Die ruhigen Hände eines Feuerwerkers werden immer wieder gebraucht – zum Finden, Freilegen und Entschärfen von Weltkriegsmunition. Wir haben mit zwei Experten über den gefährlichen Job gesprochen.

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Die Lage in Dresden war schwierig und gefährlich: Eine gefundene Fliegerbombe war teildetoniert. Der Blindgänger war am Dienstag auf einer Baustelle entdeckt worden. Über Stunden brannte die Umgebung der Bombe bis endlich am frühen Abend die Entwarnung kam: Die Bombe ist unschädlich, die rund 9.000 evakuierten Menschen können wieder zurück in ihre Wohnungen.

Immer wieder gibt es Entschärfungen mit teils größeren Auswirkungen. So starben im Juni 2010 in Göttingen drei Sprengstoffexperten, als mitten in der Stadt eine Bombe kurz vor ihrer geplanten Entschärfung explodierte.

Nach dem Fund eines Blindgängers im Oktober 2011 wurde die Innenstadt von Halle evakuiert.

Im Münchner Szene-Viertel Schwabing mussten im Sommer 2012 viele Münchner ihre Wohnung für drei Tage und drei Nächte verlassen. Die 250-Kilo-Fliegerbombe wurde kontrolliert gesprengt. An den Häusern in unmittelbarer Nähe entstanden Millionenschäden.

Auch der Fund in Dresden wird nicht der letzte sein. Während des Zweiten Weltkrieges wurden auf Deutschland etwa 1,6 Millionen Bomben abgeworfen. Schätzungen zufolge sind davon zwischen 5 und 15 Prozent nicht detoniert.

Wie diese gefunden und entschärft werden, erklären die Experten Dieter Neumann von der MuN Ortung GmbH und Michael Beintner von der Süddeutschen Kampfmittelräumung im Gespräch mit unserer Redaktion.

So werden Weltkriegsbomben entdeckt

Herr Neumann, wer ist im Falle einer Weltkriegsbombe zuständig?

Dieter Neumann (MuN Ortung GmbH): Es gibt zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche. Die Suche wird in Bayern zum Beispiel durch private Firmen durchgeführt. Die Entschärfung erfolgt durch den staatlichen Räumdienst.

Unsere Firma ist mit der Suche beschäftigt. Der Berufsstand hat allerdings denselben Namen: Feuerwerker, nur mit unterschiedlichen Berechtigungen.

Wir haben die Berechtigung zum Suchen sowie zum Freilegen der Munition und zum Identifizieren. Den Vorgang der Bombenentschärfung machen nicht wir, sondern der staatliche Räumdienst.

Wie werden Bomben eigentlich entdeckt oder aufgespürt?

Bei geplanten Baumaßnahmen und ohne Kenntnisse über mögliche Kampfmittel ist der erste Schritt, historische Luftbilder zu recherchieren. Da beschafft man sich Bilder vom Bombardierungszeitraum, und zwar möglichst multitemporär: Anfang, Mitte, Ende des Zweiten Weltkriegs.

Danach bewerten wir sie hinsichtlich der Einwirkung von Kampfmitteln. Wir analysieren zum Beispiel Bombentrichter, also Lokationen, wo eine Bombe detoniert ist und einen Krater hinterlassen hat.

Auch zerstörte Häuser geben Hinweise auf Abwurfmunition im Untergrund. Oder durch ehemalige Flakstellungen – also da, wo Flugabwehrkanonen standen beziehungsweise militärische Einrichtungen wie Munitionsfabriken, Truppenübungsplätze, Sprengplätze, Kasernen – kann ein zusätzlicher Munitionsverdacht aufkommen.

Sind keine Einwirkungen erkennbar, kann das Grundstück freigegeben werden. Dann ist auch keine weitere technische Erkundung erforderlich.

Was passiert, wenn Sie Hinweise auf Bomben finden?

Bei Hinweis auf Munition erfolgt in der zweiten Stufe die technische Erkundung. Das heißt, das Grundstück wird mit geophysikalischen Messverfahren untersucht.

Die Daten werden entsprechend ausgewertet und bei Verdacht wird gegraben. Dann kommt auch der Munitionsspezialist, der sogenannte Feuerwerker zum Zug. Er überwacht diese Ausgrabung mit der nötigen Vorsicht.

Daran sind Sie beteiligt?

Ja, das Ausgraben machen wir auch. Wenn es sich um Munition handelt, ist es unsere Aufgabe, die Munition einer Gefährdungsbeurteilung zu unterziehen.

Das heißt, es wird festgestellt, um welchen Zünder es sich bei der Bombe oder dem Kampfmittel handelt und in welchem Zustand sich das Kampfmittel befindet. Gegebenenfalls müssen wir erst Sofortmaßnahmen einleiten und dann den Räumdienst verständigen.

Wie einfach ist es, auf den ersten Blick zwischen Bombe und Schrott zu unterscheiden?

Eine Bombe hat schon eine charakteristische Form. Die Experten, die sie frei graben, haben umfassende Fachkunde über die Bombentypen und Kampfmittel, die von deutscher oder alliierter Seite im Zweiten Weltkrieg verwendet wurden. Bei Antreffen von Munition im Boden wird das Objekt in vorsichtiger Handarbeit freigelegt.

So werden Weltkriegsbomben entschärft:

Herr Beintner, ist immer sofort klar, ob es sich um eine Weltkriegsbombe handelt?

Michael Beintner (Süddeutsche Kampfmittelräumung): Man muss den Fund erst freilegen, um zu erkennen, ob es sich um eine Bombe handelt oder nicht. Anhand bestimmter Merkmale wie Form, Größe oder Zünder lässt sich feststellen, ob es sich um eine amerikanische oder britische Bombe handelt.

Wie groß ist so ein Team eines Kampfmittelräumdienstes?

Das kommt auf den Fund an – ob es sich um einen Aufschlagzünder oder Langzeitzünder handelt.

Beim Aufschlagzünder ist immer nur ein Feuerwerker anwesend. Beim Langzeitzünder sind in der Regel zwei Experten anwesend.

Wie unterscheiden sich die Zünder?

Bei einem Sprengbombenblindgänger mit Aufschlagzünder kann man den Zeitpunkt der Entschärfung den Gegebenheiten anpassen. Das heißt, es muss nicht sofort entschärft werden. Das lässt Evakuierungen besser managen.

Beim Langzeitzünder verhält es sich anders: Er hat ein vorgespanntes Zündsystem. Das bedeutet, die Bombe kann theoretisch jederzeit hochgehen. Da ist also immer Gefahr im Verzug. Es muss sofort evakuiert werden.

Wie groß ist der Evakuierungsradius und wer legt ihn fest?

Die Vorgehensweise ist immer gleich: Den Evakuierungsbereich legt ausschließlich der zur Entschärfung eingesetzte Feuerwerker fest. Seine Entscheidung hängt von der Größe der Bombe ab – also ihrer Sprengkraft.

Ist sofort zu erkennen, um welchen Zünder es sich handelt?

Einen Langzeitzünder erkennt der Experte sofort. Sprengbomben mit Langzeitzündern treten seltener auf als Bomben mit Aufschlagzündern. Das betrifft etwa fünf Prozent aller abgeworfenen beziehungsweise aufgefundenen Weltkriegsbomben.

Wie funktioniert ein Zünder – Aufschlag oder Langzeit?

Der Aufschlagzünder hat eine sogenannte Windradsicherung. Das heißt, beim Abwurf wird dieses Windrad herausgedreht. Dann liegt das Zündsystem frei. Beim Aufprall detoniert die Hauptladung, die Bombe geht hoch.

Wie wird entschärft?

Bei etwa 95 Prozent der Bomben, die einen Aufschlagzünder haben, wird versucht, den Zünder herauszuschrauben.

Beim Langzeitzünder ist das anders. Der hat eine Ausbausperre. Die Bombe würde explodieren, wenn man versuchen würde, den zu entfernen.

Wenn sich so eine Bombe nicht entschärfen lässt, muss sie vor Ort bewegungsfrei gesprengt werden. Hier ist immer Gefahr im Verzug.

Eine Weltkriegsbombe mit Langzeitzünder darf also nicht bewegt werden?

Nein, sie muss immer vor Ort entschärft oder gesprengt werden.

Lässt sich anhand des Fundes erahnen, welcher Schaden bei einer Detonation erwartbar ist?

Ja, das ist bekannt. Die Detonationswirkung eines Sprengbombenblindgängers hängt immer von seiner Größe ab. Die Standardbomben sind etwa zwischen 75 Kilo und zehn Zentner schwer (Anm. d. Red.: zehn Zentner entsprechen 500 Kilo).

Was passiert mit den Bomben, die vor Ort nicht entschärft und auch nicht gesprengt werden?

Die kommen in die zuständigen Sprengkommandos. In Bayern etwa gibt es drei davon – Süd, Mitte und Nord. Die Bomben werden dort zwischengelagert.

Dort wird in der Regel versucht, die Bomben zu entschärfen, oder sie werden delaboriert. Das heißt, die werden in der Mitte unter Sicherheitsmaßnahmen durchgeschnitten.

Danach wird der Sprengstoff vom Metallmantel getrennt, der Sprengstoff wird weiter verwertet, das Metall dem Schrott zugeführt.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Haben Sie hin und wieder auch Bedenken?
Nein, aber man sollte als Fachmann nie den Respekt vor der Munition verlieren – egal welcher Art. Der Laie sieht immer nur die Bomben.

Es gibt aber auch viele andere Arten von Fundmunition, zum Beispiel bestimmte Arten von Granaten – auch kleinkalibriger Art -, die für den einzelnen bei unsachgemäßer Handhabung tödliche Folgen haben. Für den Auffindenden ist das oft viel gefährlicher als eine Weltkriegsbombe.

Was sollte man beachten, wenn man entsprechende Munition findet?

Beim Auffinden von Munition jeglicher Art sollte man diese auf keinen Fall berühren, verlagern oder mitnehmen.

Man sollte sich die Fundstelle merken und die nächste Polizeistation über den Fund verständigen.

Diese stehen immer mit den hierfür zuständigen Sprengkommandos, also dem Kampfmittelräumdienst, in Verbindung.

Info: Dieter Neumann ist Feuerwerker mit Befähigungsschein gemäß §20 SprengG. Michael Beintner war von 1983 bis 1993 beim Sprengkommando in München im Einsatz bei der Kampfmittelsuche, -bergung, -transport und Vernichtung von Fundmunition. Er hat eine Ausbildung zum Berufstaucher in der Kampfmittelbergung mit über 2.000 Einsatzstunden unter Wasser. Seit 2003 ist er mit eigenem Unternehmen in der Kampfmittelbergung tätig.
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