- Die Flutkatastrophe vom Juli hat allein in Nordrhein-Westfalen 49 Menschen das Leben gekostet.
- Mit einem Untersuchungsausschuss sollen mögliche Versäumnisse untersucht werden.
- Wetterexperte Kachelmann und eine Professorin machten deutlich: Es gab frühe Warnsignale.
Schon Tage vor der Flutkatastrophe zeichnete sich nach Einschätzung des Wetterexperten
Die Wettermodelle hätten bereits an jenem Montag die große Gefahr einer Extremwetterlage mit sehr großen Regenmengen bestätigt, nachdem sie am Sonntag eindeutige Hinweise auf eine Extremwetterlage durch Stark- und Dauerregen in NRW geliefert hätten. Kachelmann schilderte die außergewöhnliche Wetterkonstellation im Juli: dass feuchte Luftmassen von Nordosten statt von Westen gegen die Eifel gedrückt worden seien, dass ein sehr großflächiges Gebiet unter Starkregen gestanden habe, dass der Boden nicht mehr aufnahmefähig gewesen sei.
"Die Informationen waren alle da", betonte Kachelmann. Warum seien die Menschen von den Behörden nicht darüber informiert worden, dass etwas komme, was man noch nicht gesehen habe?, fragte er mit Blick auf die Ereignisse am 13. und 14. Juli, als Rekord-Regenmengen zu Hochwasser und Überflutungen führten und 49 Menschen starben. Es hätte Evakuierungen geben können. "Wir haben immer genug Zeit." Bei einer Wiederholung der Ereignisse müsse kein Mensch ums Leben kommen.
"Das ist die gute Nachricht, wenn es eine gute Nachricht gibt: Sie können das verhindern", sagte Kachelmann zu den Landtagsabgeordneten. Bei einer Extremwetterlage dürfe keiner schlafen gehen.
Kachelmann warnte vor dem Hochwasser
Als Kachelmann am Ende auf die mögliche Kostenerstattung für seinen Aufwand zur Zeugenbefragung hingewiesen wurde, erklärte er, das Geld solle lieber einem Opferfonds gespendet werden.
Der Wetterexperte hatte am 13. Juli mittags per Tweet gewarnt, es werde "womöglich Zeit, Menschen allmählich behördlicherseits und medial auf ein Hochwasser-Szenario vorzubereiten". In der folgenden Nacht kam es dann zu den ersten Überschwemmungen.
Einige Tage vor der Flutkatastrophe hatte nach Angaben der britischen Expertin Hannah Cloke das europäische Hochwasser-Warnsystem EFAS einen ersten Hinweis auf ein mögliches Extremereignis im Rheinland gegeben. Am 10. Juli 2021 habe EFAS ein Hochwasser, das einmal in 20 Jahren auftritt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 22 Prozent für das Rheinbecken prognostiziert, sagte die Hydrologie-Professorin.
Diese Information sei zwar noch unsicher gewesen, aber man sollte in einem solchen Fall besonders aufmerksam sein, erläuterte sie. Das sei der Zeitpunkt, an dem national zuständige Behörden einige Informationen zusätzlich anschauen, um ein klareres Bild der Lage zu bekommen. Sie habe keine Hinweise, wie die von EFAS zur Verfügung gestellten Informationen von den entsprechenden nationalen und lokalen Stellen letztlich verwendet worden seien. EFAS-Partner erhielten Warnungen. Diese könnten dann selbstständig auf das Webportal des Warnsystems zugreifen und dort weiterarbeiten.
Versagen der Landesregierung?
"Wenn so viele Menschen sterben, müssen wir zugeben, dass das System insgesamt versagt hat", bekräftigte die Expertin ihre bereits geäußerte Kritik. Sie betonte, dass sich diese Kritik nicht auf bestimmte Bereiche des Systems in Nordrhein-Westfalen beziehe. Sie habe keine Untersuchungen angestellt, wie die einzelnen Teile im Zuge der Flutkatastrophe von Juli funktionierten.
Der Untersuchungsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen war mit den Stimmen der Oppositionsabgeordneten von SPD und Grünen zustande gekommen. Das Gremium soll mögliche Versäumnisse, Unterlassungen oder Fehleinschätzungen der CDU/FDP-Landesregierung und nachgeordneter Behörden in Zusammenhang mit dem verheerenden Hochwasser von Mitte Juli mit 49 Toten in NRW untersuchen. Im Frühjahr 2022 soll dem Landtag ein öffentlicher Bericht über die bis dahin vorliegenden Erkenntnisse vorgelegt werden. Im Mai 2022 sind Landtagswahlen. (mss/dpa)
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