Richtiges Verhalten bei Gewitter kann Leben retten. Wir erklären, wie ein Gewitter entsteht und wann es beim Laufen gefährlich wird.
Wer bevorzugt abends laufen geht, kennt das Problem im Frühling, Sommer und Herbst gut: Den ganzen Tag über ist herrliches Wetter und am späten Nachmittag oder am Abend ziehen sie unaufhaltsam herauf: Gewitterwolken. Obwohl die Wettervorhersage immer detaillierter wird und für Regen, Wind und Sonnenschein häufig minutengenau stimmt, ist ein Gewitter oft für Überraschungen gut. Wir erklären, wann Joggen bei Gewitter gefährlich ist und wie Sie sich verhalten, wenn Sie von Blitz und Donner überrascht werden.
Wie entsteht ein Gewitter?
Um Gewitter ranken sich seit jeher viele Mythen. Die beste Vorbereitung für das richtige Verhalten bei einem Unwetter ist deshalb: Wissen, was da wirklich passiert. Starten wir deshalb mit einem kurzen Exkurs in die Physik.
Im Sommer heizt die Sonne den Boden auf und sorgt dafür, dass Wasser aus dem Boden, aus Seen, Flüssen und dem Meer verdunstet. Die warme Feuchtigkeit steigt auf und erwärmt höherliegende Luftschichten (Kondensationswärme). Weil Wärme nach oben steigt, entsteht eine sich immer höher auftürmende Wolke – eine Cumulonimbus. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet das: eine Anhäufung von Regenwolken. Gewitterwolken werden mehrere Kilometer hoch und speichern überdurchschnittlich viel Wasser.
Je höher die Wolke nach oben steigt, desto mehr kühlt sie ab, jedoch nicht so schnell wie die Umgebungstemperatur. Also steigt sie immer weiter und immer schneller auf, bis sie nach etwa zwölf Kilometern die Stratosphäre, einen höherliegenden Bereich der Atmosphäre, erreicht. Hier herrschen unabhängig von der Höhe gleichbleibende Temperaturen. Die Wolke verweilt an einer Stelle, macht sich breit: Es entsteht die typische Tischform, die wir während eines Gewitters oder kurz davor am Himmel beobachten können.
Meist erreichen uns zuerst Blitz und Donner, kurze Zeit später starker Regen. Kühlt der Wasserdampf während des Aufstiegs ab, bilden sich anfangs dicke Regentropfen und in großer Höhe Eisklumpen, die so schnell auf die Erde herunterfallen, dass sie nicht komplett schmelzen: Hagelkörner. Die Eisklumpen sind am Anfang noch klein, aber je höher sie aufsteigen, desto größer werden sie. Auf dem Weg zurück zur Erde stoßen die großen, stattlichen Eisklumpen auf die noch kleinen Eisklümpchen. Das führt zu einer Ladungstrennung: Die schweren Eisklumpen, aber auch dicke Regentropfen, fallen negativ geladen weiter nach unten, während die jetzt positiv geladenen Eisteilchen weiter aufsteigen. Die Folge: positive Ladung im oberen Bereich der Wolke, negative Ladung im unteren Bereich. Wie bei einer Batterie, nur mit 1.000.000.000 Volt statt 1,5.
Blitze sorgen dann für den Ladungsausgleich und die Wiederherstellung des Gleichgewichts am Himmel. Initial entsteht aus der negativen Ladung im unteren Teil der Gewitterwolke ein Leitblitz, der sich in Richtung Erde ausbreitet. Seine Zacken bekommt er, weil Strom gerne den Weg des geringsten Widerstands geht. Nähert sich der negativ geladene Leitblitz der Erdoberfläche, sammelt sich positive Ladung an den höchsten Stellen: Kirchturmspitzen, Baumwipfeln, Aussichtstürmen. Diese sogenannten Fangentladungen bewegen sich nun in Richtung des Blitzes, bis eine auf den vom Himmel herab schnellenden Blitz trifft. Ist die positive Fangentladung der großen, dicken Eiche als Erstes beim Leitblitz, kommt es zur Entladung: Es blitzt, von der dicken Eiche bis hinauf in den Himmel Richtung Gewitterwolke. Und der Ladungsunterschied ist wieder ausgeglichen. Das ist der Moment, den wir Blitzeinschlag nennen.
Während der Leitblitz mit einem Zehntel bis einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit auf die Erde zujagt, heizt er die Umgebungsluft auf fast 30.000 °C auf. Um den Blitzkanal bildet sich ein schlauchförmiges Magnetfeld, das die geladenen Luftmoleküle gefangen hält – es entsteht ein extrem hoher Druck. Endet der Blitz, bricht das Magnetfeld zusammen und die heiße Luft dehnt sich explosionsartig aus: es donnert. Der Knall des Donners erzeugt meist noch Echo-Effekte, das anschließende Donnergrollen.
Und der starke Wind vor und während eines Gewitters? Wenn die herabfallenden Eisklumpen und Eiskristalle beim Herunterfallen schmelzen, kühlen sie dabei die Umgebung ab. Die abkühlende Umgebungsluft sinkt nach unten, aus ihr entstehen sogenannte Fallwinde. Sie "fallen" nach unten, bis sie mit hoher Geschwindigkeit auf den Boden treffen. Hier breiten sie sich zur Seite aus – starker Wind bis hin zum Sturm entsteht. Diese Fallwinde sorgen zudem dafür, dass keine weitere warme Luft nach oben aufsteigen kann und sich die Gewitterzelle nach einiger Zeit von selbst auflöst.
Was sagt der Zeitraum zwischen Blitz und Donner aus?
Zählt man die Sekunden, die zwischen Blitz und Donner vergehen, kann man daraus Rückschlüsse auf die Entfernung des Gewitters ziehen. Das Licht des Blitzes bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit zu unserem Auge, also mit knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde. Den Blitz sehen wir deshalb quasi sofort im Moment der Entstehung. Der Donnerhall bewegt sich nur mit einer Schallgeschwindigkeit von 330 Meter pro Sekunde. Zählt man also die Sekunden zwischen Blitz und Donner und teilt diese Zahl durch drei, kommt dabei die Kilometerzahl heraus, die das Gewitter etwa entfernt ist. Wer zwischen Blitz und Donner 12 Sekunden zählt, ist somit etwa vier Kilometer vom Gewitter entfernt.
Hört man das erste Donnergrollen, ist eine Gewitterzelle maximal zehn Kilometer entfernt. Die Gefahr eines Blitzeinschlags mit lebensbedrohlichen Auswirkungen besteht ab etwa fünf Kilometer Entfernung, also 15 Sekunden zwischen Blitz und Donner. Richtig gefährlich wird es, wenn Sie weniger als zehn Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen.
Warum gewittert es vor allem nachmittags und abends?
Gewitterwolken entstehen durch die Verdunstung von Wasser an der Erdoberfläche. Je wärmer es ist, desto mehr Wasser verdunstet und steigt in Richtung Stratosphäre auf. Obwohl häufig von "der Mittagshitze" gesprochen wird, ist die wärmste Zeit des Tages meist etwa um 17 Uhr und damit Gewitterzeit. Bei uns in Mitteleuropa ist die Gefahr, beim Joggen von einem Gewitter überrascht zu werden, im Juli und August am höchsten. Durchschnittlich dauert es dann eine halbe Stunde, bis es wieder vorbei ist.
Darf man bei Gewitter joggen gehen?
Darf man schon, sollte man aber nicht. Meteorologen können Gewitter heutzutage zwar recht zuverlässig vorsagen, allerdings gibt es immer nur Hinweise auf ein umschriebenes Gebiet, in dem die Gewitterzellen voraussichtlich auftreten. Die meisten Gewitter dauern nicht länger als 20 bis 40 Minuten. Unser Tipp deshalb: Das Gewitter vorüberziehen lassen, die Zeit für Aufwärmübungen, Krafttraining oder Neuroathletiktraining nutzen und nach dem Unwetter laufen gehen.
Das richtige Aufwärmen fürs Laufen
Welche Gefahren gibt es, wenn ich bei Gewitter joggen gehe?
Wer regelmäßig laufen geht, kennt vermutlich seine Schrittlänge und Schrittfrequenz. Von Schrittspannung hingegen haben nur die wenigsten gehört. Schlägt ein Blitz in der Nähe ein, herrscht im Umkreis von 20 bis 50 Metern eine elektrische Ladung im Boden. Stehen, gehen oder laufen wir in diesem Bereich und berühren mit den Füßen Bereiche unterschiedlicher Ladung, erfolgt der Spannungsausgleich durch unseren Körper, der Strom besser leitet als der Untergrund. Dieses Phänomen nennt man Schrittspannung. Es ist der Grund dafür, dass man sich bei einem Gewitter immer mit geschlossenen Füßen hinhocken soll.
Die richtige Schrittlänge und Schrittfrequenz
Die gute Nachricht: An einem Blitzschlag stirbt man nicht sofort und nicht unbedingt. Und die Wahrscheinlichkeit, "von einem Blitz getroffen" zu werden oder Opfer eines Blitzeinschlages zu werden, ist grundsätzlich recht gering. Hat man jedoch Pech, können Verbrennungen und Beeinträchtigungen des Nervensystems von Hör- oder Riechstörungen sowie Funktionsstörungen der Muskulatur bis zu Gedächtnisverlust die Folge sein. Ein Herzstillstand durch Blitzschlag ist ebenfalls möglich. Läuferinnen und Läufer, die Opfer eines Blitzeinschlags geworden sind, sollten in stabiler Seitenlage gelagert und dem Rettungsdienst übergeben werden.
Was sollte ich beachten, wenn ich bei Gewitter draußen bin?
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich bei Gewitter draußen aufzuhalten, solange ein sicherer Unterstand in der Nähe ist, in dem man Schutz suchen kann. Den brauchen Sie nämlich spätestens, sobald das Gewitter weniger als drei Kilometer entfernt ist – also neun Sekunden zwischen Blitz und Donner.
Halten Sie sich von Bäumen, Strommasten und Metallzäunen fern: Schlägt der Blitz in einen Baum ein, leitet dieser den Strom in den Boden ab. Bäume und Strommasten gehören zu den höchsten Erhebungen auf dem Land und sind somit riskante "Blitzableiter". Unter Bäumen besteht außerdem die Gefahr von Astbruch. Metallzäune oder Zäune mit Metallpfosten sind zwar nicht besonders hoch, leiten im Fall der Fälle aber trotzdem Strom.
Bei Gewittergefahr nicht in die Berge gehen: Berge sind bei Gewitter kein geeigneter Aufenthaltsort. Wer trotzdem eine Tour ins Gebirge plant, weil der Wetterbericht unklar, aber nicht aussichtslos ist, sollte sich vorab über Schutzhütten und Einkehrmöglichkeiten informieren und schauen, welche Routen für einen außerplanmäßigen Notabstieg infrage kommen.
Baden oder Schwimmen bei Gewitter ist keine gute Idee. Eigentlich versteht es sich von selbst, trotzdem der Hinweis: Wasser leitet Strom und kann auch in weiterer Entfernung vom Blitzeinschlag zu Verletzungen beim Schwimmer oder der Schwimmerin führen.
Ein Zelt schützt vor Regen, aber nicht vor Gewitter: Ob man bei Gewitter in einem Zelt sitzt oder im Freien steht, macht in Bezug auf das Gewitter keinen Unterschied. Besser untergebracht sind Sie bei Blitz und Donner in einer Schutzhütte oder einem festen Gebäude (mit Blitzableitern). Wenn Sie sich nicht auf einem Campingplatz befinden und es weder Schutzhütte noch festen Unterstand gibt: Regenschutz im Zelt nutzen, regendichte Unterlage wie eine Isomatte oder Luftmatratze unterlegen und Gewitter vorüberziehen lassen.
Lassen Sie den Regenschirm stecken: Wer unerwartet in einem Gewitterschauer landet und einen Regenschirm zur Hand hat, sollte diesen lieber nicht nutzen. Die meisten Regenschirme sind mit Metallstreben hergestellt und können somit Strom leiten. Zudem macht der Regenschirm Sie größer als nötig und kann somit die Gefahr eines Blitzeinschlages erhöhen.
Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich beim Joggen von einem Gewitter überrascht werde?
Auf die Wettervorhersage ist nicht immer Verlass und gerade im Spätsommer, wenn die langen Läufe für den Herbstmarathon anstehen, besteht das Risiko, von einem Gewitter überrascht zu werden. Das richtige Verhalten auf der Laufstrecke kann im Extremfall Leben retten. Fünf wichtige Tipps:
Trailrunning in den Bergen: Richtiges Verhalten bei Gewitter
Besonders knifflig ist die Situation, wenn man beim Trailrunning oder während einer Bergwanderung in ein Gewitter gerät. Auf der sicheren Seite ist man meist, wenn man so früh wie möglich aufbricht, den höchsten Berggipfel um die Mittagszeit hinter sich lässt und bereits in den frühen Nachmittagsstunden wieder am Fuße des Berges ankommt. Ansonsten sollten Sie bei Gewitter in den Bergen folgende Tipps beherzigen:
- Meiden Sie Gipfelkreuze, freistehende Felsen und Bäume, Felsspalten zwischen Gebirgswänden sowie Klettersteige und mit Metallseil gesicherte Wege.
- Legen Sie metallische Gegenstände wie Steigeisen in mehreren Metern Entfernung ab.
- Wenn Sie mit einem Trainingspartner unterwegs sind: Halten Sie Abstand voneinander.
- Falls keine Schutzhütte in der Nähe ist: Hocken Sie sich so klein wie möglich auf eine Bergwiese, abseits von Waldrändern. Gibt es keine Bergwiese, sind Sie vor allem bei Regen mitten im Wald sicherer als neben Felswänden oder am Waldrand.
- Halten Sie sich von Bergseen und Wasserläufen fern.
Fazit: Ein unerwartetes Gewitter beim Joggen kann gefährlich werden
Trotz guter Technik können Meteorologen Gewitter nicht eindeutig vorhersagen. Ein Wettercheck per Wetterapp vorab ist deshalb ein guter Wegweiser, aber keine sichere Vorhersage. An Tagen mit Gewitterneigung sollten Sie insbesondere lange Läufe so planen, dass sich auf der Route sichere Unterstellmöglichkeiten befinden oder Ihr Auto im Notfall in der Nähe ist.
Ein aufziehendes Gewitter erkennt man an schnell aufsteigenden Wolken, die am oberen Ende stark in die Breite gehen. Starker Wind kündigt das Gewitter häufig vorher an. Die Entfernung der Gewitterzelle kann man berechnen, indem man den Abstand zwischen Blitz und Donner in Sekunden zählt und anschließend durch drei teilt. Das Ergebnis ergibt die Entfernung des Gewitters in Kilometern. Ist es weniger als fünf Kilometer entfernt, sollten Sie Schutz suchen. Bei weniger als drei Kilometern ist es ratsam, so zusammengekauert wie möglich zu verharren, wenn kein Unterstand in der Nähe ist. © Runner’s World
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