (Symbolfoto)

Jedes Tier würdig verabschieden

Dabei gibt es heute es eine Vielzahl von Tierbestattern in Deutschland. "Doch die Bandbreite an Qualität und an Empathie die die Tierbesitzer dort erwartet ist sehr weit gefächert", so Weinmann. "Eigentlich sollten nur Menschen diesen Beruf ergreifen, die selbst Tiere haben." Ihre Erfahrung: "Eher bei kleineren, inhabergeführten Tierbestattungen findet man eine persönliche Betreuung von Herzen und für das Herz. Solche besonderen Orte gibt es noch viel zu selten."

Und so beschlossen sie und ihr Lebensgefährte Florian Düsterwald selbst aktiv zu werden. Sie gründeten die Tierbestattung Schönhalde in Albstadt. Und von Anfang an war klar: "Egal, ob groß oder klein – wir geben jedem Tier einen würdigen Abschied!" Was auch an ihrer persönlichen Tierliebe liegt. "Wir selbst haben einen halben Zoo", sagt Weinmann lachend. Neben drei Katzen und zwei Hunden gehören auch drei Pferde zu ihnen. "Pferde waren einfach immer ein Teil meines Lebens", so Weinmann.

Niemand möchte den Abdecker auf dem Hof…

Mit sechs Jahren fing sie mit Voltigieren an, dann folgte Reitunterricht und auch auf Turnieren war sie unterwegs. "Damit habe ich heute aber nichts mehr zu tun", sagt sie. Auf ihrer Weide steht die zehnjährige Tinker-Lady Beefy, die sie direkt aus Irland bekam. "Als sie kam, hatte sie eine Überraschung im Gepäck", so Weinmann lachend. "Wir dachten erst, dass sie gut im Futter stand. Acht Wochen später kam plötzlich ein Anruf, dass wir sofort in den Stall kommen sollen: Neben Beefy lag ein Fohlen…"

Das Fohlen war eine Überraschung
Das Fohlen war eine Überraschung © Foto: pexels.com/Hilary Halliwell (Symbolfoto)

Das war 2020, mitten in der Corona-Zeit. "Für uns war das Fohlen ein doppeltes Geschenk. Denn wir haben damals mit den Kindern jeden Tag auf der Koppel verbracht. Das waren unvergessliche Momente." Natürlich blieb das Fohlen Fred bei ihnen. Und Campari, ein Lusitano-Tinker-Mix, vervollständigt ihr Trio. Durch ihre Pferde war Weinmann klar: Auch sie sollen einmal einen würdevollen Abschied bekommen. "Jeder hat schon mal erlebt, dass der Abdecker auf den Hof kommt", sagt sie. "Das will niemand ein zweites Mal erleben. Und schon gar nicht mit dem eigenen Pferd."

Tierbestattungskirche bietet Raum für Trauer

Als sie dann ihre Tierbestattung eröffneten, wollten sie es zuerst nur nebenberuflich machen. Doch dann stand ihr Telefon kaum noch still. Das Paar stieg vollberuflich ein – und stand vor dem nächsten Problem: Die Räumlichkeiten rund um ihr Privathaus wurden schnell zu klein. So wurde ein Umbau geplant. Doch dann entdeckten sie im Internet eine Anzeige: Kirche zu verkaufen.

Das Paar fand heraus: Es handelte sich um die Pauluskirche, das alte Gotteshaus der Methodisten, nur rund 200 Meter von ihrem Haus entfernt. "Das war eine Fügung", so Weinmann. "Wir haben sofort angefragt. Denn so ein Angebot bekommt man nicht zweimal." Und sie bekamen den Zuschlag. Damit stand fest: Sie eröffnen Deutschlands erste Kirche für Tierbestattungen.

Würdige Bestattungen sind für Tierbesitzer wichtig
Würdige Bestattungen sind für Tierbesitzer wichtig © Foto: pexels.com/Omar Ramadan (Symbolfoto)

Aber, das betonen sie: Bei ihnen gibt es keine kirchlichen Gottesdienste. "Heute ist es keine Kirche mehr, sondern ein Platz, in dem wir der Trauer noch einmal einen eigenen Raum geben", so Weinmann. Dabei haben sie der ehemaligen Kirche ihren besonderen, feierlichen Charakter gelassen. Die Kirchenfenster und der Altar blieben erhalten. Auf dem Altar liegt eine 150 Jahre alte Baumscheibe, darauf eine runde Glasscheibe.

Der Teppich wurde durch einen Holzboden ersetzt, das Kreuz durch einen Lebensbaum mit Pferd und Hund. Ein paar Schritte weiter steht ein echter Korkenzieher-Haselnuss-Baum. An seinen Ästen hängen Holzherzchen mit eingravierten Namen fast aller verstorbenen Lieblinge: Missy, Lucky, Edward oder Freddy.

Ein ganzer Reitstall nahm schon Abschied

Dass sie eine ehemalige Kirche jetzt als Tierbestattungskirche nutzen, kann nicht jeder nachvollziehen. "Ganz klar, es gibt welche, die es nicht verstehen. Aber mittlerweile akzeptieren auch viele Nicht-Tierbesitzer, dass unsere Tiere Familienmitglieder sind. Und dass wir um sie trauern." Dabei nimmt nicht jeder das Angebot einer Trauerfeier an – "und das ist auch gut so. Denn Trauer ist individuell. Jeder geht anders damit um."

Jede Trauerfeier ist individuell
Jede Trauerfeier ist individuell © Foto: pexels.com/Fabian Reitmeier (Symbolfoto)

Entsprechend einzigartig sind die Trauerfeiern. "Wir machen es so individuell, wie es sich der Einzelne wünscht", so Weinmann. In der Tierbestattungskirche gibt es oft eine Trauerrede, manchmal wird dazu Musik gespielt. "Wir hatten sogar schon mal einen ganzen Reitstall da. Die Urne wurde dann ganz standesgemäß mit einem Hänger abgeholt."

Pferd einäschern und Tierbestattung noch immer teuer

Tatsächlich wählen immer mehr Pferdebesitzer diesen Weg des Abschieds. "Im Schnitt begleiten wir jede Woche ein Pferd auf seinem letzten Weg." Denn das liegt dem Paar am Herzen: "Wir sind mit unserem eigenen speziellen Hänger und Gerät beim letzten Atemzug dabei. Auf Wunsch sichern wir das Pferd so, dass es nicht schwer auf den Boden fällt, sondern abgefangen wird. Dann ‚schwebt‘ es in unseren Hänger und dort können wir es sanft auf den Boden legen." Was danach geschieht, entscheiden die Besitzer. "Wir begleiten den Weg komplett."

Dabei, das gibt Ellen Weinmann zu, sind Pferdebestattungen immer noch sehr teuer. Zwar dürfen seit 2018 auch in Deutschland Pferde kremiert werden, aber es gibt nur drei Krematorien in Deutschland. "Und die Kosten richten sich nach dem Gewicht des Tieres. Bei einem Kleinpferd sind es rund 3.000 Euro." Das wissen Pferdebesitzer, sagt sie. "Es gibt viele, die sich schon vorher Gedanken machen und genau für den schlimmsten Moment Vorsorge treffen. Denn in vielen ist die Sehnsucht sich richtig zu verabschieden…"

Nicht jeder kann Trauer zulassen
Nicht jeder kann Trauer zulassen © Foto: pexels.com/Johannes Plenio (Symbolfoto)

Bei einer Trauerfeier das geliebte Pferd verabschieden

Dabei kann nicht jeder die Trauer zulassen. "Bei uns sitzen Männer, die ihre Tränen unterdrücken wollen. Und sie dann doch zulassen. Denn genau das ist wichtig: Die Trauer zuzulassen. Ich möchte für die Menschen dann da sein, ihnen beistehen." Dabei ist Trauer nicht an Zeit gebunden. "Es heißt zwar, dass die Zeit alle Wunden heilt. Aber das stimmt so nicht. Es kommen immer wieder Momente, in denen die Trauer übermächtig werden kann. Für viele ist der Weg nach der Trauerfeier noch nicht zu Ende."

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Und für sie selbst? "Mich berührt jede einzelne Geschichte sehr. Und macht mich traurig. Aber gleichzeitig bekommen wir auch viel Dankbarkeit, weil wir eben genau in dieser Zeit für die Menschen da sind", so Weinmann. "Der Dank, den wir zurückbekommen, überwiegt das Traurige in unserer Arbeit bei Weitem." Wenn sie selbst eine Auszeit braucht, geht sie zu ihren Pferden. "Bei ihnen finde ich sofort meine Erdung."  © Pferde.de

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