Das Berchtesgadener Land im Süden Bayerns steht an der Spitze der Sieben-Tage-Inzidenz und erreicht damit einen bundesweiten Höchstwert. Die Situation hat sich seit Tagen verschärft, seit Dienstag gilt quasi ein Lockdown. Warum kam es gerade in dem zwar touristischen, aber doch eher ruhigen Landkreis zu einem solch hohen Anstieg der Zahlen?
Allein über das vergangene Wochenende wurden im Berchtesgadener Land 188 Neuinfektionen gemeldet. Die landschaftlich traumhafte Region lockt viele Touristen an, ist aber sicher kein Party-Mekka. Weshalb konnte sich diese Region dennoch zu einem Corona-Hotspot entwickeln? Am Mittwoch sind Soldaten der Bundeswehr eingetroffen, um das Landratsamt bei der Nachverfolgung der Infektionsketten zu unterstützen.
Die Entwicklung der letzten Tage
Während das Robert Koch-Institut (RKI) für den Landkreis Berchtesgaden (Stand Montag, 19.10.2020 0.00 Uhr) noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 252,1 gemeldet hatte, lag diese einen Tag später bereits bei 272,8. Dann ging die Zahl auf 236,1 zurück, zum 21.10.2020 0.00 Uhr betrug sie erneut 262,4. Als Grenzwert gelten in Deutschland 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen.
Aufgrund der rasant gestiegenen Zahlen wurde ab Dienstag, 14 Uhr, für das Berchtesgadener Land ein Lockdown beziehungsweise eine Ausgangssperre verhängt: Schulen, Kitas und Restaurants müssen geschlossen bleiben, Veranstaltungen wurden verboten. Die Einwohner dürfen die Wohnung nur aus wichtigen Gründen verlassen: um zur Arbeit oder zum Arzt zu gehen, um einzukaufen oder um Sport im Freien auszuüben. Touristen mussten abreisen, in Hotels dürfen ausschließlich Geschäftsleute übernachten. Die Maßnahme gilt zunächst für 14 Tage bis zum 2. November.
Der rasante Anstieg der Zahlen
Die aktuellen Zahlen zeigen, dass es innerhalb von nur drei Wochen zu einer etwa 250-prozentigen Steigerung des Inzidenzwertes kam.
Anfang Oktober gab es kaum Neuinfektionen im Berchtesgadener Land. Am Wochenende 10. /11. Oktober haben sich die Zahlen der Neuinfektionen stark erhöht. Laut Landratsamt lag der Inzidenzwert am Montag, den 12. Oktober bei 57,6 Infizierten pro 100.000 Einwohnern.
Vergangenen Freitag lag der Inzidenzwert bereits bei 134 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, am Samstag bei 149, bevor Anfang dieser Woche neue Höchstwerte erreicht wurden. Eine kurzfristige Reduzierung am Dienstag könnte damit zusammenhängen, dass die Urlauber aus der Berechnungsbasis herausgerechnet wurden.
Mögliche Gründe für die rasante Ausbreitung
Die Gründe für die hohen Infektionszahlen sind unklar. Mehrere Ursachen sind denkbar.
Neuinfektionen gibt es im ganzen Landkreis, ein Schwerpunkt lag vermutlich bei einer Party in der 8.000 Einwohner-Gemeinde Anger, wie Ministerpräsident Markus Söder auf einer Pressekonferenz vermutete: "Ausgangspunkt war auch wieder eine entsprechende Party." Gemeint ist eine private Geburtstagsfeier eines 50-Jährigen, die er in einer Garage mit etwa 40 Personen gefeiert hat. Einige Tage nach der Party waren beim Gastgeber und dessen Familie Symptome aufgetaucht, ein Corona-Test fiel positiv aus. Der Gastgeber wies die Vorwürfe mit Verweis auf ein ausgearbeitetes Hygienekonzept jedoch von sich.
Eine weitere Ursache könnte in einer Shisha-Bar zu finden sein, die sich nicht an Maßnahmen wie Sperrstunde und Gästeliste hielt.
Auch eine mögliche Übertragung durch Urlauber kann nicht ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher dürfte jedoch ein Zusammenspiel mehrerer verschiedener Faktoren sein.
Welche Rolle spielt die Lage im benachbarten österreichischen Kuchl?
Auch die Nähe zu Österreich könnte für die hohen Zahlen mitverantwortlich sein. Das benachbarte Kuchl in Österreich verzeichnet einen rekordverdächtigen Inzidenzwert von 841 und steht bereits seit Freitag unter Quarantäne.
Kuchl ist etwa 20 Kilometer - 10 Kilometer Luftlinie - vom Berchtesgadener Land entfernt, jedoch sind die beiden Gebiete durch einen Gebirgszug voneinander getrennt. Während man von deutscher Seite auf den direkten Kontakt durch Berufspendler und Schüler verweist, gibt es laut Kuchls Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP) kaum Pendlerverkehr und daher keinen Zusammenhang. Auch das Landratsamt Berchtesgadener Land ist hier vorsichtig, sieht trotz der räumlichen Nähe keinen Zusammenhang. Am Freitag, zum Zeitpunkt des Beginns der Quarantäne in Kuchl, betrug der Inzidenzwert im Berchtesgadener Land 134.
Die Reaktion der Verantwortlichen
In einer Pressekonferenz zur Corona-Situation in Berchtesgaden am Dienstag widersprach Landrat Bernhard Kern (CSU) der Theorie, dass eine Party der Auslöser war, und betonte, dass eine konkrete Ursache nicht bekannt sei, sondern es sich um ein diffuses Geschehen im gesamten Landkreis handle. Bernhard Kern: "Es ist nicht zurückzuführen auf eine einzelne Feierlichkeit, die im Landkreis stattgefunden hat."
Wolfgang Krämer, Leiter des Gesundheitsamtes, bestätigte, dass sich die Infektionen nicht auf eine Quelle zurückführen ließen.
Verwendete Quellen:
- BR: Drastische Corona-Einschränkungen im Berchtesgadener Land
- OVB online: Corona-Lockdown im Berchtesgadener Land: Woher kommen die Infektionen?
- FVW Medien GmbH: Viele Ursachen führten zu Massenausbruch
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