Das Risiko, im Alter arm zu sein, wird in den nächsten Jahren drastisch steigen - bis 2036 um 25 Prozent. Insbesondere für Frauen stellt die Altersarmut ein immer größer werdendes Problem dar. Zwei Experten benennen Ursachen und zeigen Wege aus der Armutsfalle.
Vor 50 Jahren hat der Bundestag das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau verabschiedet. Am Welttag der sozialen Gerechtigkeit, dem 20. Februar, wird regelmäßig Bilanz gezogen. Und die sieht für das weibliche Geschlecht ein halbes Jahrhundert später nicht gut aus.
Trotz besserer Schulabschlüsse verdienen Frauen immer noch rund 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen und unterbrechen ihre berufliche Laufbahn häufiger für Kinder und Familie.
Die Folgen bekommen sie im Alter drastisch zu spüren, wenn die Rente nicht zum Leben reicht. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes betraf das im September 2017 für 535.106 Frauen in Deutschland. Sie müssen Grundsicherung beziehen, um sich durchzuschlagen.
Armutsrisiko für Neurentner steigt
Johannes Geyer, Rentenexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, "dass es nur rund ein Drittel aller Frauen mit Ansprüchen an die Rentenversicherung schafft, über die Grundsicherungsschwelle zu kommen".
Diese alarmierenden Zahlen fand der Wirtschaftswissenschaftler im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in einer groß angelegten Studie im vergangenen Jahr heraus. Demnach steigt das Armutsrisiko für Neurentner bis zum Jahr 2036 um vier Prozent auf mehr als 20 Prozent. "Frauen und Witwen gehören dabei zur größten Risikogruppe", sagt Geyer.
Die Gründe sieht der Sozialforscher in Unterbrechungen des Berufslebens von Müttern wegen langer Baby- und Erziehungspausen, in prekären Arbeitsverhältnissen im Niedriglohnbereich wie Mini-Jobs und Teilzeit sowie in der höheren Lebenserwartung von Frauen.
"Kinder alleine führen allerdings nicht zur Armut", steht für Geyer fest. Frauen würden das Risiko tragen, wenn die Ehe scheitere oder der Mann sterbe. "Dann haben sie leider nicht mehr die Möglichkeit die fehlenden Rentenbeiträge durch mehr Erwerbstätigkeit auszugleichen. So beginnt oft der Weg in die Altersarmut."
Wege aus der Armutsfalle
Der Appell geht deshalb an junge Frauen und lautet: vorsorgen und zwar möglichst früh! Wer seinen Lebensstandard im Alter erhalten will, muss nach Expertenmeinung angesichts des demographischen Wandels, niedriger Zinsen und des Drucks auf die Rentenkasse in den kommenden zehn Jahren eine private Altersvorsorge aufbauen.
Joachim Rock, Abteilungsleiter Arbeit, Soziales und Europa beim Paritätischen Gesamtverband, rät Frauen, während ihres Erwerbslebens viele Rentenansprüche zu erwerben.
Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er, wie das funktionieren kann: "Möglichst viel einzahlen heißt, Mini-Jobs so aufstocken, dass sich Rentenversicherungsansprüche ergeben. Wer wegen seines Partners zurücksteckt, muss auf Ausgleich beharren beispielsweise in Form einer Extra-Versicherung oder gleich im Ehevertrag vorsorgen."
Dem stimmt Rentenexperte Geyer zu: "Frauen müssen frühzeitig durchrechnen, wie hoch ihre Ansprüche an die Alterssicherung mit Teilzeit oder Mini-Jobs ausfallen und sich private Alternativen überlegen."
Hilfe beim Thema Geld und Vermögensaufbau bieten verschiedene Anlaufstellen: Verbraucherzentralen, die Deutsche Rentenversicherung oder freie Finanzberater.
Politik und Arbeitgeber müssen handeln
Für Geyer sind aber nicht nur die Frauen selbst und ihre Partner gefordert, sondern auch Politik und Arbeitgeber. "Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, dass mehr Führungspositionen geschaffen werden, die auch in Teilzeit ausgeführt werden können." Bessere Verdienste, eine durchgehende Beschäftigung und mehr Progressivität in der Rentenversicherung spielen für Geyer ebenfalls eine wichtige Rolle.
Der Paritätische Gesamtverband hat dafür eine konkrete Empfehlung an die Politik: "Die Infrastruktur für Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen muss ausgebaut werden, damit Frauen trotzdem möglichst viel erwerbstätig sein können und nicht mehr in Abhängigkeit von ihrem Partner stehen", erklärt Joachim Rock.
Die Zeit drängt, wie die Bertelsmann-Studie zur Altersarmut zeigt. Es wird befürchtet, dass die Grundsicherungsquote bei Neurentnerinnen von 16 Prozent im Jahr 2015 bis auf 28 Prozent im Jahr 2036 ansteigen wird.
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