Ein 14-Jähriger erschießt einen Gleichaltrigen hinterrücks. Viele Fragen bleiben nach der grausamen Tat offen. Jetzt beginnt der Prozess gegen den Jugendlichen.
Knapp acht Monate nach dem gewaltsamen Tod eines 14-Jährigen im fränkischen Lohr am Main beginnt am Freitag vor dem Landgericht Würzburg der Prozess gegen einen Gleichaltrigen. Auch wenn das Verfahren aufgrund des Alters des Angeklagten hinter verschlossenen Türen stattfindet, hofft der katholische Stadtpfarrer von Lohr, dass einige Informationen aus dem Prozess nach außen dringen werden. Dies könne helfen, "Gerüchten und Falschinformationen Einhalt zu gebieten", sagte Sven Johannsen der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Mord an 14-Jährigen: Menschen aus Lohr wollen Antworten
"Es muss nicht jede Neugierde befriedigt werden. Manches geht uns auch gar nichts an, so zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis zwischen Opfer und Täter." Aber einige Informationen etwa zur Tatzeit und der Herkunft der Waffe halte er für durchaus hilfreich, "damit die Tat nicht von Menschen zu fantasiereich ausgeschmückt wird, die eigentlich gar nichts wissen können", sagte der Pfarrer.
Johannsen hat nach eigenen Angaben gelegentlich Kontakt zur Familie des Opfers und leitete auch den Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Michael wenige Tage nach dem Tod des 14-Jährigen.
Am 8. September 2023 soll der Angeklagte den Jugendlichen auf einem Schulgelände der Kleinstadt im Landkreis Main-Spessart mit einem Kopfschuss heimtückisch von hinten getötet haben. Das Motiv ist unbekannt. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Verdächtige aus reiner Mordlust handelte und den amerikanischen Serienmörder Jeffrey Dahmer verehrt.
Der Serienmörder aus den USA verübte eine der grausigsten Mordserien der USA. Über ihn gibt es auch eine Netflix-Serie. Dahmer zerstückelte seine mindestens 17 männlichen Opfer zwischen 1978 und 1991 und aß Leichenteile.
Mutmaßlicher Täter verehrte US-Serienmörder
Der Verdächtige schweigt seit seiner Festnahme zu den Vorwürfen. Den Ermittlern zufolge soll der junge Mann vom Mörder Dahmer, "Kannibale von Milwaukee" genannt, fasziniert gewesen sein. "Er hat sich wohl von Freunden mit dessen Namen bezeichnen lassen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Tatwaffe, eine 9-Millimeter-Pistole, gehörte legal einem Nachbarn des Angeklagten. Dieser verfügte laut Polizei über sämtliche Erlaubnisse. Zudem habe er seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt.
Wie der Schüler an die Pistole kam, ist öffentlich nicht bekannt. Der Waffenbesitzer konnte nach der Tat nicht befragt werden, weil er im Krankenhaus lag. Er starb wenige Wochen nach dem Verbrechen. Der 66-Jährige soll den jungen Mann aber gekannt haben.
Schwere Verbrechen von Minderjährigen
- Bundesweit haben in den vergangenen Monaten mehrere Gewaltverbrechen von Teenagern aufgeschreckt. Die Zahl der 14- bis 18-jährigen Verdächtigen stieg bundesweit 2022 innerhalb eines Jahres laut Polizeilicher Kriminalstatistik um 22,1 Prozent auf gut 189.000.
- Zwar lebten 2022 – unter anderem wegen der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine – mehr Minderjährige in Deutschland als im Jahr zuvor. Doch das allein erklärt den Trend nicht.
- Mit dem Anstieg um 22,1 Prozent auf genau 189.149 verdächtige Jugendliche wurde das Niveau des noch stark von Corona geprägten Vorjahres deutlich überschritten. Die Zahl lag auch um fast 12.100 Verdächtige höher als im Jahr 2019 (177.082).
Politik sucht nach Antworten
Nach Worten des Stadtpfarrers ist es für die Familie des Opfers wichtig, dass der Tod ihres Angehörigen juristisch aufgearbeitet wird. Ferner gebe es in Lohr Menschen, "welche immer noch mit so einem Akt der Gewalt ringen und nach Antworten suchen, wie so etwas geschehen konnte".
Zugleich habe sich die örtliche Politik des Auftrags angenommen, nachzufragen, wie das Leben für Jugendliche in der Stadt attraktiver werden kann. "Ich befürchte aber, dass wir da in einem Dilemma stecken", sagte Johannsen. "Vereine, Chöre, Kapellen, Pfarreien und Stadt bieten ja Möglichkeiten zum Engagement, aber nicht jeder Jugendliche möchte diese nutzen. Ich sehe die größte Herausforderung in der Gruppe von jungen Menschen, die durch keine Angebote angesprochen werden. Das ist sicher nicht nur ein Lohrer Problem."
Für das Verfahren vor dem Landgericht Würzburg sind bis zum 9. August 17 Verhandlungstage terminiert. Für Jugendliche beträgt bei Mord das Höchstmaß der Jugendstrafe zehn Jahre. Sicherungsverwahrung ist nach Gerichtsangaben unter engen Voraussetzungen möglich. Eine Gerichtssprecherin will die Öffentlichkeit im Verlauf des Prozesses über einige Inhalte informieren, etwa ob der Angeklagte die Tat einräumt. (dpa/the)
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