Nach dem mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff auf eine Synagoge in Halle üben die jüdische Gemeinde der Stadt sowie der Zentralrat der Juden Kritik an mangelndem Polizeischutz. Der Nazi-Jäger Efraim Zuroff widerspricht.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle an der Saale schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös", sagte Schuster. "Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt."
Nur glückliche Umstände hätten ein Massaker verhindert, sagte Schuster weiter. "Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock."
Vor Synagoge in Halle "gibt es nie Polizeikontrollen"
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, hat ebenfalls fehlenden Polizeischutz beklagt. "Bei uns gibt es nie Polizeikontrollen", sagte er. Nicht einmal bei der Chanukka-Feier, dem Jüdischen Lichterfest, mit mehreren hundert Menschen gebe es Polizei, "obwohl ich bitte, dass sie kommen". Anders als beispielsweise in Berlin und München sei die Polizei nicht vor der Synagoge präsent.
Zu der Frage, warum es an der Synagoge am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur keinen Polizeischutz gab, sagte Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand, dies sei "Aufgabe der Polizei". Er könne dies "nicht beurteilen" und wolle sich dazu nicht äußern. Die entsprechende Diskussion sei nun "von Seiten der Polizei" zu führen.
Auch der sachsen-anhaltinische CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Bernstiel hält einen besseren Schutz jüdischer Einrichtungen für unumgänglich. Halle habe "bislang als sicherer Hafen" für alle Religionen gegolten, sagte er im "Südwestrundfunk". Das habe sich nun für immer geändert. In Zukunft werde die jüdische Gemeinde nicht mehr ohne Polizeischutz sein können. Bernstiels Wahlkreis liegt in Halle, der Politiker sitzt auch im Stadtrat der Stadt in Sachsen-Anhalt.
Nazi-Jäger Zuroff: "Kann Deutschland keine Vorwürfe machen"
Der israelische Nazi-Jäger und Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, widerspricht der Darstellung, dass deutsche Behörden zu wenig für die Sicherheit jüdischer Gemeinden unternähmen. "Man kann Deutschland keine Vorwürfe machen, dass es keinen Schutz bietet. Jede einzelne Synagoge in Deutschland hat Polizeischutz."
Zuroff fordert eine umfassendere Bildung zu Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. "Es gibt die Bildung, aber nicht überall in gleichem Maße und tief genug, so wie es sein müsste." Es gebe Unterschiede zwischen Ost und West, außerdem hänge es von jedem einzelnen Lehrer sowie der Schulleitung ab, wie mit dem Themenkomplex umgegangen wird.
Bildung sei die langfristige Lösung im Kampf gegen Antisemitismus. "Die kurzfristigen Lösungen sind Sicherheit und soziale Netzwerke." Weltweit würden Plattformen Posts nicht genug kontrollieren. Deswegen habe der mutmaßliche Angreifer von Halle seine Taten komplett filmen und im Netz zeigen können. "Das ist absolut wahnsinnig", sagte Zuroff. In dem Moment, in dem ein solches Video aufkomme, müssten die Netzwerke sofort reagieren.
Zuroff bezog sich auf ein Bekennervideo, das der mutmaßliche Täter in sozialen Netzwerken hochgeladen haben soll. Bis zum Morgen gab es aber keine Bestätigung der Behörden dafür, dass es sich bei dem Mann im Video um den Attentäter handelt. (jwo/dpa/afp) © dpa
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