Viele Verhandlungsrunden später hat die Ampel-Regierung eine Einigung zur Kindergrundsicherung errungen: Ab dem kommenden Jahr sollen Kindergeld und Sofortzuschlag – immerhin – um fünf Euro steigen. Ein erster Schritt, doch welche weiteren Verbesserungen Familien in Zukunft erwarten können, bleibt weiterhin abzuwarten.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, noch liegt das Projekt in den Händen der Abgeordneten. Seit Wochen versuchen sie, mit dem zu arbeiten, was ihnen Familienministerin
Und so wird das Projekt für Kinder schon fast zum Symbol für den generellen Zustand dieser Koalition: Status kompliziert – und Zukunft völlig unklar.
Grüne bevorzugen zentrale Auszahlungsstelle
Dabei hatte alles mit so viel Herzblut und gutem Willen begonnen. Die Kindergrundsicherung sollte das große Projekt gegen Kinderarmut werden. Das Hauptziel: Jedes Kind soll die staatlichen Leistungen erhalten, die ihm zustehen. Dafür will die Ampel bisherige Leistungen bündeln und deutlich unbürokratischer an Familien auszahlen.
Die Botschaft: Ihr bekommt euer Geld – und müsst euch dafür künftig nicht mehr so abmühen wie bisher. Also das, was Ministerin Paus als "Bringschuld" des Staates bezeichnet hat. Ein Gedanke, für dessen Umsetzung die Grünen am liebsten eine zentrale Auszahlungsstelle schaffen würden.
Doch dafür gibt es hohe rechtliche Hürden – und es würde unter anderem bedeuten, alle Kinder von Familien im Bürgergeld aus dem Bürgergeld-System herauszuziehen, um sie separat mit den neuen gebündelten Leistungen zu erreichen. Ein ganz schön komplizierter Weg für eine Reform, die eigentlich alles einfacher machen soll.
Abruf von Kinderzuschlag deutlich gestiegen
Dabei sind die Mängel im aktuellen System nicht von der Hand zu weisen: Immer wieder hatte Paus beispielsweise vorgerechnet, dass bislang nur ein kleiner Teil der Familien ihren Anspruch auf den Kinderzuschlag geltend machen würde. Das hat sich mittlerweile – wohl auch durch die öffentlichen Debatten – geändert. Seit Oktober 2023 stieg die Zahl der Kinder, die den Zuschlag erhalten, laut Ministerium auf mehr als eine Million.
Im Juni 2024 seien es schon 1,24 Millionen gewesen. Ende Dezember 2022 lag die Zahl noch bei knapp 800.000. Fast eine Verdopplung also, auf die insbesondere die Grünen gerne verweisen. Mit dem Zusatz: Allein durch den Anstieg der Abrufzahlen sei ein Teil der Kindergrundsicherung bereits erfüllt.
So ähnlich argumentierte auch kürzlich Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der die Ausgestaltung der Reform mit einer Vase verglich: "Wichtig ist doch, dass die Versorgung sichergestellt wird, also dass das Wasser in der Vase ist. Welche Farbe die Vase hat, ist mir an dieser Stelle egal." Aber ist das wirklich so? Und wird die Vase vielleicht doch noch grüner als gedacht? Die Fraktion, die trotz aller Hürden immer noch am Kern des Projekts festhält, will sich jedenfalls nicht entmutigen lassen.
Mehr Geld für Familien ab Januar 2025
Und immerhin: Zum 1. Januar 2025 sollen das Kindergeld und der Kindersofortzuschlag für bedürftige Familien jeweils um fünf Euro steigen. Auch den Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer will die Ampel anheben. Das ist Teil der Einigung auf den Bundeshaushalt, der am Mittwoch das Kabinett passieren soll. Und je nach Lesart ist damit bereits ein zentraler Bestandteil der Kindergrundsicherung (FDP) erfüllt oder eine "erste finanzielle Grundlage" (Grüne) gelegt. Doch was darauf folgen wird, ist noch in Arbeit.
Angedacht sind zunächst einmal ein "Kindergrundsicherungscheck" und ein "Kinder-Chancenportal". Mit dem Check sollen Familien künftig schnell und einfach erfahren, ob sie Anspruch auf Leistungen haben und wenn ja, auf welche.
Wie das Ministerium auf Anfrage mitteilt, soll der Check zunächst für alle Neugeborenen bereitstehen. Das wären etwa 700.000 Kinder im Jahr. Die Familien müssten zur Nutzung entweder ihr Einverständnis erklären oder sich aktiv anmelden, heißt es. Aber: "Sie müssen dafür kein Antragsformular ausfüllen."
Hürden bei automatischem Abruf von Daten
Was völlig unklar bleibt: Welche Daten werden automatisch abrufbar sein, damit das Ergebnis aussagekräftig ist? Aus Behördenkreisen heißt es, dass nur die Einkommensdaten von Arbeitnehmern automatisiert verfügbar wären. Bei den Einkünften von Selbstständigen könnten die "aktuellen" Daten zwei Jahre alt sein und zu den Ausgaben von Familien lägen schlicht keine Daten vor.
Immer wieder ist die Frage zu hören, wo der Mehrwert bei einem automatisierten Leistungscheck liegen soll, bei dem Familien sämtliche Dokumente dann doch noch selbst einspeisen müssten. Das Paus-Ministerium erklärt auf seiner Webseite sogar selbst, dass einige Ausgaben-Nachweise wie etwa Mietverträge oder Kontoauszüge "der Verwaltung nicht vorliegen" würden.
Umsetzungshürden gibt es auch beim sogenannten Chancenportal – ein Liebling der FDP. Die schöne Idee: Es gibt künftig ein Portal, auf dem Kinder Angebote, etwa von Fußball- oder Musikvereinen im Ort, abrufen und sich per Klick dazu anmelden können. Dann soll automatisch – quasi im Hintergrund – der staatliche Teilhabebeitrag in Höhe von 15 Euro mit dem Preis des jeweiligen Angebots verrechnet werden. Doch auch hier sind bislang wichtige Fragen offen: Wie aufwendig wird es für Vereine, sich dort zu registrieren? Und wer entscheidet, ob ein Angebot seriös ist? Es bleibt kompliziert.
Der Fairness halber sei aber auch hier noch mal betont: Noch liegen alle Checks und Details in den Händen der Abgeordneten. Bis Ende des Jahres könnte es Klarheit darüber geben, was wann kommt – und ob die bruchanfällige Vase halten wird. (dpa/lla)
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