In Israel sind erneut Tausende Menschen gegen die umstrittene Justizreform auf die Straße gegangen. Auch innerhalb des Militärs nimmt der Widerstand gegen Netanjahus Vorhaben zu.

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In Israel haben kurz vor der entscheidenden Debatte und Abstimmung über ein Kernelement der umstrittenen Justizreform wieder Massenproteste gegen das Vorhaben der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stattgefunden. Medienberichten zufolge gingen am Samstagabend landesweit mehr als 200.000 Menschen auf die Straßen. Im Zentrum der Küstenstadt Tel Aviv versammelten sich nach Schätzungen des Senders "Channel 13" rund 170.000 Menschen, in Jerusalem 85.000. Vereinzelt kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei.

Die Marschteilnehmer begannen am Abend, sich nahe dem Parlament und dem Obersten Gericht zu versammeln. Sie wollten vor der Knesset campieren, wo am Sonntag die erneuten Beratungen über die Justizreform beginnen. "Diese Regierung ist eine extreme religiöse Regierung, und hoffentlich erreichen wir so schnell wie möglich ihren Sturz", sagte Guy Maidan, der mit seiner Familie an dem Protestmarsch teilgenommen hatte.

Proteste gegen Justizreform: Auch das Militär erhöht den Druck

In Tel Aviv riefen die Protestierenden Slogans wie "Demokratie oder Revolution!" Viele trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Demokratie", wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. "Die Regierung hört nicht auf uns, was bedeutet, dass dies der Beginn einer neuen Ära, einer schlechten Ära ist", sage der Demonstrant Idit Dekel, ein 55-jähriger Beschäftigter der Technologiebranche.

Auch aus den Reihen des Militärs erhöht sich der Druck weiter. Mehr als 10.000 Reservisten würden nicht mehr zum Dienst erscheinen, sollte der umstrittene Justizumbau der Regierung nicht gestoppt werden, kündigte ihre Protestbewegung "Waffenbrüder" am Samstagabend laut Medienberichten in Herzlija an. Den Berichten zufolge könnte dies die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen. Das Militär wollte sich dazu zunächst nicht äußern.

Proteste gegen Justizreform: Reservisten drohen mit Dienstverweigerung

Am Freitag hatten bereits mehr als 1000 Reservisten der Luftwaffe mit Dienstverweigerung gedroht. Daraufhin gab Verteidigungsminister Joav Galant bekannt, sich um einen "Konsens" zu bemühen. Medienberichten zufolge soll er versuchen, eine für Montag geplante Abstimmung über ein Kernelement der umstrittenen Pläne seiner Regierung zu verschieben.

Mehr als 100 hochrangige Ex-Sicherheitschefs des Landes drückten am Samstag in einem Brief an Netanjahu ihre Unterstützung für die möglichen Dienstverweigerer aus und forderten ihn auf, die Gesetzgebung zu stoppen. Netanjahu sei "persönlich für den schweren Schaden verantwortlich, der dem Militär und der Sicherheit Israels" zugefügt werde, hieß es in dem Brief.

Entscheidende Abstimmung über Justizreform am Montag

Das israelische Parlament berät ab Sonntag über die sogenannte Angemessenheitsklausel. Die entscheidende Abstimmung in zweiter und dritter Lesung ist dann für Montag geplant. Sollten die Abgeordneten das Gesetz verabschieden, könnten sie dem Obersten Gericht damit die Möglichkeit entziehen, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen und so außer Kraft zu setzen.

Die Klausel ist daher einer der umstrittensten Bestandteile der Reform. Kritiker fürchten eine willkürliche Besetzung hochrangiger Regierungsposten sowie eine Begünstigung von Korruption. Bei massiven Protesten gegen die Justizreform war es am Donnerstagabend in Tel Aviv zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. (mt/afp/dpa)

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