Kosmetikfirmen haben für beinahe jedes Hautproblem ein Mittel im Angebot. Aber können Retinol, Hyaluronsäure und Co. halten, was die Werbung verspricht? Eine Hautärztin erklärt, warum sich tiefe Falten nicht wegcremen lassen und was man von den populärsten Inhaltsstoffen wirklich erwarten kann.

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Unzählige Gesichtscremes in Tiegelchen und Tübchen reihen sich in den Regalen von Drogeriemärkten aneinander. Sie enthalten Retinol, Hyaluronsäure und andere Substanzen, und sie alle versprechen, die Haut gesünder, jünger, schöner zu machen. Aber können sie diese Versprechen wirklich halten?

Die erste Enttäuschung gleich vorweg: Einen nachhaltigen Anti-Aging-Effekt bringt keine der vielbeworbenen Cremes. Um tiefe Falten zu beheben, müsste im Körper neues Kollagen gebildet werden. Das Strukturprotein gibt Haut und Bindegewebe Stabilität, doch die körpereigene Produktion nimmt mit dem Alter ab. Falten sind das Ergebnis. Viele Kosmetikprodukte versprechen, Kollagen aufzufüllen oder die Produktion anzuregen.

Dafür müssten die Inhaltsstoffe jedoch bis in die Lederhaut vordringen, die mittlere unserer drei Hautschichten. Mit Kosmetikprodukten gelinge das nicht, erklärt Dermatologin Yael Adler. "Inhaltsstoffe von Anti-Aging-Cremes können nicht tief in die Haut eindringen und dürfen das per definitionem auch nicht. Nur Arzneimittel dürfen die Hautbarriere überwinden."

Studien nicht wissenschaftlich

Die zugeschriebene Anti-Aging-Wirkung vieler Beauty-Produkte basiere auf Studien, die nicht nach wissenschaftlichen Kriterien und meist nur im Labor durchgeführt werden, sagt Adler. "Es fehlen randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studien mit vielen Probanden, anhand derer man die Wirkung von Anti-Aging-Cremes wirklich beurteilen könnte." Doch solche Studien seien teuer und lohnten sich daher für die Kosmetikkonzerne nicht.

Zudem seien die Effekte auf die Haut ohnehin schwer zu messen: Jede Veränderung der Haut, gute wie schlechte, könne auch mit Lebensstil, Hormonschwankungen und Umwelteinflüssen zusammenhängen. "Deshalb muss man ein Fragezeichen hinter die angebliche Wirkung von Anti-Aging-Hautpflegeprodukten machen", sagt Adler.

Von der Hoffnung, uns ewige Jugend ins Gesicht cremen zu können, müssen wir uns wohl verabschieden. Völlig nutz- und wirkungslos sind Pflegecremes deshalb aber nicht; vorausgesetzt, man erwartet kein Anti-Falten-Wunder. Was also können Retinol, Hyaluronsäure und Co. wirklich leisten?

Retinol

Retinol, ein Vitamin-A-Derivat, zählt seit einigen Jahren zu den großen Trends am Beauty-Markt. Die effektivste Form der Vitamin-A-Säuren sei Tretinoin, sagt Adler. Sie gehöre zu den am besten untersuchten Substanzen gegen Faltenbildung. "Laut der Daten kann es feine Falten, raue Haut, Hyperpigmentierung und Elastizitätsverlust verbessern." In kosmetischen Cremes ist dieser Stoff allerdings nicht zu finden, denn Tretinoin ist verschreibungspflichtig, und das aus gutem Grund. "Tretinoin kann die Haut sehr stark reizen und ist in der Schwangerschaft verboten, denn dieser Wirkstoff ist embryotoxisch", erklärt die Dermatologin.

Kosmetika dürfen nur schwächere Vorstufen der Vitamin-A-Säure enthalten, etwa Retinyl-Ester oder Retinal. An der Hautoberfläche könne Retinol freie Radikale neutralisieren, sagt Adler. Diese aggressiven Sauerstoffverbindungen können die Hautalterung beschleunigen, weil sie das Kollagen in der Haut beschädigen können.

Entscheidend für die Wirksamkeit von Retinol sei die Konzentration. Völlig unbedenklich sind aber offenbar auch die schwächeren Vitamin-A-Derivate nicht. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Risikoforschung könnte es durch Retinol-haltige Kosmetika zu einer Überdosierung von Vitamin A und seinen Derivaten kommen. Zu den Nebenwirkungen einer Überdosierung zählen demnach Kopfschmerzen und Übelkeit, bei langfristiger Einnahme können auch Lebererkrankungen und eine Verringerung der Knochendichte auftreten. Es wird empfohlen, täglich nicht mehr als drei Milligramm Retinol-Äquivalente aufzunehmen.

Aufgrund des gewünschten abschälenden Effekts gibt Adler zu bedenken, dass Retinol auch in seiner schwächeren Form Hautreizungen hervorrufen kann. "Wer empfindliche Haut hat oder viel in der Sonne ist, sollte hier vorsichtig sein." Generell sollte Retinol daher nur abends angewendet und am nächsten Tag eine Creme mit Lichtschutzfaktor aufgetragen werden. Die Kombination von Retinol-haltigen Produkten und anderen chemischen Peelings wie etwa AHA oder BHA wird nicht empfohlen.

Niacinamid

Niacinamid, auch unter dem Namen Vitamin B3 oder Niacin bekannt, spielt im Körper eine wichtige Rolle für die Regeneration von DNA, Nerven, Muskeln und Haut. In Kosmetik wird Niacinamid daher gegen feine Falten, Pigmentstörungen und Akne eingesetzt.

Ob dieser Effekt auch durch Eincremen eintritt, beurteilt Dermatologin Adler jedoch mit Skepsis. "Niacinamid stärkt die Mitochondrien und die Zellreparatur und hat damit eine Anti-Aging-Wirkung. Allerdings nur, wenn das Vitamin auch in die Zellen gelangt." Den Effekt von Niacinamid-haltigen Cremes schätzt die Dermatologin daher lediglich als oberflächlich ein. "Generell sollte man darauf achten, dass man genug Pro-Vitamin A oder Vitamin A und Vitamin B3 über eine ausgewogene Ernährung aufnimmt", rät die Dermatologin.

Hyaluronsäure

Hyaluronsäure kommt überall im menschlichen Körper vor, vor allem in Bindegewebe, Haut, Knochen und Knorpeln. Sie besitzt wasserbindende, glättende und wundheilungsfördernde Eigenschaften, jedoch nimmt ihr Anteil im Körper mit dem Alter ab. Die Haut wird trockener, Falten entstehen. Als Creme aufgetragen, bleibt Hyaluronsäure an der Hautoberfläche – in tiefere Gewebeschichten, wo die Hyaluronsäure bei alternder Haut fehlt, gelangt sie nicht.

"Dafür muss Hyaluronsäure gespritzt werden", sagt die Adler. Das sollte allerdings nur von einem erfahrenen Arzt durchgeführt werden, denn die Injektionen sind nicht ohne Risiko. Auf der Haut kann Hyaluronsäure hingegen gefahrlos angewendet werden und durch seine wasserbindenden Eigenschaften die Feuchtigkeitsversorgung der Haut verbessern. Sind die in der Creme enthaltenen Hyaluronsäure-Moleküle sehr klein, könne sie auch tiefer in die Hornschicht vordringen und die Haut dort länger mit Feuchtigkeit versorgen, erklärt Adler. "Das kann gegen kleine Trockenheitsfältchen helfen. Nachhaltig ist der Effekt aber nicht."

Kollagen

Kollagene sind die am häufigsten vorkommende Proteine im menschlichen Körper. Ihr Rückgang in Haut und Bindegewebe mit fortschreitendem Alter ist maßgeblich an der Entstehung von Falten beteiligt. Dass Kollagen als Anti-Aging-Mittel eingesetzt wird, klingt daher logisch. In Cremes sollen sie den Verlust von körpereigenem Kollagen ein Stück weit ausgleichen und somit die Haut straffer machen. Doch dieses Versprechen können die Produkte nicht halten.

"Die Proteinmoleküle sind zu groß, um die Hautbarriere zu überwinden", sagt Adler. "Es ist sicher kein geeignetes Anti-Aging-Mittel." Auch ob Kollagen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln dem fortschreitenden Verlust entgegenwirken kann, ist umstritten. Wie alle Proteine werden auch Kollagene verdaut und ihre Bestandteile zersetzt. Ob sich im Körper daraus neue Kollagene bilden, ist unklar.

Q10

Q10 wird schon seit den 1990er-Jahren in der Kosmetik eingesetzt und gehört damit mittlerweile zu den Urgesteinen der Anti-Aging-Substanzen. Das Coenzym spielt im menschlichen Körper eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Zellenergie und kann freie Radikale abfangen. Ab 35 nimmt die Produktion von Q10 im Körper ab.

Ob Q10-Cremes tatsächlich, wie beworben, die Kollagen-Produktion stimulieren und Falten reduzieren können, ist laut Adler bislang nicht geklärt. "Die Datenlage ist relativ dünn", so die Dermatologin. "Es ist sicherlich wichtiger, Q10 im Körper zu haben als auf der Haut." Bevor man zu Nahrungsergänzungsmitteln greife, solle man jedoch untersuchen lassen, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt.

L-Carnosin

L-Carnosin gehört inzwischen ebenfalls zu den Wirkstoffklassikern der Beauty-Industrie. Das Peptid, das sich aus zwei Aminosäuren zusammensetzt und im Körper vor allem in Gehirn- und Muskelzellen vorkommt, soll freie Radikale neutralisieren und die Zellen nachhaltig vor oxidativem Stress schützen. Ob sich diese Wirkung wie angepriesen auch bei äußerlicher Anwendung entfaltet, beurteilt Adler mit Skepsis. "Zu L-Carnosin gibt es nur Labordaten, die Aussagekraft für lebende Haut ist daher eingeschränkt."

Squalan

Squalan ist ein farbloses Öl, das die Haut vor Feuchtigkeitsverlust bewahren und so für ein geschmeidiges Hautbild sorgen soll. Dieses Versprechen ist nicht zu hoch gegriffen, wie Adler erklärt. "Squalan ist Bestandteil der natürlichen Hautfette und kann die Hautbarriere tatsächlich stärken."

Eine intakte Hautbarriere verhindere automatisch die Verdunstung von Feuchtigkeit, daher wirke Squalan Austrocknung entgegen. Dafür müsse man das Öl jedoch nicht in purer Form anwenden. Empfehlenswert seien sogenannte Derma-Membranstruktur-Cremes oder Cremes mit hautähnlichen Lipiden. "Diese ähneln unseren Hautfetten und sind gut verträglich", sagt Adler.

Vitamin C

Vitamin C ist den meisten vor allem im Zusammenhang mit einem gesunden Immunsystem ein Begriff. Es sei auch am Aufbau von Kollagen und Elastin beteiligt, so die Dermatologin. Ob das auch durch Eincremen funktioniert, darf aber eher bezweifelt werden. In der Kosmetik eingesetzt, soll Vitamin C vor allem vor Umwelteinflüssen schützen und die Haut ebenmäßiger erscheinen lassen.

Da sei durchaus etwas dran, meint Dr. Adler. "Auf der Haut wirkt es antioxidativ gegen UV-Schäden." Allerdings sei das Vitamin Licht und Luft empfindlich und werde nach dem Auftragen daher schnell zerstört. Auch hinsichtlich eines ebenmäßigeren Hautbilds habe Vitamin C einen positiven Effekt. "Es hat einen leichten Bleicheffekt, Pigmentflecken lassen sich damit reduzieren." Gegen ausgeprägte Altersflecken helfe eine Vitamin-C-Behandlung jedoch nicht, so Adler. "Altersflecken können nur mit Laser entfernt werden."

AHA und BHA

Glykolsäure (AHA) und Salicylsäure (BHA) werden in der Kosmetik als chemische Peelings eingesetzt, um Hautunreinheiten und abgestorbene Hautschuppen zu beseitigen. Das soll eine hautverjüngende Wirkung haben. Tatsächlich sind die Säuren gut geeignet, um Hornzellen auf der Haut zu entfernen, sagt Adler. "Beschrieben wird auch eine bessere Hautdurchfeuchtung, die Haut wird optisch verbessert und fühlt sich gut an."

Sinnvoll sei die Anwendung etwa bei zu Akne neigender Haut. Ob die Säuren in tieferen Hautschichten einen Anti-Aging-Effekt erzielen, sei nicht geklärt, so die Dermatologin. Da es sich um Säuren handelt, können die Substanzen auf der Haut jedoch Reizungen verursachen. "Rötungen, Brennen und sogar leichte Verätzungen sind bei hoher Konzentration möglich", sagt Adler. Durch den bezweckten abschälenden Effekt werde die Haut nach einer Behandlung mit AHA oder BHA zudem empfindlicher gegen Sonnenlicht. Daher sollten die Säuren wie auch Retinol besser abends angewendet und am folgenden Tag eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor aufgetragen werden. Eine Kombination mit Retinol-haltigen Produkten wird nicht empfohlen.

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Tagescremes mit Lichtschutzfaktor

Als eine der wirkungsvollsten Anti-Aging-Maßnahmen auf der Haut gelten Cremes, die einen UV-Schutz bieten. Die im Sonnenlicht enthaltenen UV-Strahlen lassen sogenannte freie Radikale entstehen. Das sind aggressiven Sauerstoffverbindungen, die die Hautalterung beschleunigen, indem Kollagen und Elastin vermehrt abgebaut wird. Generell spreche nichts dagegen, täglich einen Lichtschutzfaktor aufzutragen, sagt Dermatologin Adler.

Die in Europa verwendeten chemischen Filter seien in der Regel gut verträglich. "Sollte Octocrylen enthalten sein, muss die Tagescreme nach spätestens einem Jahr entsorgt werden, da es sonst zum toxischen Benzophenon abgebaut werden kann", erklärt die Dermatologin. Benzophenon steht im Verdacht, krebserregend und schädlich für die Umwelt zu sein. Auch auf im Wasser lebende Organismen soll die Substanz einen schädlichen Effekt haben. Inzwischen gibt es jedoch auch Sonnenschutzcremes, die kein Octocrylen enthalten.

Neben den Inhaltsstoffen gibt es beim Kauf noch Weiteres zu beachten: "Die Tagescreme sollte nicht nur UV-B-Strahlung abblocken, sondern auch UV-A", sagt Adler. Das erkenne man auf der Verpackung an einem eingekreisten UV-A-Zeichen. Ohne UV-A-Schutz könne es passieren, dass zu viel UV-A-Strahlung "heimlich" in die Haut eindringt, da der Warnungseffekt Sonnenbrand ausbleibe. "Dann hat man aus Versehen mehr Hautalterung", erklärt die Dermatologin.

Über die Expertin: Dr. med. Yael Adler ist Dermatologin und Autorin verschiedener Sachbücher. In Ihrer Privatpraxis in Berlin bietet sie auch kosmetische Behandlungen mit Hyaluronsäure-Fillern, Botox und Laser an.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliches Interview mit Dermatologin Dr. Yael Adler
  • Bundesinstitut für Risikoforschung: Vitamin A: Aufnahme über kosmetische Mittel sollte begrenzt werden
  • IARC Publications: Some Chemicals Present in Industrial and Consumer Products, Food and Drinking-water
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