Was essen wir heute Abend? Was schenken wir den Großeltern? Was brauchen die Kinder für den Schulausflug? Oftmals sind noch immer die Frauen für die "unsichtbaren Aufgaben" in einer Partnerschaft oder Familie verantwortlich. Wie Paare diese Aufgaben fair aufteilen können, erklärt eine Expertin im Interview.

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Unter "Mental Load" (Neudeutsch für "mentale Belastung") versteht man das Gedankenkarussell, das sich um die täglichen Alltagsaufgaben dreht. Beispielsweise die Terminkoordination mit Familie und Freunden, die Organisation von Geschenken oder die Essensplanung.

Die Liste dieser "unsichtbaren Aufgaben" ist lang und gefühlt endlos. Es ist fast schon wie Projektmanagement: Man muss planen, koordinieren und delegieren. Gleichzeitig müssen auch noch verschiedene Optionen gegeneinander abgewogen und Entscheidungen getroffen werden.

"Es wird natürlich noch komplexer, wenn man zusätzlich zum eigenen Leben die Verantwortung für weitere Personen wie die eigenen Kinder, den Partner oder Familienangehörige trägt", betont Anne Keck, Pädagogin und Buchautorin eines Elternratgebers zu "Mental Load".

Frauen sind häufiger betroffen - aber nicht ausschließlich

Laut dem Zweiten Gleichstellungsbericht des Bundesfamilienministeriums liegt die Aufgabenbewältigung im Alltag (auch Sorgearbeit oder Care-Arbeit genannt) noch immer überwiegend bei der Frau, was schnell zur Überforderung führen kann. "[O]ft ist es dann so, dass die Frauen, zur Vollzeiterwerbstätigkeit des Partners, berufstätig sind und dann aber oft das ganze Paket der Sorgearbeit fast alleine schultern", erklärt Keck im Gespräch mit unserer Redaktion.

Frauen bringen dem Bericht zufolge durchschnittlich täglich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Und genau an diesem Punkt kann es kippen: Wenn man für die Care-Arbeit überwiegend verantwortlich sei, drehe sich das Gedankenkarussell auch dann weiter, wenn man sich eine Pause gönne, erklärt die Autorin.

Zwar seien Frauen häufiger von überfordernden "Mental Load" betroffen, doch wenn Väter diesen Part übernehmen, können diese natürlich genauso häufig von einer Überlastung betroffen sein: "Mittlerweile gibt es nicht nur die Mutter-Kind-Kuren vom Müttergenesungswerk, sondern auch Vater-Kind-Kuren und auch da steigen die Zahlen."

Für 60 Prozent sind die "unsichtbaren Aufgaben" gleichermaßen auf beide Partner aufgeteilt

"Wer übernimmt in Ihrer Beziehung hauptsächlich die Planung von Alltagsaufgaben (z.B. Terminkoordination, Einkaufslisten schreiben, Urlaubsplanung)?" Diese Frage hat Civey an Personen, die mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner zusammenleben, gestellt und im Zeitraum vom 11. bis 15. Mai die Antworten von 2.510 Befragten ausgewertet.

Das Ergebnis: Für 60 Prozent ist die Planung der Alltagsaufgaben gleichermaßen auf beide Partner verteilt. 23 Prozent geben an, dass sie diese Aufgaben eher selbst übernehmen, 16 Prozent geben an, dass ihre Partnerin oder Partner diese eher übernimmt.

Umfrageergbenisse

Sieht man sich das Ergebnis verteilt auf Männer und Frauen an, zeigt sich eine leichte Diskrepanz bei der Wahrnehmung: Während 63 Prozent der Männer angeben, dass die Planung der Alltagsaufgaben gleichermaßen auf beide Partner verteilt ist, sagen das nur 56 Prozent der Frauen.

Anne Keck erklärt das Ergebnis so: "Da immer noch überwiegend traditionelle Geschlechterrollen gelebt werden, laufen im Alltag auch eingespielte Rollenmuster ab, derer sich Männer oft nicht bewusst sind. Männer übernehmen eher verschiebbare Aufgaben, die sie mit ihrem Job abstimmen können wie beispielsweise Reparaturen oder Gartenarbeit. Frauen hingegen kümmern sich auch um spontan anfallende Aufgaben und Alltagsdinge wie beispielsweise auf das kranke Kind aufzupassen. Dadurch wird von der Frau zwangsläufig die permanente Anwesenheit und Aufmerksamkeit erfordert."

Frauen fühlen sich eher für die "unsichtbaren Aufgaben" verantwortlich

Die Umfrage zeigt auch, dass sich 37 Prozent der Frauen hauptsächlich für die "unsichtbaren Aufgaben" verantwortlich fühlen. Bei den Männern sind es elf Prozent.

Für die Expertin ist das nicht überraschend: "Zwar hat es zugenommen, dass sich die Männer mehr einbringen, aber das Planen, also der 'Mental Load', liegt noch überwiegend bei der Frau. Es ist ein System, in dem wir alle drinstecken. Wir haben alle eine bestimmte Sozialisierung erfahren. Daher laufen oft auch Automatismen ab".

Umfrageergebnisse
© Civey

"Mental Load" fair aufteilen: Online-Test hilft weiter

Laut der Expertin sollte mehr darüber gesprochen werden, um die Aufgaben sichtbarer zu machen und letztendlich gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Keck schlägt vier Schritte zur fairen Aufteilung vor:

  • Kommunikation: Sich hinsetzen und über die Dinge sprechen, die einem wichtig sind. Es gibt dafür auch vorgefertigte Checklisten im Internet oder in Büchern mit Fragen, die helfen können, sich gegenseitig seiner Erwartungen, Vorstellungen und Ziele bewusst zu werden.
  • Sichtbarkeit: Beide Partner führen eine Woche lang eine Liste darüber, welche Planung, Koordination und Aufgaben sie im Alltag übernommen haben. Dafür gibt es auch einen kostenlosen Mental Load Test.
  • Aufteilung: Nach Erstellung der Listen wird das Paket untereinander aufgeteilt.
  • Meeting: Einmal die Woche sollte ein gemeinsames Meeting vereinbart werden. Dabei werden die Fragen geklärt, was ansteht und ob alle Aufgaben verteilt sind. Und wer spontan anfallende Aufgaben wahrnimmt.

Auf Folgendes weist die Expertin abschließend hin: "Es wird oft als unromantisch bewertet, wenn man über solche Sachen spricht, weil es einem Projektmanagement-Meeting ähnelt, aber ich glaube, dass schneller die Romantik verloren geht, wenn sich einer in der Beziehung überlastet fühlt. Dann spreche ich lieber mit meinem Partner darüber und versuche eine faire Aufteilung zu leben und dann ist auch wieder Zeit für Romantik."

Zur Person: Anne Keck ist Pädagogin M.A. und Autorin des Elternratgebers "Mental Load für Dummies“ (2022). Ferner bietet sie mit ihrer Potenzialwerkstatt Workshops für Teams und Vorträge zu Gender Bias und Equal Care an.
Offenlegung: Anne Keck leitet die Themen Diversity & Health bei der United Internet. Zur United Internet AG gehören u. a. auch die Marken 1&1, GMX und WEB.DE.

Verwendete Quellen:

  • equalcareday.de: Mental Load – Do you Equal Care?
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gender Care Gap - ein Indikator für die Gleichstellung & Zweiter Gleichstellungsbericht
Informationen zur Methode: Für die repräsentative Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Civey die Antworten von 2.510 Teilnehmerinnen und Teilnehmern berücksichtigt. Das Gesamtergebnis ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben unter anderem Daten wie Alter, Geschlecht und Wohnort angegeben und wurden registriert und verifiziert. Civey korrigiert Verzerrungen durch ein mehrstufiges Gewichtungsverfahren. Der Befragungszeitraum war der 11. bis 15. Mai. 2023. Der statistische Fehler der Ergebnisse beträgt 3,3 Prozentpunkte. Zusätzliche Informationen zur Methode finden Sie auf Civey.com und im Civey-Whitepaper.
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