Israel sieht die Hamas in Gaza angezählt, doch ein Ende der heftigen Kämpfe ist nicht in Sicht. Für die Zivilisten ist die Lage unerträglich. Weltweit wird vor den Folgen gewarnt.
Israel will ungeachtet immer mehr getöteter Zivilisten den Krieg im Gazastreifen gegen die islamistische Hamas weiter intensivieren - und verbreitet Siegesgewissheit. Der Krieg werde noch andauern, "aber das ist der Anfang vom Ende der Hamas", prophezeite Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Video-Botschaft am Sonntagabend. "Zu den Terroristen der Hamas sage ich: Es ist aus. Sterbt nicht für (den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia) Sinwar. Ergebt euch - jetzt." Unterdessen wächst die internationale Kritik am Vorgehen seiner Regierung angesichts einer immer katastrophaleren Lage für die Zivilisten im Gazastreifen.
Blinken: Hamas könnte Waffen einfach niederlegen
Laut den Vereinten Nationen hungert inzwischen die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen. Weltweit wird gewarnt, dass das unerträgliche Leid nur noch mehr Palästinenser in die Arme der Hamas treibe. Darauf angesprochen antwortete US-Außenminister Antony Blinken im Interview des US-Fernsehsenders CNN auf die Frage, wann Israel gedenke, diese intensive Phase der Kämpfe zu beenden: "Das sind Entscheidungen, die Israel treffen muss". Aber es liege auch an der Hamas. Statt sich hinter Zivilisten zu verstecken, könne sie sich einfach ergeben. "Sie könnte morgen ihre Waffen niederlegen, sie könnte sich morgen ergeben, und dann wäre alles vorbei", so Blinken.
Israel: Schon mehr als 22.000 Ziele angegriffen
Das israelische Militär griff seit Beginn des Krieges vor gut zwei Monaten nach eigenen Angaben schon mehr als 22.000 Ziele an. Das von Israel abgeriegelte Küstengebiet am Mittelmeer ist flächenmäßig nur etwas größer als die Stadt München. Wie die Armee am Sonntagabend mitteilte, seien mehrere Kommandanten zweier nördlicher Hamas-Brigaden, denen rund 14.500 Mann unterstünden, getötet worden. Die Armee veröffentlichte dazu die Namen der "eliminierten" Männer.
Erstmals sind jetzt auch Truppen der Artillerie innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bislang war die Artillerietruppe von der Grenzlinie aus im Einsatz. Nach Darstellung Israels ist die Hamas angezählt. Angaben des Nationalen Sicherheitsberaters Zachi Hanegbi vom Samstagabend zufolge sind nicht nur bereits etwa 7.000 Hamas-Terroristen tot. Auch strecken nach offizieller Darstellung immer mehr Hamas-Kämpfer die Waffen. "In den letzten Tagen haben sich Dutzende Hamas-Terroristen unseren Streitkräften ergeben", erklärte Ministerpräsident
Bericht: Von Massenkapitulation kann keine Rede sein
In den vergangenen Tagen veröffentlichte die Armee Videos aus dem Norden Gazas, in denen festgenommene palästinensische Männer in Unterhosen zu sehen sind. Die Zeitung "Haaretz" schrieb allerdings am Sonntag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Sicherheitskräfte, dass unter den bislang mehreren hundert festgenommenen Palästinensern nur rund 10 bis 15 Prozent waren, die der Hamas oder mit ihr verbundenen Organisationen angehörten. Von einer Massenkapitulation könne derzeit keine Rede sein, hieß es.
Weitere News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.
Bericht: Israel will Bilder halb nackter Männer in Gaza stoppen
Nach Empörung über die Aufnahmen von Gefangenen in Unterhosen will Israel eine weitere Verbreitung solcher Bilder unterbinden. Der Nationale Sicherheitsberater Zachi Hanegbi sagte laut der "The Times of Israel" am Sonntagabend, Verdächtige müssten durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Sprengstoff bei sich tragen. Die Bilder von ihnen in Unterhosen würden jedoch "niemandem dienen". Er erwarte, dass die Verbreitung eingestellt werde. Die Bilder hätten Besorgnis über Israels Festnahmeverfahren in Gaza ausgelöst und Fragen über mögliche Rechtsverletzungen oder erniedrigende Behandlung aufgeworfen, schrieb die "Times of Israel".
Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden bei den beispiellosen Angriffen getötet. Israel begann daraufhin mit massiven Luftangriffen und seit Ende Oktober mit einer Bodenoffensive in dem Gebiet. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen rund 18.000 Menschen getötet und mehr als 49.200 verletzt.
"Natürlich möchte jeder, dass dieser Feldzug so schnell wie möglich zu Ende geht", sagte Blinken dem Sender CNN. Aber jedes Land, das von einer Terrororganisation auf brutalste Weise angegriffen worden sei und wiederholt gesagt habe, dass es das immer wieder tun würde, "muss an den Punkt gelangen, an dem es zuversichtlich ist, dass sich das nicht wiederholen kann", erklärte Blinken weiter. Sein Land hatte zuvor im Weltsicherheitsrat einen Resolutionsentwurf für einen humanitären Waffenstillstand per Veto zum Scheitern gebracht.
Wie die israelische Nachrichtenseite Ynet in der Nacht zum Montag berichtete, will der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, Ende dieser Woche Israel besuchen. Sullivan werde in Jerusalem mit ranghohen Beamten zusammentreffen, um unter anderem über die Aufstockung der humanitären Hilfe für Gaza zu sprechen.
WHO: Folgen des Konflikts katastrophal
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, schilderte am Sonntag die verheerende Lage in dem von Israel abgeriegelten Küstengebiet. "Die Folgen des Konflikts auf die Gesundheit sind katastrophal", sagte er zum Auftakt einer Sondersitzung des WHO-Exekutivrats in Genf. Der Rat nahm am Abend ohne Abstimmung eine Resolution an, die unter anderem eine Ausweitung der humanitären Hilfslieferungen fordert. Die USA, Deutschland und andere Länder bemängelten, dass der Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober in dem Text nicht erwähnt und verurteilt wird. (dpa/lag)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.