Es ist ein Novum für Malaysia: Der König dankt vorzeitig ab, nach nur zwei Jahren im Amt. Warum, das weiß niemand so genau - eine Rolle dürfte die Hochzeit des 49-Jährigen mit einer 25 Jahre alten ehemaligen "Miss Moskau" spielen. Trotz dieser Kuriosität könnte der Wechsel auf dem Thron rückblickend nur einen kurzen Eintrag in das Geschichtsbuch des Landes rechtfertigen, denn Kuriositäten hat die malaysische Politik so einige zu bieten.

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Königshochzeiten sind für gewöhnlich Stoff für die Herzen von Millionen, Großereignis, Medienspektakel und ein Riesengeschäft. Nicht so im Fall von Malaysias König Muhammad V. Der 49-Jährige hat jüngst Oksana Woewodina geehelicht - und zwar klammheimlich.

Bis heute ist die Vermählung mit der 25-jährigen Russin und ehemaligen "Miss Moskau" nicht offiziell bestätigt. Lediglich Fotos von der Zeremonie in Moskau, auf denen die Braut in einem pompösen Kleid zu sehen ist, zeugen davon.

So leise der 15. Yang di-Pertuan Agong (auf Deutsch: "Der, der zum Herrscher gemacht wurde") seine Trauung über die Bühne gehen ließ, so leise scheint er sich auch aus dem Amt schleichen zu wollen. Mit ein paar Sätzen aus dem Palast ließ Muhammad V. seine rund 32 Millionen Untertanen über seinen Entschluss informieren, als erster König in der Geschichte Malaysias vorzeitig abzudanken.

Malaysias Staatsform ist weltweit einmalig

Sein ungewöhnlicher Abgang nach nur zwei Jahren im Amt eröffnet Raum für Spekulationen. "Es heißt, dass er abdankt, weil andere die Stirn darüber runzeln, dass er ein 25-jähriges Fotomodel geheiratet hat, das noch nicht mal aus der Region stammt, sondern eine Konvertitin aus Russland ist", sagt der Südostasienwissenschaftler Holger Warnk von der Goethe-Universität in Frankfurt im Gespräch mit unserer Redaktion.

Doch der Malaysia-Kenner hat Zweifel, ob nicht doch mehr dahinter steckt. "Prinz Charles verzichtet ja auch nicht einfach auf den Thron." Ob Muhammad V. Streit mit dem Premierminister hatte? Möglich, sagt Warnk. "Mahathir Mohamad ist nicht besonders aristokratiefreundlich, um es mal vorsichtig auszudrücken."

Malaysia hat eine einzigartige Staatsform: Eine föderalistische, konstitutionelle Wahlmonarchie mit Rotationssystem - das gibt es auf der Welt kein zweites Mal. Nachfolger des Königs wird hier nicht dessen ältestes Kind. Stattdessen wählen die sieben Sultane des Landes und zwei weitere Herrscher aus jahrhundertealten muslimischen Königshäusern aus ihrem Kreis den neuen König, und zwar alle fünf Jahre aufs Neue.

"De facto sprechen die Sultane sich über die Wahl ab", sagt Warnk. So gilt es als ausgemacht, dass diesmal ein Mann aus dem Bundesstaat Pahang an der Reihe ist. Der Bundesstaat hat deshalb eilig den kranken 88-jährigen Sultan Ahmad Shah gegen dessen Sohn Tengku Abdullah Shah ausgewechselt. Abdullah dürfte am Mittwoch zum neuen König bestimmt werden.

Chinesen und Inder haben das Nachsehen

Wie in Großbritannien, dessen Kolonie Malaysia bis 1957 war, hat der König nur repräsentative Aufgaben. Einen Hype wie um Queen Elisabeth, William, Meghan und Co. gibt es in Malaysia nicht, erklärt Warnk.

Das mag auch an den teils massiven Verfehlungen liegen, die sich mancher Herrscher in der Vergangenheit geleistet hat. Da war der Sultan von Johor, der in den 80er Jahren mehrere Hausmädchen vergewaltigt und seinen Golf-Caddie erschlagen hatte. Da war der Sultan von Terengganu, der an Leberversagen starb, weil er dem Alkohol - trotz des religiösen Verbots - allzu sehr zugesprochen hatte.

Während sich die chinesisch- und indischstämmige Bevölkerung nur teilweise mit dem König identifiziere, sei er für die Malaien von großer Bedeutung. "Er dient als eine Art Rückversicherung, dass sie im Land die Mehrheit sind und das Sagen haben", sagt Warnk.

Rund 60 Prozent der Malaysier zählen zur Volksgruppe der Malaien, etwa 30 Prozent zu der der Chinesen, etwa zehn Prozent zu der der Inder. Die Einteilung - ein Relikt aus der Kolonialzeit - sorgt immer wieder für Spannungen, denn die Verfassung sieht Vorteile für Malaien vor. "Malaysia ist sehr gespalten, wobei die Malaien die politische Macht haben und auch das Militär und die Polizei kontrollieren, während die Chinesen die ökonomische Macht haben."

Das an Öl und Gas reiche Land hat sich seit den 1970er-Jahren wirtschaftlich massiv entwickelt. Es zählt zu den asiatischen Tigerstaaten. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf entspricht dem Brasiliens. Um die Demokratie ist es indes nicht so gut bestellt.

Ein Greis als Hoffnungsträger der Demokratie

"Durch das reine Mehrheitswahlsystem, gepaart mit Wahlfälschungen, war die Regierungspartei über Jahrzehnte mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ausgestattet. So konnte sie die Verfassung ändern, wie sie es gerade brauchte", erklärt Warnk. Wenngleich die Verfassung eigentlich mit allem ausgestattet sei, was für eine Demokratie nötig ist, sei sie durch Gesetze zwischenzeitlich so aufgeweicht, "dass Malaysia nicht mehr als Demokratie durchgeht".

Die Korruption blüht so prächtig wie eine Rafflesia, die in Malaysia beheimatete größte Blütenpflanze der Welt. Viele Politiker nehmen sich, was geht.

Najib Razak - bis vor gut einem Jahr Premierminister - soll Millionen aus einem Staatsfonds entnommen haben. "Das hatte schon groteske Züge angenommen", sagt Warnk. "Die Premiersgattin hatte weit über 500 Luxushandtaschen zu Hause." Das war dann selbst den Malaysiern zu viel. Im Mai wählten sie Razak und die langjährige Regierungspartei UMNO ab.

Nun soll es ausgerechnet Mahathir Mohamad richten. Er war bis vor drei Jahren UMNO-Mitglied und zwischen 1981 und 2003 schon einmal Premierminister. Jetzt führt er das Bündnis regierender Oppositionsparteien an. Warnk sagt: "Es ist absurd, dass ein 93-jähriger Autokrat die Hoffnung der Demokratie sein soll."

Ähnlich skeptisch ist er mit Blick auf Anwar Ibrahim. Der frühere UMNO-Vizepräsident war einst Mahathirs Zögling, doch dann ließ er ihn wegen angeblicher homosexueller Handlungen ins Gefängnis stecken. Zwischenzeitlich wollen sich die beiden versöhnt haben. Anwar, heute 70, gilt als Mahathirs designierter Nachfolger. "Plötzlich reden die beiden von Pressefreiheit und versprechen weiß Gott was - da bekomme ich einen Lachkrampf", sagt Warnk.

Ein junges Model, ein König, der auf den Thron pfeift und ein Greis als Figur des Wandels - da kann auch der Wissenschaftler nur den Kopf schütteln, bei aller Liebe zu Malaysia, das er oft bereist hat. "Jedes Mal, wenn ich malaysische Innenpolitik sehe, denke ich: 'John Grisham könnte da ein echt gutes Drehbuch daraus machen'", sagt Warnk.

Holger Warnk ist Südostasienwissenschaftler an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seine Forschung konzentriert sich auf das moderne Malaysia.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Holger Warnk
  • dpa
  • afp
  • Internationaler Währungsfonds: Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt
  • Süddeutsche Zeitung über Anwar Ibrahim: "Frei, aber gebunden"
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