Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (OFD NRW) fordert ihre Prüfer auf, in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Xing Fakeprofile einzurichten und sich die Freundschaft oder Vernetzung mit vermeintlichen Steuersündern zu erschleichen. Dadurch sollen sie gezielt an steuerlich relevante Informationen gelangen. Das berichtet der Steuerinformationsdienst steuertip, dem die "nur für den Dienstgebrauch bestimmte" Kurzinformation der OFD vorliegt.
Erkenntnisse erhofft sich die OFD in der Kurzinformation "Nutzung von sozialen Netzwerken zur Sachverhaltsermittlung durch Prüfungsdienste" zum einen aus Informationen auf Unternehmensseiten: Bei Hinweisen auf Happy Hours, Angebotstage oder besondere Events könne man gegebenenfalls Rückschlüsse auf betriebswirtschaftliche Kalkulationen ziehen.
Aber es könnten sich auch unmittelbar steuerliche Sachverhalte ergeben: etwa bislang unbekannte Einnahmequellen oder die Höhe der Einnahmen. Denkbar wäre hier nach einem Bericht des nwb-Verlages zum Beispiel der Fall, dass ein Steuerpflichtiger mit geringerem deklarierten Einkommen auf Instagram-Fotos mit seinem teuren Sportwagen protzt.
OFD sieht keinerlei rechtliche Probleme
Die OFD rät Außenprüfern konkret, sich Fakeprofile anzulegen statt die eigene Identität zu wählen, um sich selbst zu schützen. Das Vorgehen sei zulässig: Schließlich könne der Steuerpflichtige selbst entscheiden, wessen Anfrage er annehme. Er könne aber nicht darauf vertrauen, dass sich hinter dem Profil kein Amtsträger verberge. Vielmehr müsse ein Mitglied eines sozialen Netzwerks damit rechnen, denn auch Finanzbehörden seien karriereorientiert und könnten sich berechtigterweise auf Xing oder LinkedIn umschauen.
Einen Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen sieht die OFD in diesem Vorgehen nicht. Nach einer positiven Verbindunganfrage habe er sich damit abgefunden, dass die nun zugänglichen Informationen auch zu Ermittlungszwecken genutzt werden. Nur dürfe der Prüfer kein steuerrechtswidriges Verhalten provozieren oder selbst Straftaten begehen. Die OFD vergleicht sein vorgeschlagenes Vorgehen mit der Inaugenscheinnahme im Rahmen von Testkäufen. Verdeckte Ermittlungen stellen dieses Verhalten aus ihrer Sicht nicht dar.
Schnüffeln in den sozialen Netzwerken ist gängige Praxis
Das Schreiben der OFD ist kein rein theoretisches Papier: Tatsächlich ist es in den meisten Bundesländern längst gängige Praxis, bei Instagram, LinkedIn oder Facebook zu ermitteln, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Das berichtet die Wirtschaftswoche über das Ergebnis einer Umfrage bei Finanzämtern und -direktionen der Bundesländer. Allein Sachsen-Anhalt erklärte hiernach ausdrücklich, derartige Ermittlungen auszuschließen. Alle anderen Bundesländer bekannten sich zu diesem Vorgehen oder wollten sich nicht äußern.
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