Ein vertraulicher Bericht des Verfassungsschutzes, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, rechtfertigt das Vorgehen gegen die AfD. Die größte Gefahr sehen die Geheimdienstler demnach nicht im System-Umsturz, sondern im Rassismus der Partei, den auch und vor allem Björn Höcke mit seinem "Flügel" propagiere.
436 Seiten stark ist das vertrauliche Gutachten, mit dem das Bundesamt für Verfassungsschutz begründet, warum Teile der AfD ein "Verdachtsfall" in Sachen Extremismus sind und die Gesamtpartei bundesweit zum Prüffall erklärt wurde. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung, der die umfangreiche Verschlusssache vorliegt.
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AfD hat "biologisch-rassistischen oder ethnisch-kulturellen Volksbegriff"
Eine Haupterkenntnis laut des Medienberichts: Der Verfassungsschutz geht gegen die AfD weniger wegen des Verdachts vor, die Partei wolle das parlamentarische System, also die Demokratie, umstürzen. Schließlich bekenne sich die AfD in ihrem Grundsatzprogramm prinzipiell zur demokratischen Ausgestaltung des Staates und mache sich in diesem Punkt nicht offensichtlich angreifbar.
Als überprüfenswert, da explizit zur Schau gestellt, schätzt der Inlandsgeheimdienst den unverkennbaren Rassismus innerhalb der AfD ein, der auf einem "biologisch-rassistischen oder ethnisch-kulturellen Volksbegriff" basiere, wie die SZ aus der vertraulichen Verschlusssache zitiert. Vor allem beim rechtsnationalen "Flügel" um den Thüringer Partei- und Fraktionschef
Björn Höcke: 608 Erwähnungen - 50 Seiten
Weder beim "Flügel" noch bei der JA würden "Aussagen formuliert, die eine Systemüberwindung, also eine Beseitigung oder Außer-Kraft-Setzung von Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fordern", schreiben die Beamten des Verfassungsschutzes.
Allerdings, und damit begründen die Geheimdienstler ihr Vorgehen gegen die AfD, wollten Höcke und die Nachwuchspolitiker Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder ihrer Herkunft politisch ausgrenzen und gefährdeten damit die demokratischen Prinzipien, wie sie im Grundgesetz verfassungsgemäß formuliert seien.
Immer wieder taucht Höckes Name in dem vertraulichen Bericht auf, insgesamt 608 Mal, allein rund 50 Seiten sind Höcke gewidmet. Der von ihm und seinen Mitstreitern verfolgte "ethnokulturelle Ansatz" habe eine "exkludierende Wirkung gegenüber allen, die dieser Einheit nicht angehören".
Angriff auf die Menschenwürde als Hauptbegründung
Weiter heißt es in dem Gutachten zur AfD: "Wer aber eine Gesellschaft will, in der bestimmten Gruppen von Menschen ein von vorneherein abgewerteter rechtlicher Status zugeschrieben wird und diese einer demütigenden Ungleichbehandlung ausgesetzt werden, wendet sich gegen die Garantie der Menschenwürde."
Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes werde verletzt, dies ist die Begründung, mit der sich die Verfassungsschützer zur Überprüfung der AfD berechtigt erklären.
Der Bericht ist durchaus vorsichtig formuliert, offenbar um dem Vorwurf einer etwaigen Voreingenommenheit entgegenzuwirken. So sei es natürlich "zulässig, tatsächliche und vermeintliche Kriminalität von Migranten, gegebenenfalls auch scharf und polemisch, zu thematisieren und zum Gegenstand des politischen Diskurses zu machen", argumentieren die Verfassungsschützer.
Doch da die AfD "eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, wie zum Beispiel Muslime oder 'außereuropäische Migranten', als ihrer Natur nach kriminell, aggressiv, triebgesteuert und gefährlich" darstelle, rechtfertige dies die Einschätzung als "Prüffall".
Übertriebenes "Deutschtum" als Form von Rassismus
Ein weiteres Kriterium für den Verfassungsschutz: Den Angehörigen einer solchen Bevölkerungsgruppe werde das Recht auf freie Selbstentfaltung, Religionsausübung oder Mitwirkung am politischen Entscheidungsprozess vollkommen abgesprochen, "indem ihre vollständige Anpassung in Verhalten und Denken an den Durchschnittsdeutschen verlangt wird".
Die Betonung des "Deutschtums" durch die AfD interpretiert der Verfassungsschutz als eine Form von Rassismus. Als Beispiel dient der Vortrag von Hans-Thomas Tillschneider. Der Parteirechte sagte beim alljährlichen Kyffhäusertreffen des "Flügels" im vergangenen Juni: "Jeder unserer Gedanken, jedes unserer Worte, unsere gesamte Weltsicht ist deutsch. Wie sollen wir da definieren, also eingrenzen, was deutsch ist? Es gibt ein deutsches Verständnis von Familie, eine deutsche Art sich zu kleiden. Es gibt eine deutsche Art zu arbeiten, eine deutsche Art zu kochen, eine deutsche Art zu bauen, eine deutsche Art zu musizieren, und diese Art unterscheidet sich von allen anderen Völkern."
Für die Verfassungsschützer äußert sich in diesem Ausspruch ein "übergriffiges Verständnis deutscher Identität", wonach alles im Leben eines Deutschen "deutsch zu sein" habe. Wer durch eine solche Maxime andere Menschen ausgrenze und abwerte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sei ein Fall für den Verfassungsschutz, heißt es in dem Bericht.
Die dritte Grenzüberschreitung habe die AfD mit der Forderung begangen, die Angehörigen von Minderheiten menschenunwürdigen Maßnahmen - wie "Massenabschiebungen ohne Einzelfallprüfung, Abschiebungen bei drohender Folter oder Todesstrafe sowie vollkommener Untersagung der Religionsausübung" auszusetzen.
Gauland sieht Belastung für AfD
Das schärfere Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die AfD wird deren Arbeit nach Einschätzung ihres Bundesvorsitzenden Alexander Gauland behindern. "Das ist etwas, was gegenüber den Wählern problematisch ist. Natürlich belastet das", sagte Gauland am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
Da er keine Rechtsgrundlage für diese Belastung sehe, müsse die AfD versuchen, juristisch dagegen vorzugehen. "Denn die Voraussetzungen für irgendeine Art von Beobachtung sind überhaupt nicht gegeben."
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