"Notfall Psyche – Gefahr auch für die Mitmenschen?" - So lautete der Titel der Talkshow "Hart aber fair" am Montagabend. Das Thema? Natürlich der Flugzeugabsturz des Germanwings-Airbus. Insbesondere wurde dabei die Frage diskutiert, welches Risiko von schwer psychisch Erkrankten ausgeht. Frank Plasbergs Gäste lieferten dabei einige interessante Thesen und Antworten. Allen voran ein bereits prominenter Psychiater.

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Florian Holsboer ist Professor für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und seit mehr als 25 Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in der bayerischen Landeshauptstadt. Mit psychischen Erkrankungen, die in den Fokus des öffentlichen Interesses geraten, ist er bestens vertraut. Holsboer behandelte unter anderem den zurückgetretenen Fußballstar Sebastian Deisler wegen dessen Depression.

Ein Mann vom Fach also - mehr noch, eine absolute Koryphäe auf diesem schwierigen Gebiet. Deshalb dürfte eine Aussage Holsboers in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" am Montagabend für Aufsehen sorgen. Das Thema der Sendung war der Flugzeugabsturz des Germanwings-Airbus in Frankreich und dabei im Detail die im Raum stehende psychische Erkrankung des mutmaßlichen Täters Andreas Lubitz, dem Co-Piloten der Maschine. Holsboer ist der Meinung, "ein Mensch mit einer Depression" begehe "solche Taten nicht". Obwohl es natürlich nur Spekulation sei, vermutet der Fachmann eher eine "sehr starke Persönlichkeitsstörung" bei Lubitz. Welthass und Frustrationsintoleranz seien Stichworte, die man im Zusammenhang mit dem wahrscheinlichen Selbstmord in Verbindung bringen könne. Lubitz habe möglicherweise "krankhafterweise die Realität fehlbeurteilt" habe die Tat "im Wahn" begangen.

Doch auch andere von Moderator Frank Plasbergs Gästen hatten deutliche Meinungen zum Thema. So bezweifelte Raphael Diepgen, Luftfahrtpsychologen an der Ruhr-Universität Bochum, den Nutzen häufigerer Gesundheitschecks für Piloten. Sie würden lediglich dazu führen, dass psychische Erkrankungen weiter verheimlicht werden. Bereits jetzt vertraue sich Flugpersonal nur "selektiv" Medizinern an, aus Angst, den Pilotenschein aufs Spiel zu setzen: "Die Prüfungen sind so existenzbedrohend, dass kaum ein Pilot geneigt ist, sich dort zu offenbaren." Diepgens Fazit: "Es bleiben Restrisiken, die man nicht in den Griff bekommt." In die gleiche Kerbe schlug Holsboer. Bei stärkeren Kontrollen und einer gelockerten Schweigepflicht würden umso mehr Piloten unbehandelt fliegen. Und er selbst fliege natürlich lieber mit behandelten Piloten.

Zum Stichwort "erweiterter Suizid", das in den vergangenen Tagen immer wieder durch die Medien geisterte, erklärte der Psychiater, dass es mitunter vorkomme, dass depressive Menschen diese Art von Selbstmord begingen, also auch andere dabei töten. Doch träfe es meistens enge Angehörige, nicht fremde Menschen wie im Fall des Flugzeugabsturzes. Daher ist auch Holsboers Schluss, der Fall Lubitz habe "nichts mit einem erweiterten Suizid zu tun".

Wesentlich defensiver als alle anderen Gäste äußerte sich Rita Süssmuth, ehemalige Gesundheitsministerin und Bundestagspräsidentin. Insgesamt halte sie die Diskussion um Lubitz für verfrüht: "Ich weigere mich, von Verbrechen zu sprechen, solange ich noch gar nichts weiß."

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Nummer: 0800 111 0 111.
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