Vor gut einem Jahr sorgte die Trennung von Kindern von ihren Eltern bei der illegalen Einreise in die USA weltweit für Empörung. Offiziell wurde diese Praxis beendet - doch Bürgerrechtler werfen der US-Regierung vor, sie unter fragwürdigen Vorwänden weiterzuführen. Schon kleine Vergehen der Eltern oder eine angebliche Vernachlässigung sollen Behörden demnach zum Anlass nehmen, Kinder von ihren Familien zu trennen.
US-Behörden haben nach Angaben von Bürgerrechtlern mehr als 900 Migranten-Kinder von ihren Eltern getrennt, seit ein Gericht die umstrittene Praxis im Juni vergangenen Jahres untersagt hat. Die Bürgerrechtsbewegung ACLU rief deswegen am Dienstag das Bundesgericht in San Diego an, das die Verfügung vor gut einem Jahr erlassen hatte, um die Trennung von Kindern von ihren Familien bei der illegalen Einreise aus Mexiko zu stoppen.
ACLU-Anwalt Lee Gelernt sagte: "Es ist schockierend, dass die Trump-Regierung weiterhin Eltern ihre Babys wegnimmt." Die Regierung von US-Präsident
Bürgerrechtler: Kleinste Vergehen führen zur Trennung von Familien
Die Regierung argumentiert ACLU-Angaben zufolge, dass die Behörden nach der Verfügung unter bestimmten Bedingungen befugt seien, Kinder von ihren Eltern zu trennen: nämlich dann, wenn die Eltern vorbestraft sind, ihren elterlichen Pflichten nicht nachkommen oder eine Gefahr für das Kind darstellen.
Die ACLU wirft der Regierung vor, Kinder systematisch von ihren Eltern zu trennen und als Vorwand minderschwere Delikte der Eltern wie Verstöße gegen Verkehrsregeln oder angebliche Zweifel an den Fähigkeiten der Eltern ins Feld zu führen. Die Bürgerrechtler forderten das Gericht auf, klare Richtlinien zu erlassen.
ACLU zeigt in Klageschrift teils krasse Fälle auf
Die ACLU führte in ihrem Antrag zahlreiche Fälle an, die Zweifel an der Entscheidung der Behörden nähren.
So sei etwa ein Kind von seiner Mutter getrennt worden, weil ihr Verbindungen zu kriminellen Banden vorgeworfen worden seien. Die einzige Verbindung sei aber gewesen, dass die Frau von einem Bandenmitglied vergewaltigt worden sei. Einem Vater sei die Tochter weggenommen worden, weil er ihre Windel nicht gewechselt habe - der Mann habe das kranke Kind nicht wecken wollen.
In einem anderen Fall sei ein Vierjähriger von seinem Vater getrennt worden, weil dieser wegen einer Sprachbehinderung nicht auf die Fragen von US-Grenzschützern habe antworten können. In manchen Fällen würden die US-Behörden auch Verkehrsvergehen als Begründung für die Trennung von Migrantenfamilien anführen.
Über 900 Kinder von "brutaler und illegaler Politik" betroffen
ACLU-Anwalt Gelernt sagte weiter, dass binnen eines Jahres von dieser "brutalen und illegalen Politik" mehr als 900 Kinder betroffen gewesen seien. Nach den von der Regierung vorgelegten Daten wurden zwischen dem 26. Juni 2018 und dem 29. Juni 2019 insgesamt 911 Kinder von ihren Eltern getrennt. In rund 20 Prozent der Fälle seien Kinder unter fünf Jahren betroffen gewesen.
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte im Zuge ihres Kampfes gegen die illegale Einwanderung im Mai 2018 damit begonnen, Migrantenkinder von ihren Eltern zu trennen. Die Praxis wurde in über 2.000 Fällen bis zur richterlichen Verfügung im vergangenen Jahr angewendet.
Das Vorgehen war Teil von Trumps sogenannter Null-Toleranz-Politik gegenüber Einwanderern und sorgte international für große Empörung. Trump geriet stark unter Druck. Sechs Wochen später vollzog der US-Präsident dann die Kehrtwende. Migrantenfamilien sollten nur noch dann getrennt werden, wenn die Eltern ein "Risiko" für die Kinder darstellten. (mgb/dpa/afp)
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