Bei der Pressekonferenz von Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan in Berlin kommt es zum Eklat: Sicherheitskräfte führen vor laufenden Kameras einen Journalisten ab. Auch andere Medienvertreter berichten von einer ungewöhnlichen Behandlung.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan kam es zu einem Zwischenfall. Während Erdogan auf eine Frage antwortete, gab es plötzlich große Aufregung im Raum.
Ein Journalist wurde von zwei Sicherheitsleuten gepackt. "Ich habe nichts getan", rief er dabei, wurde aber dennoch vor laufenden Kameras abgeführt. Laut Augenzeugen hatte er zuvor noch ruhig fotografiert.
Der Vorfall dauerte gerade einmal 20 Sekunden - dann war der Mann, der eine Akkreditierung für die Pressekonferenz trug, verschwunden.
Journalist gilt als Erdogan-Kritiker
Bei dem abgeführten Mann handelte es sich um den Journalisten Ertugrul Yigit. Der seit über 35 Jahren in Hamburg lebende Türke ist schon lange als Kritiker des türkischen Präsidenten bekannt.
Bei der Pressekonferenz zeigte er eine politische Forderung ganz offen: Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Gazetecilere Özgürlük - Freiheit für Journalisten in der Türkei".
Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte das Vorgehen der Ordner. Im Kanzleramt halte man es bei Pressekonferenzen wie der Deutsche Bundestag, twitterte er - "keine Demonstrationen oder Kundgebungen politischer Anliegen." Unabhängig, ob das Anliegen berechtigt sei oder nicht.
Unübliche Kontrollen von Journalisten
Dabei waren die Sicherheitskontrollen bei der Pressekonferenz für Journalisten bereits im Vorfeld ungewöhnlich. Ein AFP-Reporter, der für die Pressekonferenz akkreditiert war, wurde bei der Kontrolle im Gebäude des Bundespresseamts detailliert zu seinen Absichten befragt. So wollte ein Sicherheitsmitarbeiter von dem Journalisten Auskunft darüber, ob dieser eine Frage bei der Pressekonferenz stellen wolle - und wenn ja, welche.
Konkret schob der Sicherheitsmitarbeiter dann nach, ob der Journalist etwa auch eine Frage zu den Berichten stellen wolle, wonach "in der Türkei alle Journalisten im Gefängnis sitzen". Des Weiteren wollte er von dem Berichterstatter wissen, ob dieser schon einmal in der Türkei war und ob er es dort wirklich "so schlimm" fand, "wie in den Medien immer berichtet wird".
Derartige Fragen an akkreditierte Journalisten, die an offiziellen Medienveranstaltungen der Bundesregierung teilnehmen, sind äußerst unüblich. Das Bundespresseamt wurde über den Vorfall informiert, äußerte sich zunächst aber nicht dazu. Der AFP-Reporter nahm schließlich an der Pressekonferenz teil. (kad/dpa/afp)
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