Corona hat die Welt verändert, in der wir leben. Das Virus hat einen enormen Einfluss auf unseren Alltag genommen – privat und beruflich. So schnell und weitreichend hat wohl noch keine Krise in den vergangenen Jahren unser Leben verändert. Auch das Konsumverhalten hat sich gewandelt. Diese Entwicklung wird auch künftig noch weitergehen, sagen Zukunftsforscher.

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Wer hätte gedacht, dass in Zeiten von Corona der Einkauf im Supermarkt unser Highlight des Tages werden könnte? Dinge, die wir nie für möglich gehalten haben, sind durch das Virus Realität geworden: "Wir konnten plötzlich nicht mehr überall da einkaufen, wo wir wollten. Und das kennen wir als Kunden nicht mehr. Wir sind ständige Verfügbarkeit an jedem Ort gewöhnt. Das war eine enorme Umstellung für uns alle", erklärt Theresa Schleicher im Gespräch mit unserer Redaktion. Seit mehr als elf Jahren arbeitet Schleicher am Zukunftsinstitut und beschäftigt sich dort mit den Entwicklungen im Handel und arbeitet an Zukunftsmodellen.

Lebensmittelläden waren zu Beginn des Lockdowns unsere einzige Anlaufstelle im stationären Handel. "Viele Händler haben sich in dieser Branche verantwortungsbewusst gezeigt. Das hat uns als Konsumenten Vertrauen und Beständigkeit vermittelt. Deshalb zählt die Lebensmittelbranche bislang zu den Gewinnern dieser Krise", erklärt die Forscherin.

Achtsameres Konsumverhalten entwickelt sich

Aber auch in unseren Köpfen hat sich vieles getan. Aus ständigem Konsum und Hamsterkäufen wurde an vielen Stellen achtsamerer Konsum. "Die Menschen haben sich Gedanken darüber gemacht, was sie wirklich brauchen und was nicht. Viele Anschaffungen werden überdacht. Das wird der Handel auch noch nach der Krise zu spüren bekommen."

Einen unfassbaren Boom habe laut Schleicher natürlich auch der Onlinehandel erfahren – auch im Lebensmittelbereich, in dem es in den vergangenen Jahren eher schleppend voranging. "Kleinere und mittelgroße Unternehmen bemühen sich derzeit ebenfalls, im Onlinehandel Fuß zu fassen."

Aber was heißt das alles für die Zukunft, für eine Zeit nach Corona? Werden wir alle nur noch online einkaufen?

Einkaufen: Offline versus Online

Wenn wir über Zukunft sprechen, neigen wir laut Schleicher dazu, immer über Digitalisierungsthemen zu reden. Aber zu jedem Trend gehöre auch ein Gegentrend. "Je mehr sich unser Leben digitalisiert, umso mehr sehnen wir uns nach stationären Anlaufstellen und nach Händlern, zu denen wir eine Bindung aufbauen können. Das kann keine digitale Plattform leisten."

Das gute, alte Ladengeschäft habe also noch lange nicht ausgedient. "Es müssen lediglich neue Einkaufserlebnisse entstehen und der Grundstein wurde bei vielen Unternehmen in der Zeit von Corona schon gelegt", sagt Schleicher.

Dass wir in Zukunft wieder komplett in alte Verhaltensmuster zurückfallen, glaubt sie nicht: "Es wird mindestens in den nächsten anderthalb Jahren so bleiben, wie es ist. Wir haben uns viele Dinge bewusstgemacht und sind dann auch erstmal in der Lage, diese Verhaltensmuster aufrechtzuerhalten."

Zumal die Krise viele Prozesse nicht neu erfunden, sondern lediglich beschleunigt habe. "Konnektivität war schon Trend – genau wie Nachhaltigkeit. Beides hat mit Corona eine neue Dynamik bekommen."

Kooperationen und Bindungen werden wichtiger

Auch, dass sich der Handel neu erfinden muss, predigen Experten bereits seit Jahren. Jetzt ist das zwangsläufig passiert, in der Not wurden neue Ideen geboren: "Wir haben uns darauf besonnen, uns gegenseitig zu helfen. Nicht nur in der Nachbarschaft, sondern auch dabei, den kleinen Einzelhändler oder das Restaurant von nebenan zu unterstützen."

Dabei seien starke Bindungen entstanden. "Auch zwischen den Händlern haben sich Kooperationen ergeben, die in der Zukunft noch stärker wachsen können." Die Vorstellung, dass wir nach der Krise nur noch lokal und nachhaltig einkaufen werden, hält Schleicher dennoch für utopisch.

"Was die Krise vor allem gezeigt hat, ist, dass die Zukunft von den Menschen selbst gestaltet wird. Es hat sich gezeigt, dass die Verantwortung, etwas zu ändern, bei jedem einzelnen von uns liegt. Egal, ob Konsument oder Händler."

So kaufen wir in ein paar Jahren ein

Wagen wir also einen Blick in die Zukunft. Wie könnte das Einkaufen in fünf Jahren aussehen? Eine schwierige Prognose - denn es gibt immer wieder gesellschaftliche Schwingungen, die unser Verhalten beeinflussen.

"Was man sagen kann, ist, dass der Trend zur Urbanisierung wohl weitergehen wird. Wir werden noch situativer und punktueller, also auch spontaner einkaufen", sagt die Expertin. "Das klassische Einkaufen zum Beispiel am Samstagnachmittag wird durch viele Einkaufsmomente unter der Woche ersetzt. Wir sind mobil, ständig unterwegs und kaufen unsere Dinge gerne auf dem Weg." Deshalb müssten Händler an Knotenpunkten präsent sein. "Wir nennen das Instant-Shopping."

Corona hat für das Einkaufen der Zukunft also irgendwie eine Katalysator-Funktion. Viele Dinge sind schneller gewachsen und neue Ideen entstanden, weil sie in der Krise notwendig waren.

Was davon Zukunftspotenzial hat und was nicht, wird sich jetzt zeigen. "2025 wird sicherlich ein interessanter Zeitpunkt sein. In fünf Jahren haben wir eher ein 'neues Normal' als nächstes Jahr. Auf den Handel wartet also eine spannende Zeit. Die Weichen werden jetzt gestellt."

Über die Expertin: Theresa Schleicher ist seit mehr als elf Jahren im Zukunftsinstitut tätig. Sie berät Unternehmen und Händler bei Zukunftsthemen und ihrer organisatorischen Aufstellung. Einmal im Jahr veröffentlicht sie mit ihrem Team den Retail-Report zu den Entwicklungen im Handel. Das Zukunftsinstitut mit Sitz in Frankfurt am Main und Wien gilt als einer der einflussreichsten Think Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung.
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