Die Ost-West-Debatte ist auch 33 Jahre nach der Deutschen Einheit ein Thema. Bei "Markus Lanz" erklärte Dirk Oschmann, wie eine Stigmatisierung der Ostdeutschen zu einem immer tieferen Graben führt. Der Autor scheute auch nicht davor zurück, mit Blick auf den Westen den Finger in die Wunde zu legen.
Selbst 33 Jahre nach der Wiedervereinigung ist ein Fremdeln zwischen Ost und West deutlich spürbar. Besonders im Osten des Landes scheint die Enttäuschung über die fehlende Einheit immer größer zu werden. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Sein Buch trägt den provokanten Titel: "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung". Auch bei "Markus Lanz" zettelte Autor Dirk Oschmann eine leidenschaftliche Debatte an und erklärte, warum die Stigmatisierung der Ostdeutschen selbst drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung die Gräben zwischen Ost und West immer tiefer werden lässt.
Das sind die Gäste
- Steffi Lemke, Bundesumweltministerin: "Eine Quote jetzt würde ich nicht mehr für sinnvoll halten."
- Dirk Oschmann, Autor: "Wir brauchen eine Quote für Ostdeutsche."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Im Gespräch mit Markus Lanz beklagte der Leipziger Buchautor Dirk Oschmann zunächst, dass er etwas dagegen habe, als Ostdeutscher bezeichnet zu werden. "Die Selbstbeschreibung ist ja eine andere als die Fremdzuschreibung", führte er aus. Wenn er sich selbst "als Ostdeutschen bezeichne", habe er "eine bestimmte politische und historische Erfahrung" im Sinn. Wenn er jedoch vom Westen aus als Ostdeutscher betitelt werde, sei "etwas ganz anderes impliziert".
Lanz hakte überrascht nach: "Ist das eine Beleidigung? So klingt das, wenn man Ihnen zuhört." Oschmann nickte und erklärte, dass man den Osten nicht pauschal "als homogenen Block betrachten" könne. Daraufhin ergänzte Markus Lanz: "Den Westen gibt es doch genauso wenig wie den Osten. Der Westen ist eigentlich eine Erfindung des Ostens, möchte ich mal sagen an dem Punkt!"
Der Autor stimmte lachend zu und stellte klar, dass man genau aus diesem Grund aus "dem Schema" herausfinden müsse und er deshalb das zugespitzte Buch verfasst habe, um den Diskurs selbst in den Blick zu nehmen und den Westen "unter die Lupe zu legen".
Lanz merkte zunächst an: "Das heißt, Sie wollen ganz bewusst provozieren." Daraufhin fragte der ZDF-Moderator, ob diese Art der Kommunikation in einer Zeit hilfreich sei, in der die Gesellschaft ohnehin als gespalten gelte. Dirk Oschmann verteidigte sich jedoch und sagte, dass "das differenzierte Reden" seit Jahren nicht dazu geführt habe, "dass politisch umgesteuert worden wäre". Ein interessanter Ansatz, der Lanz dazu verleitete, zu fragen: "Der 3. Oktober, ist das eine Erfindung des Westens?"
Grünen-Politikerin Lemke antwortete energisch: "Selbstverständlich!" Der Feiertag sei ihrer Meinung nach nicht dazu gedacht, "an die friedliche Revolution, an die Leistung der Ostdeutschen" zu denken, die unter Einsatz ihres Lebens "die Freiheit, Demokratie für sich errungen, erkämpft haben".
Lemke warnte gleichzeitig, dass es gerade "in diesen Zeiten, wo unsere Gesellschaft ringt um Demokratie, um Gerechtigkeit, um Freiheit", enorm wichtig sei, "dass wir uns bewusst machen, dass die deutsch-deutsche Geschichte von diesem Freiheitskampf der Ostdeutschen getragen" wurde.
Die Politikerin finde es daher "eine Unverschämtheit, dass denjenigen, die die Mauer eingerissen haben" jetzt vorgeworfen werde, "sie hätten irgendwie keine Ahnung von Demokratie und wären in diesem Land irgendwie eigenartig".
Das ist das Rede-Duell des Abends
Der Buchautor stimmte dem nicht nur zu, er behauptete auch, dass selbst Ostdeutsche, die in den 2000-ern geboren wurden, mit dem Stigma zu kämpfen hätten: "Die jüngeren Generationen machen diese Entwertungserfahrungen genauso - nur deshalb, weil sie aus dem Osten kommen." Lanz hakte kritisch nach: "Mit welchem Argument?" Dirk Oschmann erklärte, dass es vor allem daran liege, "dass der Osten offenbar in der allgemeinen Wahrnehmung (...) nach rechts gerückt ist, dass er demokratiefeindlich ist".
Wer laut Oschmann aus dem Osten komme, werde im Westen generell als "Repräsentant des Zurückgebliebenen" gesehen. Eine harte Aussage, die den ZDF-Moderator stutzig machte: "Ich nehme das völlig anders wahr!" Lanz erklärte, dass mit Firmen wie Intel vor allem im Osten an "Technologien der Zukunft" gearbeitet werde. Oschmann konterte nüchtern: "Sind das auch Firmen, wo dann auch Ostdeutsche in den Spitzenpositionen adäquat repräsentiert sind? Das ist ganz sicherlich nicht so!"
Lanz musste ihm zwar Recht geben, merkte jedoch an, dass er eher ein "Stadt-Land-Problem", aber kein "Ost-West-Problem" sehe. "Dieses Gefühl: Da ist etwas völlig abgehängtes, hinterwäldlerisches - ich teile das in keinster Weise."
Der ZDF-Moderator zitierte daraufhin aus dem Buch von Oschmann, der schrieb, dass "Osten vor allem Hässlichkeit, Dummheit, Faulheit" bedeute, aber auch "Rassismus, Chauvinismus, Rechtsextremismus und Armut". Worte, die Lanz weiter fassungslos machten. Doch Bundesumweltministerin Steffi Lemke gab zu: "Ich vermute, dass allen Ostdeutschen früher oder später in irgendeiner Form eines dieser Adjektive mal begegnet ist."
Eine harte Erkenntnis, die den ZDF-Moderator auf den Aufstieg der AfD zu sprechen brachte. Dazu sagte Steffi Lemke ernst: "Dass eine Gesellschaft, die eine solche Transformationserfahrung, eine solche Umbruchserfahrung hatte, von Demagogen möglicherweise leichter beeinflusst werden kann, als eine, die über viele Jahrzehnte stabil gewachsen ist, (...) das liegt, glaube ich, auf der Hand."
Dirk Oschmann stimmte zu und ergänzte, dass die AfD dennoch auch in Bayern fast "16 Prozent" erreicht habe, "obwohl es da die Freien Wähler" und auch die CSU gebe. Lanz hakte erneut überrascht nach: "Was soll das heißen? Die CSU ist keine rechtsradikale Partei und die Freien Wähler auch nicht." Oschmann ließ sich davon jedoch nicht beirren und sagte: "Nein, aber natürlich sind da Argumentationen zu beobachten, wenn sie Herrn Aiwanger sehen und auch Herrn Söder, wo man sagen würde: So weit von der AfD ist das nicht entfernt!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Vor allem mit Buchautor Dirk Oschmann lieferte sich Markus Lanz ein hitziges Wortgefecht und forderte von ihm konkrete Beispiele und Argumente für seine teils spitzen Thesen. Im Laufe des Gesprächs gab Lanz sogar offen zu, dass er beim Lesen von Oschmanns Buch häufiger spätnachts "in Wallung" kam.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
33 Jahre nach der Wiedervereinigung spaltet die Ost-West-Debatte immer noch das Land. Bei "Markus Lanz" erklärte Autor Dirk Oschmann, dass das vor allem am Westen und den westlichen Vorurteilen dem Osten gegenüber liege. Auch Steffi Lemke musste daraufhin zugeben, dass es über all die Jahre auf politischer Ebene im Umgang mit dem Osten "offensichtlich eine Lücke gegeben" habe. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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