Der Krankenstand in Deutschland ist hoch. Nur: Was hilft dagegen? Erste Stimmen fordern einen Karenztag bei der Lohnfortzahlung. Eine Umfrage im Auftrag unserer Redaktion zeigt, wie die Deutschen darauf reagieren würden.
Deutschlands Arbeitnehmer sollen am ersten Krankheitstag keinen Lohn mehr bekommen. Diesen Vorschlag hat Allianz-Chef Oliver Bäte gemacht – und damit eine hitzige Debatte losgetreten. Die Gewerkschaften sind empört, Zustimmung kommt dagegen aus der Wirtschaft.
Fakt ist: Deutsche Beschäftigte sind im Schnitt 20 Tage pro Jahr krank. Das ist deutlich mehr als im europäischen Vergleich, wo Arbeitnehmer acht Tage fehlen. Die Gründe dafür sind vielfältig, etwa der höhere Anteil von Langzeitkranken hierzulande.
Doch welche Folgen hätte ein Wegfall der Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag?
Debatte um Lohnfortzahlung: Mehr als jeder Zweite würde krank arbeiten
Sollte der Karenztag eingeführt werden, würden sich mehr Deutsche krank ins Büro oder in den Betrieb schleppen. Zumindest bei einer leichten Erkältung. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag unserer Redaktion.
53 Prozent der Befragten gaben an, dann arbeiten zu gehen. Davon sagten 36 Prozent, sie würden dies "eindeutig" tun, 17 Prozent gaben an, dann "eher" krank zur Arbeit zu gehen. 24 Prozent der Befragten, davon 15 Prozent "eindeutig", würden bei Krankheit zu Hause bleiben – und auf Lohn verzichten. 13 Prozent sind in dieser Frage unsicher.
Ein zweites Ergebnis der Civey-Umfrage im Auftrag unserer Redaktion: Bei jüngeren Deutschen ist die Bereitschaft größer als bei Älteren, auch krank zur Arbeit zu gehen. So gaben in der Kohorte der 18- bis 29-Jährigen 61 Prozent an, auch bei leichter Erkältung am Arbeitsplatz zu erscheinen. In der Altersgruppe ist der Wert mit 62 Prozent am höchsten. Zum Vergleich: Bei den Über-65-Jährigen sagen lediglich 46 Prozent, sie würden auch im Krankheitsfall arbeiten gehen. Diese Altersgruppe weist den niedrigsten Wert auf.
Auch wenn die Bereitschaft, leicht erkältet arbeiten zu gehen, mit dem Alter abnimmt, so wäre dazu auch in den Kohorten der 40- bis 49-Jährigen und der 50- bis 64-Jährigen mit 56 bzw. 52 Prozent jeweils noch eine absolute Mehrheit bereit.
Karenztag: Wer Kinder hat, geht eher krank zur Arbeit
Ebenfalls von Bedeutung für die Entscheidung, Arbeit bei Krankheit: ja oder nein, ist, ob Menschen Kinder versorgen müssen. Wenn Kinder zum Haushalt gehören, sagten 62 Prozent, sie würden arbeiten gehen. 21 Prozent verneinten dies. Bei den Kinderlosen waren es 52 Prozent, die trotz Krankheit nicht zu Hause bleiben würden, also zehn Prozentpunkte weniger. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass Kinder Geld kosten, Eltern also nicht auf Lohn verzichten können.
Auch wenn der Vorschlag von Allianz-CEO Bäte eine Debatte losgetreten hat; politisch dürfte sich nicht viel ändern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilte der Idee eine klare Absage. "Wenn man jetzt die Beschäftigten unter Druck setzt, krank zur Arbeit zu gehen, weil sie sich den Karenztag nicht leisten können, dann riskieren wir, dass sie Kollegen anstecken und Krankheiten verschleppen", sagte er im Interview dieser Redaktion.
Damit wäre die Diskussion beendet. Vorerst.
Informationen zur Methode
- Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat vom 08. Januar bis 10. Januar 2025 online rund 5.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ.
- Zusätzliche Informationen zur Methode finden Sie auf Civey.com und im Civey-Whitepaper.
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