Der Anschlag auf den BVB-Bus vor dem Viertelfinalspiel der Champions League gegen den AS Monaco hat viele Menschen erschüttert. Michael S., seit Jahrzehnten Fan von Borussia Dortmund, war im BVB-Stadion, als er von den Explosionen erfuhr. Im Interview berichtet er über seine Eindrücke und Emotionen vom Dienstagabend. Eine bestimmte Entscheidung der UEFA versetzt ihn in Rage.

Ein Interview

Herr S., wann haben Sie von den Explosionen erfahren?

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Michael S.: Ich war gestern mit zwei Freunden gegen 19:25 Uhr im Stadion. 20 Minuten später sind wir über unsere Smartphones ins Internet gegangen, weil zu diesem Zeitpunkt immer die Aufstellungen veröffentlicht werden.

Dann kamen allerdings keine Aufstellungen, stattdessen gab es zwei, drei Minuten später erste Informationen, dass es offenbar Explosionen am Mannschaftsbus gab.

Was waren Ihre ersten Gedanken?

Als die ersten Informationen kamen, sind wir zunächst davon ausgegangen, dass es wohl eher Böller mit stärkerer Sprengkraft als richtige Sprengsätze sind, die am Mannschaftsbus detonierten.

Wir sind nicht von einem terroristischen Hintergrund ausgegangen, da wir der Überzeugung waren, dass in diesem Falle deutlich mehr passiert wäre und es vermutlich mehr und schwerer Verletzte oder sogar Tote gegeben hätte.

Wie haben Sie sich über die aktuelle Lage informiert?

Unser Stadionsprecher Norbert Dickel hat zwar immer wieder neue Informationen bekannt gegeben, aber die meisten Infos haben wir uns über unsere Handys besorgt.

Im Dortmunder Stadion gibt es WLAN - so konnten wir trotz teilweise überlasteter Netze ins Internet gehen und nach Informationen schauen.

Zunächst hatten wir nur die Info, dass etwas am Mannschaftsbus vorgefallen ist und dass es dabei eine verletzte Person gab. Fünf Minuten später kamen die ersten Gerüchte auf, dass es sich dabei um Marc Bartra handelt.

Zu diesem Zeitpunkt war meinen Freunden und mir bereits klar, dass das Spiel ausfallen wird. Einerseits aufgrund des Schocks, den die Spieler erlitten haben, andererseits durch die Verletzung von Bartra, der wohl in der Startelf gestanden hätte.

Fußballspiele gelten leider heutzutage als Terrorziel - machen Sie sich Gedanken um Ihre Sicherheit im Stadion?

Ich stehe zwar nicht im Stadion und denke die ganze Zeit darüber nach, dass jemand hereinstürmen könnte, um sich selbst und andere Menschen in den Tod zu reißen.

Aber man ist sich schon bewusst, dass Fußballstadien ein wirksames Ziel für solche Terroranschläge abgeben würden. Das hält einen aber nicht davon ab, ins Stadion zu gehen.

Können Sie sich nach den Erlebnissen von gestern überhaupt noch auf das Spiel heute Abend freuen?

Das Sportliche ist bei mir aktuell in den Hintergrund gerückt. Ich hatte gestern extrem viel Vorfreude auf das Spiel, so viel wie schon lange nicht mehr.

Ich habe viel von der Partie erwartet, zumal ein Champions-League-Viertelfinale für Borussia Dortmund eine große Sache ist.

Heute Abend gehe ich mit einem sehr mulmigen Gefühl ins Stadion. Dennoch gehe ich auf jeden Fall zum Spiel, denn ich will mir von solchen Extremisten nicht das Leben vorschreiben lassen.

Wie glauben Sie wird die Stimmung im Stadion heute Abend sein?

Ich denke schon, dass die stark gedämpft sein wird. Es war eine Choreographie vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass die heute abgebaut werden wird, um nicht so weiterzumachen wie üblich.

Als vor einem Jahr zwei Fans im Stadion einen Herzinfarkt erlitten, einer deshalb sogar verstarb, wurden auch die Gesänge eingestellt und Fahnen eingerollt, um Mitgefühl auszudrücken.

Glücklicherweise ist gestern niemand verstorben, aber mit Marc Bartra wurde jemand verletzt, der operiert werden musste - daher glaube ich, dass die Fans heute nicht so weitermachen wie sonst.

Ist es Ihrer Ansicht nach die richtige Entscheidung, das Spiel heute anzupfeifen?

Nein, ich finde diese Entscheidung falsch! Als gestern im Stadion veröffentlicht wurde, dass das Spiel bereits heute um 18:45 Uhr stattfindet, haben sehr viele Fans gepfiffen.

Meine Freunde und ich finden das auch unmöglich. Nicht einmal 24 Stunden nach solch einem Vorfall einer Mannschaft zuzumuten, ein Viertelfinalspiel der Champions League, das für einige Spieler das bislang größte Spiel ihrer Karriere ist, absolvieren zu müssen, geht einfach nicht.

Viele der BVB-Profis sind noch sehr jung, haben bei weitem noch nicht die Lebenserfahrung, so etwas ansatzweise wegzustecken. Ob die Spieler Profis sind oder nicht, ist egal - sie sind letztlich Menschen. Es ist unmöglich, den Spielern so etwas zuzumuten!

Unabhängig davon finde ich auch die Uhrzeit der Ansetzung völlig daneben. Dass die UEFA selbst in solch einer Ausnahmesituation in erster Linie ihre finanziellen Interessen im Sinn hat und bereits um 18:45 Uhr anpfeifen lässt, nur damit neben dem FC Bayern kein zweites deutsches Team zur selben Zeit spielt, ist einfach ein Unding. Viele Zuschauer leiden darunter, weil sie bis dahin noch arbeiten müssen und deswegen nicht ins Stadion gehen können.

Die UEFA sollte in diesem Fall an das Wohl der Spieler und der Fans denken und die Partie heute erst gar nicht anpfeifen. Lieber hätten sie das Spiel für den kommenden Samstagabend ansetzen und stattdessen die Liga-Spiele des BVB und Monaco verschieben sollen.

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