Die Strom- und Gaspreise im Großhandel fallen, viele Energieanbieter nehmen wieder Neukunden an, der Wettbewerb kehrt zurück. Fast könnte man meinen, dass bei Strom- und Gastarifen nach dem verrückten Herbst und Winter langsam Normalität einkehrt. Ich habe den Praxistest gemacht. Dabei habe ich drei Stolperfallen ausgemacht - und eine fiese Masche, zu der manche unseriöse Anbieter greifen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wer hätte gedacht, dass Normalität mal so erstrebenswert sein könnte? Nach Pandemie und Energiekrise höre ich mich plötzlich dauernd davon reden, wie entspannend es ist, wenn alles allmählich wieder normal wird. Vor allem ein bisschen Normalität in der Haushaltskasse würde mir gefallen.

Mehr zum Thema Verbraucher

Als ich nun las, dass der Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt auflebt und es sich wieder lohnt, den Anbieter zu wechseln, war ich elektrisiert im besten Sinne des Wortes. Früher war ein Tarifwechsel die leichteste Methode, um die Stromrechnung zu drücken. Niedrigen Strompreis für ein Jahr sichern, Neukundenbonus einstreichen und zwölf Monate lang zurücklehnen – das ist die Normalität, nach der ich mich sehne.

Also habe ich den Praxistest gemacht: Wo ist sie denn nun, die Normalität in meinem Geldbeutel? Kann ich durch einen Stromanbieterwechsel wirklich Geld sparen? Das Ergebnis: durchwachsen. Auf der Positivseite: Es gibt tatsächlich wieder mehr Wettbewerb. In vielen Regionen finden sich Stromtarife, die unter dem Angebot des Grundversorgers liegen – in einigen Gegenden sogar spürbar darunter. Zum Teil liegen die Tarife sogar unterhalb der Strompreisbremse, die den Preis für 80 Prozent des Verbrauchs auf 40 Cent pro Kilowattstunde begrenzt.

Grundversorger sind meist die örtlichen Stadtwerke. In den vergangenen Monaten boten sie häufig die günstigsten Tarife, weil sie langfristige Lieferverträge hatten, die sich bei schnell steigenden Preisen als günstig erwiesen. Doch das ändert sich gerade wieder. Zu Freudensprüngen hat mich mein Experiment trotzdem nicht bewegt, denn ich habe drei Haken gefunden – und eine fiese Masche, zu der manche Anbieter greifen.

Haken 1: Die Ersparnis ist teilweise nicht sehr hoch

Ja, es gibt Tarife, die billiger sind als mein Grundversorger – aber nicht viel billiger. Unser Haushalt verbraucht rund 2.500 Kilowattstunden pro Jahr. Damit könnte ich zwölf Euro pro Monat sparen, wenn ich zum günstigsten Anbieter mit guten Bewertungen wechsele. Diese Rechnung gilt aber nur, wenn ich die Strompreisbremse außer Acht lasse.

Rechne ich mit ein, dass ich durch die Strompreisbremse voraussichtlich noch ein paar Euro zurückbekomme, liegt die monatliche Ersparnis im einstelligen Bereich. Allerdings muss man dabei im Kopf behalten, dass wir alle die Strompreisbremse über unsere Steuern mitfinanzieren. Daher gilt: Strompreisbremse hin oder her, langfristig ist es sinnvoll, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln, um damit auch den Staatshaushalt zu schonen.

Dazu kommt: Die Ersparnis ist regional sehr unterschiedlich. In München etwa, wo der Tarif des Grundversorgers wesentlich höher liegt als in Berlin, fällt auch die mögliche Ersparnis höher aus. Allerdings nicht ganz so hoch, wie es auf den ersten Blick scheint, denn jetzt kommt Haken Nummer 2. Trotzdem: Wäre ich Münchnerin, würde ich einen Wechsel ernsthaft in Betracht ziehen.

Haken 2: Nicht alle Unternehmen sind zuverlässig

In der Krise hat sich gezeigt, dass einige kleine Discount-Anbieter sich verkalkuliert hatten und pleitegegangen sind. Andere versuchten, ihre Kunden mit unlauteren Methoden loszuwerden. Beides möchte ich vermeiden, daher folge ich dem Rat der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Wer ganz sicher gehen will, solle zu einem Stadtwerk wechseln. Oder wenigstens zu einem größeren Unternehmen.

Gerade in der Krise hat sich gezeigt, dass die langfristige Einkaufspolitik gerade der Grundversorger ihnen in unruhigen Zeiten einen Vorteil verschafft. Zumindest aber sollte man vor Vertragsabschluss prüfen, ob es zu dem Anbieter mit dem sehr günstigen Tarif viele Kundenbeschwerden gibt. Falls das so ist, spart ein etwas teureres Angebot vermutlich Geld und Nerven.

Haken 3: Jede Preisbindung ist eine Wette auf die ungewisse Zukunft

Die meisten günstigen Tarife haben eine Preisbindung von drei, sechs oder zwölf Monaten. In der alten Normalität war das gut: Ich finde einen günstigen Tarif, sichere mir diesen Preis, nehme den Neukundenbonus mit und muss nichts bereuen. Doch wenn ich mir das Auf und Ab der letzten Monate angucke, weiß ich: Ein Tarif, der heute günstig scheint, kann morgen schon teuer sein. Oder auch spottbillig. Wer weiß das schon?

Jede Preisbindung ist derzeit eine Wette auf eine Zukunft, die immer noch viel unberechenbarer ist als vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Bei meinem Grundversorger kann ich jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen kündigen, das geht bei anderen Tarifen erst am Ende der Mindestlaufzeit oder bei einer Preiserhöhung. Mein Gefühl ist: Angesichts der Weltlage bin ich nicht zu Wetten aufgelegt, jedenfalls nicht für eine sehr überschaubare Ersparnis.

Und jetzt die fiese Masche

Die Verbraucherzentralen warnen vor einer alten Masche, die wieder vermehrt eingesetzt wird. Kunden wird telefonisch oder an der Haustür eine Beratung zum Stromanbieterwechsel angeboten. Dabei fragen die angeblichen Berater die Zählernummer und zentrale Daten wie Anschrift und E-Mail-Adresse ab. Mit diesen Daten melden sie anschließend die nichtsahnenden Kundinnen und Kunden ohne deren Einwilligung bei einem neuen Stromanbieter an.

Lesen Sie auch:

Falls Ihnen so etwas passiert und Post von einem unerwünschten neuen Stromlieferanten ins Haus flattert: Keine Panik. Tief durchatmen und die zweiwöchige Kündigungsfrist nutzen. Sicherheitshalber mit einem Anruf beim alten Anbieter klären, dass Sie in Ihrem bisherigen Tarif bleiben können. Schützen kann man sich relativ einfach: Nie die Zählernummer herausgeben, die ist für eine seriöse Beratung in keinem Fall notwendig.

Für mich persönlich bedeutet mein kleiner Praxistest: Wenn ich wirklich jetzt den Stromanbieter wechseln will, muss ich vorher gründlich rechnen und nachlesen, ohne auf eine wirklich durchschlagende Ersparnis zu kommen. Meine Wette auf die Zukunft heißt daher: Ich bleibe erst mal bei meinem Grundversorger und warte, was das Frühjahr bringt. Wenn schon nicht alles wieder normal ist, bleibt es wenigstens spannend.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.