Der Ökonom Marcel Fratzscher hat den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis für die US-Forscherin Claudia Goldin als Weckruf für Deutschland in Sachen Chancengleichheit bezeichnet. Die Wahl von Goldin als Wirtschaftsnobelpreisträgerin sei "exzellent und auch überraschend", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Claudia Goldin hat mit ihrer Forschung viele Leerstellen gefüllt, insbesondere in der Forschung zur Ungleichheit zwischen Männern und Frauen."

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"Dieser Preis für Claudia Goldin sollte ein Weckruf für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland für mehr Chancengleichheit sein", mahnte Fratzscher. In kaum einem vergleichbaren Land sei die Lohnlücke zwischen Mann und Frau mit im Schnitt 18 Prozent so groß wie in Deutschland. Aber auch andere Unterschiede seien hierzulande ungewöhnlich groß: "Bei den Arbeitsstunden, den Karrierechancen, der sozialen Absicherung und bei der für Pflege und Familie aufgebrachten Zeit klaffen in Deutschland große Lücken zwischen Männern und Frauen, die nur langsam kleiner werden."

Die Gleichstellung von Mann und Frau sei heute das größte nicht ausgeschöpfte wirtschaftliche Potenzial für Deutschland, monierte Fratzscher. Fast die Hälfte aller Frauen arbeite in Teilzeit. Viele würden gerne mehr und besser arbeiten können, wenn ihnen die vielen Hindernisse genommen würden - etwa eine mangelnde Betreuung in Kitas und Schulen oder eine steuerliche Schlechterstellung.

"Der deutsche Staat kann und muss endlich diese Hürden adressieren, allen voran durch längst überfällige Reformen des Ehegattensplittings und der Mitversicherung, der Minijobs, in der Pflege und durch mehr Transparenz und Vereinbarkeit auf dem Arbeitsmarkt", forderte Fratzscher.  © dpa

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