Auch am dritten Tag nach seiner Flucht fehlt von Yves R. jede Spur. Der 31-Jährige hatte am Sonntagmorgen vier Polizisten entwaffnet und war danach in den Wald geflohen. Wir fassen zusammen, was bisher über den Fall bekannt ist – und was es mit einem aufgefundenen Manifest auf sich hat.
In Baden-Württemberg geht die Suche nach einem mutmaßlich schwer bewaffneten Verdächtigen mit Hochdruck weiter. Die Polizei war auch am Mittwoch mit einem Großaufgebot vor Ort, denn der bewaffnete 31-Jährige aus Oppenau im Schwarzwald bleibt weiter verschwunden.
Trotz einer mittlerweile dreitägigen Suche fehlt von Yves R. weiter jede Spur, wie die Polizei am Morgen mitteilte. R. hatte vier Polizisten entwaffnet und ist seit der Tat am Sonntagmorgen wie vom Erdboden verschluckt.
Wir fassen zusammen, was bisher über den Fall bekannt ist – und was noch offen ist.
"Schwarzwald-Rambo": Wer ist Yves R:?
Der seit Tagen gesuchte Mann ist deutscher Staatsbürger und nach Angaben der Ermittler ein "Waffennarr". Der Gesuchte war nach den Worten von Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer aber nie in einem Schützenverein, trotz seiner "großen Affinität zu Waffen".
R: soll sich in seiner letzten festen Wohnung heimlich einen Schießstand eingerichtet haben, wie sein damaliger Vermieter der Nachrichtenagentur AFP sagte. In dieser Zeit habe der Flüchtige noch bei der Bahn in Offenburg gearbeitet. Waffen habe er bei dem Flüchtigen nicht gesehen, sagte der Vermieter weiter – außer Pfeil und Bogen, was er für ein Sportgerät gehalten habe.
Der 31-Jährige sei "extrem auffällig gekleidet", sagte der Vermieter weiter. Der Mann habe selbst im Sommer einen schwarzen Mantel und andere auffällige schwarze Kleidung getragen.
Wie mehrere Medien berichten, könnte Yves Rausch zudem der Gothic-Szene angehört haben.
In der Öffentlichkeitsfahndung beschreibt die Polizei ihn wie folgt:
- Brillenträger
- etwa 1,70 Meter groß
- Glatze
- Kinnbart
- Oberbekleidung in Tarnfleckmuster (Camouflage)
Einen Beruf habe R: erlernt, sei aber zuletzt arbeitslos gewesen. Er sei in der Schwarzwald-Gemeinde bekannt und erscheine als etwas "seltsame Person".
Nachdem der Mann über mindestens zehn Monate mit der Miete im Rückstand gewesen sei, habe der Vermieter die Wohnung Ende vergangenen Jahres zwangsräumen lassen. Bei dem Versuch, die Mietforderungen einzutreiben, habe sich dann herausgestellt, dass der Mann nicht mehr in Oppenau gemeldet gewesen sei, berichtete der Vermieter. R. war seitdem ohne festen Wohnsitz. Der 31-Jährige sehe sich als "Waldläufer", der gut allein in der Natur zurechtkomme.
Ist R. vorbestraft?
Bereits 2010 sei ihm untersagt worden, Waffen und Munition zu besitzen. Den Ermittlungen zufolge geriet er schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt – unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. 2010 war er zudem zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren wegen versuchten Totschlags verurteilt worden.
Er hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Pforzheim im Jahr zuvor mit einer Sportarmbrust auf eine ehemalige Partnerin geschossen und diese schwer verletzt.
Warum suchte die Polizei R. auf und wie konnte er vier Polizisten entwaffnen?
R. war am Sonntag in einer Hütte, in die er eingebrochen war, von der Polizei kontrolliert worden. In der Gartenhütte habe er sich ohne Erlaubnis häuslich eingerichtet – daher habe der Besitzer die Polizei gerufen.
Als die eingetroffenen Beamten ihn kontrollierten, habe der 31-Jährige hinter einem Tisch gesessen und einen entspannten Eindruck gemacht. Erst als die Polizisten ihn aufforderten, die Hütte zu verlassen und ihn durchsuchen wollten, habe der Mann plötzlich eine Schusswaffe gezogen und diese auf einen der Beamten gerichtet. Er forderte die Einsatzkräfte auf, ihre Waffen auf den Boden zu legen. Dann habe der 31-Jährige die Waffen an sich genommen und sei in den Wald geflohen.
Nach ihm wird seitdem mit nationalem und europäischem Haftbefehl gesucht – wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung. Das Strafmaß für eine solche Tat liegt zwischen fünf und 15 Jahren Haft. In der Hütte befanden sich ein Bogen und Pfeile sowie Munition.
Besteht ein politischer Hintergrund?
Oberstaatsanwalt Schäfer sagte, dass R. keinen rechtsradikalen Hintergrund habe. Allerdings berichten die "Stuttgarter Nachrichten" unter Berufung auf den Staatsschutz, dass der 31-Jährige einem rechtsextremen Umfeld zugeordnet wird. Demnach wurde er 2004 wegen Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole zu einer hohen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.
Was hat es mit einem gefundenen Manifest auf sich?
Die Polizei prüft derzeit ein mögliches Manifest. Es sei nicht gesichert, dass der Text tatsächlich von dem 31-Jährigen stamme, sagte Polizeisprecher Yannik Hilger am Mittwoch. Medienberichten zufolge war der Text in einem Lokal in Oppenau hinterlegt worden.
Der Text bestätige in erster Linie die Affinität des Verfassers zum Wald, sagte Hilger. Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, das Dokument sei zwei Seiten lang und trage den Titel "Der Ruf der Wildnis". Darin beklage der Mann die Ausbeutung der Menschen in armen Ländern und die Zerstörung von Lebensräumen. In dem Schreiben gehe es auch um Kritik an der Technisierung des Lebens und das einfache Leben im Wald.
Oppenau: Warum ist Yves R. so schwer zu fassen?
Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der Gesuchte noch in der Region Oppenau aufhält. "Er lebt im Wald, er fühlt sich hier sicher", sagte Polizeipräsident Reinhard Renter. "Der Wald ist schlicht sein Wohnzimmer."
Es werde weitere Durchsuchungen und verdeckte Maßnahmen geben, um den 31-Jährigen zu finden. Die Polizei richtet sich jedoch auf eine längere Suche ein. Renter betonte: "Wir haben einen langen Atem." Aktuell seien etwa 200 Polizisten im Einsatz. Am Montag hätten sogar bis zu 440 Beamte, darunter Spezialkräfte, das unwegsame und steile Waldgelände im Ortenaukreis durchsucht und das Städtchen Oppenau gesichert. Die Suche sei aber wegen des großen, unübersichtlichen und steilen Geländes schwierig.
Die Polizei setze nun darauf, das weitere Verhalten des Täters aufgrund von Zeugenaussagen zu analysieren und die Bevölkerung der Ortschaft Oppenau zu schützen. Die Ermittler setzten bei ihrer Suche bislang insgesamt 1500 Beamte der Landespolizei, des Spezialeinsatzkommandos SEK und der Bundespolizei ein.
Wie wird gerade nach dem Flüchtigen gefahndet?
Viele Maßnahmen liefen jetzt im Hintergrund ab, sagte Polizeisprecher Hilger. In Oppenau seien Präventionsteams der Polizei unterwegs, um die Menschen zu beraten. Die Beamten kontrollierten weiterhin das Gebiet, in dem sich der Mann aufhalten könnte. Auch Spezialkräfte seien im Einsatz.
Was ist bisher nicht klar?
Das Motiv ist weiter unbekannt. "Wir wissen nicht, was den Schuldigen bewogen hat, so zu handeln", sagte Oberstaatsanwalt Schäfer. Unklar ist auch, welche Gefahr für die Allgemeinheit von dem Mann tatsächlich ausgeht.
Ein Polizeisprecher sagte NTV bereits am Montag, es sei davon auszugehen, dass von R. "eine große Gefahr" ausgehe. Zuvor hatten die Beamten erklärt, sie wüssten nicht, ob er in einer "psychischen Ausnahmesituation" sei. (dpa/afp/mf)
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Eindruck erweckt, dass Yves Rausch der Gothic-Szene angehört, weil er vorzugsweise schwarze Kleidung trägt. Richtig ist, dass diese Information nicht gesichert ist und dass die Wahl der Kleidung nicht automatisch auf ein spezielles Umfeld schließen lässt.
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