• Corona-Lockdown und Weihnachtsgeschäft – eine Kombination, von der vor allem der Internet-Handel profitiert.
  • Gleichzeitig stöhnen Entsorger und Umweltschützer unter der wachsenden Flut von Verpackungsmüll.
  • Ist Online-Shopping wirklich so schädlich für die Umwelt, wie manche Kritiker vermuten - oder kann man auch auf umweltfreundliche Weise online einkaufen?

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Eine Analyse des Umweltmagazins "Ökotest" hat kürzlich für Aufregung gesorgt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Online-Handel "in vielen Fällen weniger CO2-Emissionen" als der stationäre Handel produziert.

"Diesem Befund kann man zustimmen", sagt Till Zimmermann vom Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) im Gespräch mit unserer Redaktion. Ganz so einfach sei das nämlich nicht mit der Einteilung des Handels in Gut (jedes Geschäft vor Ort) und Böse (alles, was aus dem Internet kommt).

"Die Bandbreite ist groß und auch innerhalb des Online-Handels gibt es Unterschiede", gibt der Experte zu bedenken. Der Vorteil des Online-Handels liegt zunächst einmal in seiner Größe: Versender wie etwa Amazon stapeln enorme Warenbestände schmucklos, aber effektiv in riesigen Lagerhallen auf gigantischen Hochregalen. Großversender sind daher unschlagbar, was Platzverbrauch und Energieaufwand pro Verkaufsartikel anbelangt. "Ein hoher Warendurchsatz pro Fläche", erklärt Zimmermann, sei "aus ökologischer Sicht schon mal gut".

Oft wird aber auch über die Verkehrsbelastung durch Transportfahrzeuge ge­klagt. Doch auch was die Umweltbilanz der Auslieferung anbelangt, stehen die Online-Händler nicht schlecht da.

Die "letzte Meile" kann der Großversender besser

Wenn es um den vom Handel erzeugten Verkehr geht, reicht der Blick auf die "letzte Meile": Weil Einzelhändler und Großversender überwiegend auf denselben Vertriebswegen beliefert werden, entsteht ein Unterschied häufig erst auf dem Weg der Ware vom Händler zum Kunden.

"Wenn die Alternative darin besteht, dass im Einzelhandel jeder Käufer die Waren mit dem Auto abholt", meint Till Zimmermann, "dann kann das der Online-Händler besser." Denn der Lieferwagen fasst viel mehr Artikel als ein Privatauto – und beliefert auf einer ausgetüftelten Route mit möglichst wenig Zeit- und Spritaufwand möglichst viele Kunden.

Andere Nachteile allerdings lassen sich nur schwer beziffern und bilanzieren – etwa die schwindende Aufenthaltsqualität in den Städten durch den zunehmenden Lieferverkehr, die Verschlechterung der Luft durch Klein-Lkw mit Dieselantrieb, die Straßen verstopfen und auf Geh- und Radwegen parken.

Der wohnortnahe Laden schneidet dagegen in der Ökobilanz vor allem dann gut ab, wenn seine Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einkaufen kommen oder, noch besser, mit dem Fahrrad.

Online-Handel: Retouren steigern Verpackungsmüll

Ein klarer Nachteil des Online-Handels bleiben die Retouren – Waren, die von den Kunden zurückgeschickt werden, weil sie nicht funktionieren, nicht passen oder einfach nicht gefallen. "Die verbraucherfreundliche Gesetzgebung und kulante Retourenpraktiken der Unternehmen" führten zu hohen Retourenquoten, stellte die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg fest.

Die Wissenschaftler gehen "nach konservativen Schätzungen" davon aus, dass im Jahr 2018 etwa 490 Millionen Artikel zurückgeschickt wurden – in 280 Millionen Paketen. Auch diese immensen Zahlen tragen dazu bei, dass der Versandhandel etwa 800.000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr erzeugt.

Nachteile des stationären Handels

Doch auch der stationäre Handel hat seine Nachteile. Grundsätzlich sei es ein "ökologischer Nachteil", wenn der Händler seine Ware ausstellt, sagt Zimmermann: Die aufwendige Präsentation von Artikeln, die zum Kauf anregen soll, verschlingt mehr Platz, mehr Wärmeenergie bei der Beheizung der Verkaufsräume, mehr Strom zur Beleuchtung pro Produkt.

Deshalb sei in vielen Fällen die Ökobilanz selbst eines großen Geschäftes schlechter als die eines gro­ßen Lagers. Doch dem Experten ist es wichtig, die fließenden Grenzen zu betonen: Das kleine Lager eines kleinen Online-Händlers kann ökologisch gesehen schlechter dastehen als ein stationäres Geschäft.

Der Umbruch ist auf beiden Seiten im Gang

Vor allem aber betont Zimmermann, dass im gesamten Handel derzeit ein großer Umbruch im Gange ist. Auf der einen Seite sind – angetrieben von der Coronakrise und dem Lockdown-Schock – immer mehr Einzelhändler bestrebt, ein "Online-Standbein" zusätzlich zum lokalen Geschäft aufzubauen.

Auf der anderen Seite ist der etablierte Online-Handel bestrebt, den Verdacht des Öko-Sünders loszuwerden: Manche Logistikdienstleister wollen beispielsweise ihre Fuhrparks in absehbarer Zeit auf mit Ökostrom betriebene Elektroautos umstellen und Händler bemühen sich, die Retourenmenge zu verkleinern.

Auch neue Auslieferungssysteme werden erprobt: In Hamburg können sich Besteller die gelieferten Waren aus der "Hamburg-Box" abholen, einer Art Packstation, die es den Versendern erspart, bei jedem Kunden bis vor die Haustür zu fahren. Auch mit sogenannten Mikro-Hub-Systemen wird experimentiert: Lieferwagen laden die Ware an Knotenpunkten ab, dort übernehmen Lastenfahrräder den Weitertransport. Und nicht zuletzt sind auch Versuche mit wiederverwendbarem Verpackungsmaterial vielversprechend.

Nachhaltig einkaufen ist immer ökologisch

Gleichzeitig wachsen die Umsatzzahlen im Online-Handel. Schon der Corona-Lockdown im Frühjahr hat das gezeigt. Studien lassen den Schluss zu, sagt Zimmermann, "dass es vor Weihnachten nochmal deutlich nach oben geht". Der Experte hofft deshalb auf Veränderungen an mehrere Stellen: Der Online-Handel müsse ebenso wie der stationäre weiter an seinem ökologischen Profil arbeiten.

Hilfreich wäre dabei, wenn Kunden bei der Bestellung nach nachhaltigen Anbietern suchen. Gut wäre es auch, Einzelkäufe zu vermeiden und stattdessen mit Freunden oder Nachbarn gemeinsam zu bestellen. Vor allem aber sollte man vor dem Kauf gut überlegen, was man wirklich will und braucht, und so Retouren so weit wie möglich vermeidet.

Und schließlich: Wer nachhaltige, umweltfreundlich hergestellte Produkte kauft, ist auf jeden Fall auf der ökologischeren Seite – egal ob er online oder vor Ort shoppen geht.

Über den Experten: Dr. Till Zimmermann ist Ingenieur. Er ist beim Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) in Hamburg zuständig für das Thema Kreislaufwirtschaft

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Till Zimmermann, Ingenieur
  • Webseite des Hamburger Instituts für Ökologie und Politik
  • Magazin Ökotest: "Weihnachtsgeschenke: So funktioniert Online-Shopping umweltfreundlicher"
  • Universität Bamberg / Dr. Björn Asdecker: "Forschungsgruppe Retourenmanagement"

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