Ist Deutschland von der Flüchtlingsfrage überfordert – trotz Rekorden im Haushaltsüberschuss, bei Arbeitsplätzen und bei der Rentenerhöhung? Das ARD-Politmagazin "Monitor" ging dieser Frage in der Sendung vom Donnerstag nach. Das Ergebnis: Die Integration kann gelingen, und so teuer muss das gar nicht werden. Wir müssen nur wollen.
Gleich zu Beginn formuliert "Monitor"-Chef Georg Restle eine Frage, die wir uns eigentlich viel öfter stellen müssten: Geht es bei der deutschen Flüchtlingspolitik nur noch um Abwehr und nicht um die Integration von Millionen Menschen, die doch die eigentliche Herausforderung darstellt?
Genau mit dieser Herausforderung beschäftigt sich das Politmagazin vom WDR. Es legt den Fokus dabei auf vier Themen, die in Einzelbeiträgen zu positiven Beispielen beleuchtet werden: Wohnraum, Bildung für Minderjährige und für Erwachsene sowie Arbeitsplätze. Im fünften Beitrag blickt "Monitor" dann ins Ausland, genauer gesagt: in ein Flüchtlingslager im Nordirak, in dem viele Bewohner von einem Leben in Deutschland träumen.
Unterbringung von Flüchtlingen gelingt gut
"Wir packen das, hat unsere Kanzlerin gesagt. Packen ist ein Tun-Wort: Wir müssen was tun!" Helmut Kurz aus Schwäbisch-Gmünd hat aus diesen Überlegungen eine Konsequenz gezogen: Er vermietet nun einen Teil seines Hauses an sieben Männer aus Eritrea.
"Monitor" stellt ihn vor, weil die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Schwäbisch Gmünd außerordentlich gut gelingt. Das liegt auch daran, dass die Stadt aktiv auf mögliche Vermieter zugeht.
Alle können allerdings nicht in bestehenden Wohnungen unterkommen. Die Stadt setzt deshalb auf den Neubau von Sozialwohnungen – "etwas, das Bestand hat und nicht nur von Flüchtlingen genutzt werden kann", wie Bürgermeister Richard Arnold betont.
Das sei weder teurer noch zeitaufwendiger als der Aufbau von Containercamps. Der Kommunalpolitiker ist sicher nicht der einzige in Deutschland, dessen Stadtverwaltung in Sachen sozialer Wohnungsbau lange Zeit geschlafen hat. Doch Schwäbisch Gmünd hat zumindest ein Konzept.
Die Kosten: Für eine Million Menschen werden 400.000 Sozialwohnungen benötigt. Das kostet 9,7 Milliarden Euro. "Selbstverständlich ist das machbar", sagt dazu ein Experte vom Pestel-Institut.
Müssen Geld für Bildung ausgeben
Es gibt diese Szenarien von Klassenzimmern, in denen kein Kind mehr Deutsch spricht. "Monitor" hält Eltern mit solchen Befürchtungen TV-Bilder von Flüchtlingskindern wie dem elfjährigen Tarek aus Syrien entgegen, der bereits nach einer Woche Deutsch schreibt. Doch das Magazin warnt auch: Wenn wir nicht dazu bereit sind, mehr Geld für Bildung auszugeben, wird sich das rächen.
Das ifo-Institut in München hat ausgerechnet: Von einer Million Geflüchteten sind etwa 174.000 schulpflichtig – Kostenpunkt: 1,4 Milliarden Euro im Jahr. Das wären allerdings nur 2,3 Prozent aller Ausgaben für Schulen in Deutschland.
Probleme bei 18- bis 24-Jährigen
Ein größeres Problem stellen jedoch die 18- bis 24-Jährigen ohne Schulabschluss dar, die größte Gruppe unter den Flüchtlingen. In Deutschland haben sie keinen Rechtsanspruch mehr auf Schulbildung – ein Umstand, der unsere Sozialsysteme belasten wird. "Monitor" hat jedoch auch hier eine Lösung ausfindig gemacht: In einem Berufskolleg in Düsseldorf können auch volljährige Flüchtlinge einen Schulabschluss machen. Modellprojekte dieser Art gibt es bislang aber nur in vier Bundesländern.
Arbeitslose Flüchtlinge kosten Staat rund 1,3 Milliarden
Prognosen zufolge ist damit zu rechnen, dass arbeitslose Flüchtlinge den Staat in diesem und im nächsten Jahr rund 1,3 Milliarden Euro kosten werden. Das sind etwa vier Prozent mehr, als er bislang schon für Arbeitslose ausgibt. Doch auch hier zeigt sich "Monitor" pragmatisch und stellt eine Studenteninitiative aus München vor: Die Helfer von "Jobs4Refugees" befragen Flüchtlinge nach ihren Fähigkeiten und vermitteln sie unbürokratisch an Unternehmen. Dabei handele es sich um Arbeitsplätze, für die bislang kein passender deutscher Bewerber gefunden wurde – wer Angst vorm arbeitsplatzklauenden Flüchtling hat, kann sich also entspannen.
Einblick in Flüchtlingslager im Nordirak
Der letzte Beitrag gewährt Einblick in Flüchtlingslager im Nordirak und passt damit nicht so ganz zu dem auf die Binnenproblematik bezogenen Rest der Sendung. Interessant ist hier aber eine Klärung: Die Bundesregierung hat die 100 Millionen Euro für internationale Hilfsorganisationen als zusätzliche Unterstützung verkauft; das Geld war jedoch längst im Haushalt eingeplant. Dabei könnte die Situation der Menschen im Nordirak mit vergleichsweise wenig Geld verbessert werden. Doch die Bilder aus den Lagern lassen vermuten, dass wir damit rechnen müssen, dass sich noch mehr Menschen zu uns aufmachen werden.
Das Fazit:
Die "Monitor"-Sendung bot eine wohltuende Abwechslung von den Katastrophenszenarien, die derzeit die Berichterstattung über die Flüchtlingsthematik bestimmen. Gewohnt unaufgeregt zeigten Georg Restle und sein Team funktionierende Beispiele aus dem deutschen Alltag auf, die als Vorbilder dienen könnten. Und die durchgerechneten Szenarien zeigen, dass von wirtschaftlicher Überforderung in Deutschland keine Rede sein muss.
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