Auch unsere heimischen Wildtierarten sind vom Hochwasser bedroht. Wenn Wiesen und Felder überschwemmt werden, zerstört das die Lebensräume von Rehen, Igeln, Mäusen, Biber, Kaninchen und Hasen. Vor allem Jungtiere und Insekten haben keine Chance gegen die Fluten.

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Es sind dramatische Bilder, die uns seit einigen Tagen aus den Hochwasser-Gebieten in Süddeutschland erreichen. Flüsse treten weit über ihre Ufer. Ehemals kleine Bäche verwandeln sich in reißende Fluten, die sich durch Ortschaften wälzen und alles mit sich reißen. Häuser werden überschwemmt, Existenzen von jetzt auf gleich vernichtet. Augenzeugenberichte, die betroffen machen. Denn natürlich stehen bei solch einer Hochwasser-Katastrophe die Menschen und deren Schicksal absolut im Fokus der Berichterstattung.

Haben sich dann nach einiger Zeit die Flüsse, Seen und Bäche wieder in ihre "Betten" zurückgezogen, sind die Schäden beziffert und die Aufräumarbeiten gestartet, fragt sich der eine oder andere Tierfreund, welche Auswirkungen solch ein Hochwasser wohl auf unsere Wildtiere hat. Denn Fakt ist: auch das Leben von Wildtieren ist durch Hochwasser akut gefährdet.

Wenn Wiesen, Felder und Wälder überflutet sind, verlieren Reh, Luchs, Otter, Biber, Hase, Kaninchen und die übrigen heimischen Wildtierarten ihre Lebensräume. Circa 48.000 Tierarten leben in deutschen Wäldern, Wiesen und Bergen. Viele davon sind Insekten, doch auch 328 Vogelarten, 104 verschiedene Säugetiere und mehrere Dutzend Amphibien und Reptilien sind in Deutschland beheimatet.

Bereits vor fünf Monaten war der "Tiernotruf e.V. Düsseldorf" beim damaligen Hochwasser in der Region Düsseldorf, Dormagen und Neuss im Einsatz, um Tiere wie Wildkaninchen aus den gefährlichen Fluten zu retten, wie dieses Video zeigt. Auch bei den aktuellen Überschwemmungen in Süddeutschland leiden die Wildtiere unter den Fluten.

Nicht nur Menschen macht das Wasser zu schaffen.
Nicht nur Menschen macht das Wasser zu schaffen. © Foto: unsplash.com/Chris Gallagher (Symbolfoto)

Der gefährliche Mix aus Dauerregen und dem Hochwasser danach

Viele Tiere sind laut "Deutscher Wildtierstiftung" Hochwasser gewohnt. Rehe, Hirsche, Wildschweine und Füchse ziehen sich an halbwegs trockene Orte zurück. Jedenfalls in Gebieten, wo das noch möglich ist. Vögel flüchten in schützende Hecken oder Gebäudenischen. Eichhörnchen klettern in hohe Baumkronen.

Für andere Tiere ist das Hochwasser aber lebensgefährlich: Vor allem Jungtiere, wie zum Beispiel ein vor Angst erstarrtes Rehkitz oder Insekten, haben gegen die Fluten oftmals keine Chance. Da die Insektenpopulation ohnehin dramatisch zurückgegangen ist, hat ein weiterer Rückgang enorm negative Auswirkungen auf das gesamte Lebensnetz. Schließlich diesen Insekten als Nahrungsquelle für Vögel und Bestäuben von Pflanzen.

Aber auch Dauerregen und lang anhaltende Feuchtigkeit können Jungtiere krank machen. So haben Frischlinge von Wildschweinen beispielsweise noch keine wasserabweisende Unterwolle. Sie kühlen daher schnell aus und können eine Lungenentzündung bekommen.

Für die meisten heimischen Vögel ist der Dauerregen ebenfalls ein großes Problem, sagt Vogelexperte Martin Rümmler vom "Naturschutzbund Deutschland" (Nabu). Sie können sich zwar lange an geschützten Plätzen aufhalten, müssen diese aber zur Nahrungssuche auch bei Dauerregen verlassen. Die Gefahr für den kleinen Piepmatz beschreibt Rümmler wie folgt: "Je kleiner der Vogel ist, desto leichter kühlt er aus, wenn sein Gefieder durchnässt ist." So sind Meisen gefährdeter als Tauben. Zwar ist Dauerregen nicht "unbedingt bestandsgefährdend, jedoch gefährlich oder ungünstig für einzelne Tiere."

Deiche als Schutzzone für Wildtiere ausweisen

Feldhasen haben es ebenfalls schwer bei Dauerregen und hohen Wasserständen. Jennifer Calvi von der "Deutschen Wildtierstiftung" erklärt, warum: "Sie sind ursprünglich Steppenbewohner. Die mögen es warm und trocken." Insbesondere Jungtiere können durch andauernde Nässe krank werden und durch das anschließende Hochwasser in ihrem Bau ertrinken.

"Oft müssen Hase, Reh oder Fuchs bei Hochwasser auf die Deiche steigen, um sich zu retten" betont Calvi. Doch sind diese Deiche oft von Schaulustigen besucht, die diese Katastrophen mit dem eigenen Smartphone dokumentieren und schlaue Tipps bereit haben. Abgeschreckt von dieser Menschenmenge, laufen die Wildtiere zurück ins Wasser und ertrinken dort. Calvi appelliert daher: "Jeder Mensch, der nichts auf den Deichen zu suchen hat, sollte sie daher meiden."

Bebauung natürlicher Gebiete führt zu Katastrophen
Bebauung natürlicher Gebiete führt zu Katastrophen © Foto: unsplash.com/Ales Krivec (Symbolfoto)

Hochwasser überflutet die Bauten

Etwa 60 bis 75 Prozent der Biberjungen erleben die ersten zwei bis drei Lebensjahre nicht. Sie sind noch zu schwach, um ihre Burg tauchend zu verlassen. Werden sie von steigenden Wasserpegeln überrascht, ertrinken sie jämmerlich in ihrem Bau.

Dieses Schicksal teilt der Biber mit Maulwürfen. Zwar können sie gut schwimmen, meiden aber den Kontakt zum Wasser. Wenn daher das Hochwasser zu schnell kommt, ist es für eine Flucht zu spät. Auch für die Maulwürfe wird dann der eigene Bau zur Todesfalle. Bei einem langsamen Anstieg schaffen es einige der Tiere, noch rechtzeitig umzuziehen. – Und zwar über der Erde. Maulwürfe bauen auf Feuchtwiesen dazu sogenannte "Sumpfburgen". Diese Hügel können rund einen Meter hoch sein und einen Durchmesser von bis zu 1,5 Meter haben. Sie bieten also genug Platz zur Flucht.

Im Boden lebende Insekten wie Käfer oder Spinnen sind durch Hochwasser ebenfalls akut gefährdet. Selbst für "aquatische" Insekten wie Libellen können Überflutungen lebensbedrohlich sein, da sie auf besonders sauberes Wasser angewiesen sind. Hochwasser hingegen bringt auch immer umfassende Verschmutzung und verminderte Wasserqualität mit sich.

Nahrungsbeschaffung, Stress, Fortpflanzung und Krankheiten

Überschwemmungen zerstört Nahrungsquellen oder macht sie für unsere Wildtiere unerreichbar. Pflanzen und Gräser verderben unter Wasser und sind damit für Pflanzenfresser ungenießbar. Raubtiere bekommen Schwierigkeiten, noch Beutetiere zu finden. Der gesamte Nahrungs-Zyklus gerät vorübergehend aus den Fugen.

Müssen Tiere ihr angestammtes Habitat verlassen, führt dies zu hohem Stress. In fremden Gebieten müssen sie sich erst an die neuen Gegebenheiten anpassen, was ihre Überlebenschancen zusätzlich vermindert. Viele Wildtiere haben außerdem spezifische Brut- und Aufzuchtzeiten. Hochwasser stört diese Zeiten, da Nester zerstört sind oder die Tiere von ihren Jungen getrennt wurden. Somit kann neben dem Nahrungs-Zyklus auch der gesamte Fortpflanzungszyklus durch Überschwemmungen gestört werden.

Und schließlich tragen Überschwemmungen auch zu Krankheiten bei, wenn die Tiere verschmutztes Wasser trinken. Insgesamt stellen Dauerregen und Hochwasser eine ernsthafte Bedrohung auch für unsere Wildtiere dar. Auch wenn sie Überschwemmungen gewohnt sind, vermindern drastisch veränderte Lebensbedingungen ihre Überlebensfähigkeit.

Auch wenn Starkregen, Schneeschmelze und der Klimawandel Gründe für Hochwasser darstellen, sind es in den meisten Fällen die menschlichen Aktivitäten, die daraus erst "Großschadensereignisse" machen.

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Urbanisierung, Bebauung selbst in Überschwemmungsgebieten und Erosion durch Entwaldung zerstören die "natürliche Wasser-Ableitung". Fehlende Deiche und Dämme und deren mangelnde Wartung kennzeichnen zudem ein fehlerhaftes Fluss-Management. Dazu erhöht die zunehmende Versieglung von Flächen dann das Überschwemmungsrisiko, da immer weniger Wasser im Boden versickern kann. Alles menschengemachte Probleme, unter denen auch unsere Wildtiere leiden.  © Deine Tierwelt

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