Etwa 290 000 Frauen in Großbritannien könnten künftig vorbeugend ein Medikament gegen Brustkrebs nehmen. Zielgruppe für Anastrozol seien Frauen nach den Wechseljahren, bei denen ein mittleres oder hohes Brustkrebsrisiko angenommen wird, teilte der britische Gesundheitsdienst NHS in der Nacht zum Dienstag mit.
In Deutschland sei zwar noch kein Medikament zur Vorbeugung von Brustkrebs zugelassen, teilte das Deutsche Krebsforschungszentrum DKFZ auf Anfrage der dpa mit. Anastrozol und andere Mittel könnten in Ausnahmefällen jedoch zu diesem Zweck genutzt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) empfehle Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko in bestimmten Fällen und nach sorgfältigem Abwägen der Vor- und Nachteile eine vorbeugende medikamentöse Therapie. Zu den entsprechenden Medikamenten zählten Tamoxifen, Raloxifen sowie Aromatasehemmer wie das genannte Anastrozol (Stand März 2023).
Eine Behandlung erfolge dann als "zulassungsüberschreitende" Anwendung, die besonderen Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten des Arztes unterliege, so das DKFZ. Ein Anspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen bestehe dabei nicht. Unter Experten werde gerade kontrovers diskutiert, welche Frauen ein "erhöhtes" Brustkrebsrisiko haben und möglicherweise von einer solchen Präventionsbehandlung profitieren. Es gebe keine einheitliche Definition dafür. Tamoxifen könne zur Risikoreduktion vor und nach den Wechseljahren eingesetzt werden, Raloxifen und Aromatasehemmer nur nach den Wechseljahren. Alle drei senkten laut DKFZ in Präventionsstudien vor allem die Zahl der Neuerkrankungen von bestimmten hormonsensiblen Karzinomen (östrogenrezeptor-positive).
Nach Angaben des britischen NHS haben Tests gezeigt, dass Anastrozol die Zahl der Brustkrebsfälle über elf Jahre betrachtet um etwa die Hälfte senkt. Schätzungen zufolge könnten 2000 Erkrankungen vermieden werden, wenn ein Viertel der geeigneten Frauen das Angebot nutzt und wiederum die Hälfte davon das Mittel über die vorgeschlagene Zeit von fünf Jahren einnimmt, hieß es weiter.
Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass Anastrozol nicht nur zur Behandlung von Brustkrebs, sondern auch zur Vorbeugung gegen die Krankheit helfe. Der Schutzeffekt dauere auch nach dem Absetzen des Mittels noch Jahre an. "Es ist fantastisch, dass diese lebenswichtige Option zur Risikominderung nun Tausenden von Frauen und ihren Familien dabei helfen könnte, den Stress einer Brustkrebsdiagnose zu vermeiden", sagte NHS-Chefin Amanda Pritchard. Jährlich wird Brustkrebs bei etwa 47 000 Frauen in Großbritannien festgestellt.
Das Medikament soll als Tablette täglich über fünf Jahre eingenommen werden. Anastrozol wirkt dem NHS zufolge, indem es die Menge des Hormons Östrogen reduziert, das der Körper einer Patientin produziert, indem es ein Enzym namens Aromatase blockiert. Nebenwirkungen können demnach Hitzewallungen, Gelenkschmerzen, Arthritis, Hautausschlag, Übelkeit, Kopfschmerzen, Osteoporose und Depression sein.
Das DKFZ betont, dass die Effekte der medikamentösen Prävention denen einer gesunden Lebensführung gegenüberzustellen seien: Insbesondere durch regelmäßige Bewegung, Vermeiden von Übergewicht, Verzicht auf Alkohol und Rauchen sowie durch den Verzicht auf eine Östrogen/Progesteron-haltige Hormonersatztherapie in den Wechseljahren lasse sich das Brustkrebsrisiko signifikant und nebenwirkungsfrei senken. © dpa
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