Die Demokratie hat sich in vielen Staaten durchgesetzt – und ist doch bedroht. Sie steht immer wieder in der Kritik – und ist doch die beste Staatsform. Sie kann ohne Wahlen nicht funktionieren – und braucht doch mehr. Wir blicken genauer auf einen zunehmend umkämpften Begriff.

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Worum es geht, steckt schon im Wort: Demokratie leitet sich von zwei altgriechischen Wörtern für "Volk" (demos) und "Herrschaft" (kratos) ab. In einem demokratischen Staat haben also die Menschen das Sagen, die diesen Staat ausmachen. Und nicht etwa ein König oder ein Diktator.

Eigentlich ist die Sache also ganz einfach – und doch so kompliziert. Denn dieser Gedanke muss auch in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Aber wie?

Demokratie früher und heute

Im antiken Griechenland bestand das herrschende Volk nur aus den wohlhabenden Männern. Sie traten zusammen, um über Probleme und Lösungen in ihrer Gemeinschaft zu diskutieren. In den heutigen Massendemokratien wäre das nicht mehr umsetzbar.

Erstens bedeutet Volksherrschaft heutzutage, dass wirklich alle eine Stimme haben und gleichwertig mitentscheiden – egal welches Geschlecht, welche Religion und welche Herkunft sie haben.

Zweitens kann ein Volk aus Hunderttausenden oder Millionen von Menschen nicht alles selbst entscheiden. Dann wären Bürgerinnen und Bürger den ganzen Tag damit beschäftigt, sich über die Höhe der Krankenkassenbeiträge, den Verlauf einer neuen Autobahn oder die Vorschriften für Schlachtbetriebe zu informieren und zu diskutieren.

In der Schweiz und auf Ebene der deutschen Städte und Bundesländer gibt es diese Elemente der direkten Demokratie: Abstimmungen, bei denen das Volk direkt über Sachfragen entscheidet. Doch in erster Linie folgen Staaten heute dem Prinzip der repräsentativen Demokratie. Dort steht das Parlament im Mittelpunkt.

Wahlen verleihen Macht auf Zeit

Regelmäßig wählt das Volk daher seine Vertreterinnen und Vertreter in den Parlamenten: die Abgeordneten unterschiedlicher Parteien. Sie haben den Auftrag, den Willen ihrer Wählerinnen und Wähler so gut wie möglich umzusetzen. Das Volk überträgt bei Wahlen also seine Macht an die Abgeordneten – aber stets nur auf Zeit. Bei der nächsten Wahl hat es die Möglichkeit, eine neue Entscheidung zu treffen.

Das Parlament ist der wichtigste Ort des demokratischen Systems: Die Abgeordneten diskutieren und entscheiden über Gesetze. Sie setzen eine Regierung ein und kontrollieren sie. Entscheidungen fallen dort nach dem Prinzip der Mehrheit: Wer etwas erreichen will, muss eine Mehrheit der Abgeordneten von seinem Ziel überzeugen.

Es geht nicht ohne Wahlen – aber es geht um mehr

Alexis de Tocqueville. © dpa/CPA Media Co. Ltd

Dieses Prinzip birgt jedoch eine Gefahr. Wenn sich eine Mehrheit zusammenfindet und das ganze Land und die Gesellschaft nach eigenen Vorstellungen umbaut, kann sie tyrannisch werden. Davor warnte im 19. Jahrhundert der französische Gelehrte Alexis de Tocqueville. Deshalb setzte sich mit ihm die Vorstellung durch: Wahlen, Parlamente und Mehrheiten sind allein noch nicht ausreichend für eine funktionierende Demokratie.

Sie braucht auch unabhängige Gerichte, die über grundlegende Prinzipien wachen. Sie braucht lokale Verwaltungen in Städten, Gemeinden, Provinzen oder Bundesstaaten. Sie braucht bestimmte Regeln, wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Medien. Sie braucht Grundrechte, die Minderheiten vor der "Tyrannei der Mehrheit" (Tocqueville) schützen.

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Demokratie: Ein umkämpfter Begriff

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wer wüsste das besser als die Deutschen, die in den 1930er Jahren schon einmal eine Demokratie scheitern ließen? Ihre Regeln müssen befolgt, aber wenn nötig auch immer wieder diskutiert und angepasst werden. Und sie funktioniert nur, wenn Menschen sich einbringen und anständig miteinander umgehen.

Es gibt vieles, was sich an der heutigen Umsetzung der Demokratie kritisieren lässt. Zum Beispiel ein zu großer Einfluss von Unternehmen und Verbänden auf die Entscheidungen von Parlamenten. Zum Beispiel die dominante Rolle von Parteien und die zunehmend aufgeheizten Wahlkämpfe. Zum Beispiel die oft quälend langen Prozesse, in denen Koalitionen gebildet und Gesetze beschlossen werden. Zum Beispiel die beschränkten Möglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern außerhalb von Wahlen Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen.

Allerdings hat schon der frühere britische Premier Winston Churchill festgestellt: "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Heute beruft sich praktisch jeder auf die Demokratie, auf ihre Werte und Prinzipien. Trotzdem gerät sie unter Druck. Rechtsextreme und populistische Politiker zum Beispiel betreiben den Abbau der Demokratie, wenn sie an der Unabhängigkeit der Gerichte rütteln, wenn sie Medien verbieten oder Minderheitenrechte einschränken. Andererseits tut man der Demokratie auch keinen Gefallen, wenn man die Wahl einer populistischen Partei einfach als "undemokratischen" Akt einstuft.

Demokratie ist ein umkämpfter Begriff – heute vielleicht mehr als je zuvor. Aber es ist auch ein großer Vorteil der Demokratie, dass sie diesen öffentlichen Streit über sich selbst zulässt. In einer Diktatur wäre er nicht möglich.

Verwendete Quellen

  • Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze (Herausgeber): Lexikon der Politikwissenschaft, Band 1, A-M, Verlag C.H. Beck
  • Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika, Reclam-Verlag