Um die Erbschaftssteuer zu umgehen, übertragen viele Vermögende ihren Besitz noch zu Lebzeiten. Doch was, wenn man die Schenkung bereut? Im Interview erklärt Fachanwalt Paul Grötsch, welche Fallstricke bei einer Schenkung lauern und wie man sich am besten absichert.

Ein Interview

Herr Grötsch, mit dem Fall Reinhold Messner gibt es gerade ein prominentes Beispiel, bei dem ein Erblasser die Entscheidung, sein Vermögen zu Lebzeiten zu übertragen, bereut. Kommt so etwas denn häufiger vor?

Paul Grötsch: Ja, das kommt schon vor. Deswegen sollte man, bevor man eine solche Überlassung macht, genau überlegen, ob diese sinnvoll ist.

Wenn man sich für eine Überlassung entscheidet, welche Regeln gelten dann und was sollte man unbedingt beachten?

Zum einen sollte man nur etwas verschenken, was man nicht mehr braucht. Das Haus, in dem man wohnt, ist etwas Spezielles. Denn es hat einen gewichtigen psychologischen Effekt, wenn man nicht mehr im Eigentum, das man sich erarbeitet hat, wohnt. Deshalb sollte man sich einen solchen Schritt sehr gut überlegen. Man sollte den Vertrag so gestalten, dass das Kind die Immobilie nicht anderweitig nutzen kann und man dann raus muss. Man kann für verschiedenste Situationen Absicherungen einbauen. Was meist gewünscht wird, ist, dass der Schenker weiterhin den Nutzen der Immobilie hat, also darin wohnen oder sie auch vermieten kann.

Durch Schenkungen Erbschaftssteuerlast minimieren

Was sind denn die Hauptgründe für Schenkungen zu Lebzeiten?

Viele Überlassungen sind steuerlich motiviert, um den Kindern die Erbschaftssteuerlast zu minimieren. Wenn man ein größeres Vermögen hat, kann die Überlassung auch erfolgen, um dem Kind eine wirtschaftliche Grundlage zu ermöglichen. Das sind die beiden Hauptmotivationen. Was auch noch vorkommt, ist die Reduzierung der Pflichtteilansprüche Dritter. Wenn ein Vater zum Beispiel zwei Kinder hat und er möchte, dass der Sohn das meiste bekommt. Dann kann er die Tochter enterben, sie bekommt aber immer noch einen Pflichtteil. Wenn der Vater jedoch nichts mehr hat, ist der Pflichtteil geringer. Allerdings werden auch Schenkungen bei der Berechnung von Pflichtteilen zu einem Teil berücksichtigt.

Und was sind die Gründe, dass Menschen ihre Schenkung bereuen?

Dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Der klassische Fall ist, dass sich das Verhältnis zu den Kindern verändert. Das wird vielfach unterschätzt. Jeder denkt: "Bei mir ist alles in Ordnung." Aber es gibt ja verschiedenste Gründe, warum sich ein Verhältnis verschlechtern kann, zum Beispiel wenn ein neuer Partner hinzukommt. Oder es verändert sich die Lebenssituation des Beschenkten, etwa durch eine Scheidung, oder der Beschenkte fällt in Insolvenz. Das kann schnell passieren, zum Beispiel durch einen Unfall, der nicht versichert ist. Dann kann der Insolvenzverwalter auf das Vermögen zugreifen, und plötzlich ist es weg. All das sollte man sich vor einer Schenkung bewusst machen.

Lesen Sie auch

Warum klare Regelungen im Erbe wichtiger sind als Gleichverteilung

Ein Erbe fair aufzuteilen, kann sehr schwierig sein. Wie schafft man es, das möglichst gerecht zu handhaben?

Die Frage ist, was betrachtet man überhaupt als gerecht? Das muss nicht zwingend der genaue Eurobetrag sein. Wenn zum Beispiel ein Kind 500.000 Euro in bar bekommt, das andere aber in Form eines Unternehmens, dann hat beides Vor- und Nachteile. Das Kind mit dem Bargeld kann damit machen, was es will. Bei dem Unternehmen wiederum ist noch Potenzial vorhanden, es könnte also Gewinne geben. Die Frage kann man sehr weit spinnen. Zum Beispiel könnte man mit einbeziehen, was Kinder schon vorab bekommen haben oder was in eine Ausbildung gesteckt wurde. Manchmal ist ein Kind wesentlich vermögender als ein anderes und benötigt das Erbe nicht unbedingt. Es ist also eine sehr individuelle Frage. Deswegen sind oftmals klare und eindeutige Regelungen wichtiger als dass man den gleichen Wert an jedes Kind zuwendet.

"Der Schenker sollte immer die Möglichkeit haben, das Erbe zurückzufordern."

Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht

Wie kann man verhindern, dass man eine Schenkung bereut?

Wenn man nur die leisesten Zweifel hat, ob es gut geht, wenn man schenkt, sollte man sich schon überlegen, ob man es sich antut. Oftmals wird vergessen, dass man für bestimmte Situationen die Möglichkeit haben sollte, das Geschenkte zurückzufordern. Meist macht man das nicht völlig frei, sondern definiert konkrete Situationen als Rückforderungsgrund. Wenn zum Beispiel das Kind vor dem Schenker verstirbt und sein Erbe dann an eine Sekte geben will. Oder wenn das Kind in Insolvenz verfällt. Und für den Fall, dass das Kind die Immobilie verkaufen möchte. Es gibt aber auch freie Rückforderungsklauseln, also ohne Angabe von Gründen. Der Schenker sollte immer die Möglichkeit haben, das Erbe zurückzufordern.

Lesen Sie auch

Kann es in bestimmten Situationen einen Anspruch der Erben geben, zu Lebzeiten bereits einen Teil des Erbes einzufordern?

Nein. Auch Pflichtteilsansprüche können zu Lebzeiten nicht eingeklagt werden.

Unterm Strich: Empfehlen Sie als Experte eine Übertragung zu Lebzeiten?

Man sollte es machen, wenn es einen guten Grund dafür gibt. Wenn es keinen solchen Grund gibt, hat es meist keinen Sinn.

Zur Person

  • Paul Grötsch ist Fachanwalt für Erbrecht in München und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht e.V.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.