Die Debatte um eine Reform der Europäischen Schuldenregeln geht in die nächste Runde. Die Abgeordneten im Europaparlament verständigten sich am Mittwoch in Straßburg auf ihre Position für die Verhandlungen mit den EU-Ländern. Demnach spricht sich auch das Parlament für Mindestwerte beim Schuldenabbau aus. Ein erstes Treffen der Unterhändler beider Institutionen war für den Nachmittag geplant.
Die Regeln schreiben den EU-Ländern Obergrenzen für Budgetdefizite und Staatsschulden vor. Die bislang geltenden Vorschriften für den Schuldenabbau der EU-Länder stammen aus den 1990er Jahren und gelten als kompliziert und Kritikern als zu streng. Wegen der Corona-Krise und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine waren die Regeln vorübergehend bis 2024 ausgesetzt.
Nach monatelanger Debatte hatten sich die EU-Länder Ende Dezember auf ihren Standpunkt für eine Reform der Vorschriften geeinigt. Ihre Pläne sehen unter anderem vor, dass die individuelle Situation der Länder stärker als bislang berücksichtigt wird.
Grundsätzlich sollen die bisherigen Ziele des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts bestehen bleiben: Schulden sollen bei maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent gehalten werden. Darüber hinaus sind nach Willen der Länder unter anderem Schutzmaßnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte. Auf diese Bedingung hatte vor allem Deutschland gepocht.
Grundlage für die Position des Parlaments ist ein vom Wirtschaftsausschuss im Dezember erarbeiteter Vorschlag. Demnach will auch das Parlament unter anderem Mindestwerte, die festlegen, um wie viel ein Mitgliedsstaat seine übermäßige Verschuldung abbauen muss und wie viel er bei der Ausgabenplanung überschreiten darf. Gleichzeitig sollen die Länder mehr Spielraum als bislang bei der Umsetzung der Vorschriften bekommen. Vor allem von den Grünen kam Kritik. Die geplanten Regeln seien wirtschaftlicher, ökologischer, geopolitischer und demokratischer Selbstmord, sagte der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Philippe Lamberts.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Markus Ferber, sagte es sei Zeit, "zur fiskalpolitischen Vernunft" zurückzukehren. "Die Schuldenregeln waren lange genug entweder zu schwammig oder komplett ausgesetzt."
Die Verhandlungen mit den EU-Staaten dürften sich über mehrere Wochen ziehen. Noch vor den Europawahlen im Juni könnte das neue Regelwerk stehen. © dpa
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