Am Sonntag starben der iranische Präsident Ebrahim Raisi sowie Irans Außenminister Hossein Amir-Amirabdollahian bei einem Hubschrauberabsturz. Wie geht es nun weiter mit dem Regime in Teheran?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zunächst hatte es noch geheißen, von der Maschine am Boden hätte es ein Funksignal gegeben. Zwei Überlebende befänden sich in den Trümmern. Erst am Montag folgte die Gewissheit: Beim Absturz eines Hubschraubers nahe der Stadt Täbris an der Grenze zu Armenien und Aserbaidschan hat kein Insasse überlebt.

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An Bord war der iranische Außenminister Hossein Amir-Amirabdollahian und der iranische Präsident Ebrahim Raisi.

Sie waren auf der Rückreise von einer Feierlichkeit zur Einweihung eines Staudamms zusammen mit dem Staatschef von Aserbaidschan, Ilham Aliyev. Nach offiziellen Angaben kamen bei dem Absturz neun Menschen ums Leben, darunter drei Besatzungsmitglieder. Der Hubschrauber war mit zwei weiteren Helikoptern als Eskorte unterwegs. Die anderen beiden erreichten sicher ihr Ziel.

Weshalb kam es zum Absturz?

Da der Hubschrauber aus US-amerikanischer Produktion stammt, wuchern nun Verschwörungsmythen, dass die Vereinigten Staaten oder der israelische Mossad hinter dem Absturz stecken könnten. Belege gibt es hierfür nicht. Nach aktuellem Stand gibt es auch nach staatlichen Angaben keinerlei Hinweise auf ein Fremdverschulden bei dem Absturz.

Die betreffenden Helikopter vom Typ Bell 212 sind bereits um die 50 Jahre alt. Auch der von Raisi benutzte Helikopter könnte Experten zufolge 40 bis 50 Jahre alt sein. Der Iran ist aufgrund der Sanktionen gegen das Regime nicht in der Lage, neuere Flugkörper im Ausland zu beschaffen.

Außerdem soll es schlechte Sicht gegeben haben, die dazu führte, dass der Helikopter gegen ein Bergmassiv krachte. Die veraltete Technik und das schlechte Wetter könnten den Absturz also ausgelöst haben.

Welche Folgen hat der Tod für das Regime in Iran?

Dass der Präsident des Landes tot ist, bedeutet für das Regime und seine Anhänger zunächst einen Schock. Allerdings halten Experten die politische Bedeutung des Präsidenten für eher gering. Er galt als ergebener Unterstützer des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei, welcher zusammen mit dem Revolutionsrat die Geschicke des Landes führt. Der Tod Raisis und seine Nachfolge bedeuten daher zunächst keine größeren Schwierigkeiten für das Regime.

Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Kurz- oder mittelfristig würde die Stabilität des Regimes nicht durch die Nachfolge im Präsidentenamt, sondern durch die Nachfolge im Amt des Obersten Führers gefährdet werden, da zwischen beiden ein großer Machtunterschied besteht."

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Sollte hingegen Chamenei sterben und sein Sohn Mojatab zu seinem Nachfolger erklärt werden, wären erneute Proteste der Bevölkerung gegen das Regime denkbar. Die große Frage sei dann, ob es in einem solchen Szenario eines Machtvakuums oder einer umstrittenen Nachfolgeregelung zu Rissen im Macht- und Sicherheitsapparat kommen würde, die das Fenster für unerwartete Ereignisse öffnen könnten.

Wer wird Nachfolger?

Nach dem Tod Raisis hat das Regime eine Wahl zum Präsidenten in fünfzig Tagen angekündigt. Angesichts der weit verbreiteten gesellschaftlichen Ablehnung des Regimes in seiner Gesamtheit sei mit einer weiteren sehr niedrigen Wahlbeteiligung zu rechnen, glaubt Fathollah-Nejad.

"Außerdem wird sich zeigen, ob der ultrakonservative Wächterrat auch dieses Mal angewiesen wird, nur Kandidaten zuzulassen, die Chemenei treu ergeben sind, und damit im Rahmen von dessen jahrelangem 'Säuberungsprozess' zu handeln, der das ausschließlich islamistische politische Spektrum auf die Hardliner schrumpfen ließ."

Wenn stattdessen das Rennen auf diejenigen ausgeweitet werde, die im System bisher nicht kandidieren durften und dies zur Wahl eines angeblich gemäßigten Gesichts führt, könnte dies an sich schon ein Manöver von Chamenei sein, so der Iran-Experte. Dann mit der Absicht dahinter, die Unterstützung für die Durchsetzung seines Sohnes Mojtaba als nächstem Obersten Führer zu erhöhen. Von wirklich unabhängigen Wahlen kann also nicht ausgegangen werden.

Zunächst soll nun Vize-Präsident Mohammed Mochber die Geschäfte übernehmen, bis Raisis Nachfolger ernannt wurde.

Über den Gesprächspartner

  • Ali Fathollah-Nejad ist Gründer und Direktor des Center for Middle East and Global Order (CMEG). Der Iran-Experte war zuvor unter anderem für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik tätig.

Verwendete Quellen

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