Nach wochenlangem Fast-Stillstand des öffentlichen Lebens öffnet sich das Land langsam wieder. Möglicherweise aber nicht für ewig, erneute Einschränkungen sind denkbar, falls die Infektionszahlen wieder stärker steigen. Wie kann man sich mental auf einen solchen Wechsel von Lockerungen und Einschränkungen vorbereiten?

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Der Mai 2020 ist nach Lockdown und viel Social Distancing für die meisten Menschen ein eher guter Monat: Restaurants und Cafés öffnen wieder unter Hygieneauflagen, dazu Museen, Zoos, Ende des Monats auch einige Freibäder. Eine größere Zahl an Kindern geht wieder in Kitas und Schulen. Zwar gilt das 1,5-Meter-Abstandsgebot nach wie vor, allerdings dürfen sich zumindest wieder mehr Menschen miteinander treffen.

Die Lockerungen kamen recht plötzlich - für viele schneller als gedacht -, und nicht wenige befürchten, dass es nicht dabei bleiben wird. Wissenschaftler warnen vor einer zweiten Infektionswelle. Sollte sie kommen, könnte es mit einigen der wiedergewonnenen Freiheiten vorbei sein. Der Gedanke daran ist nicht schön, sollte aber zugelassen werden, wie der Psychologe Michael Krämer im Gespräch mit unserer Redaktion sagt.

Rausgehen, so oft es geht

"Man sollte sich jedenfalls nicht fatalistisch dieser Situation hingeben, sondern sich mental darauf einstellen", so Krämer, der an der FH Münster arbeitet und dessen Spezialgebiet Wirtschaftspsychologie ist. Dazu gehöre auch, die Möglichkeiten, die es jetzt gebe, so gut es geht zu nutzen - zumindest, wenn man sich selbst nicht als besonders gefährdet ansieht. Krämer empfiehlt beispielsweise einen Restaurantbesuch oder den Besuch eines Museums, auch wenn sich das im Moment anders anfühlt als früher.

Sich jetzt einzuigeln, um sich gar nicht erst an wiedergewonnene Freiheiten zu gewöhnen, hält Krämer für den falschen Weg. "Das ist aus Psychologensicht nicht nur nicht gesund, es kann sogar passieren, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt, der gravierende wirtschaftliche Folgen hätte - noch gravierendere als bisher", sagt er.

Widerwille wäre beim zweiten Mal wohl stärker

Der Gewöhnungseffekt wäre in diesem Fall in überspitzter Form: Niemand geht mehr shoppen oder essen, weil alle sich ans Onlinebestellen und Liefernlassen gewöhnt haben. "Die Umsatzeinbußen beträfen nicht nur einzelne Läden, ganze Innenstädte könnten 'austrocknen'", befürchtet Krämer.

Sollte es tatsächlich zu einem erneuten Lockdown oder zumindest erneuten Einschränkungen kommen, rechnet der Psychologe mit einem erheblich größeren Widerstand als beim ersten Mal im März. "Dieser Widerwille wird wahrscheinlich selbst bei jenen größer, die kognitiv imstande und willens sind, das Virus als Bedrohung zu akzeptieren", glaubt Krämer.

"Die Bedrohung ist mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbar, dadurch wird es immer schwieriger, den Lockdown zu akzeptieren. Es tritt ein Effekt vergleichbar mit Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Autobahn ein: Je mehr Personen die Regeln missachten, desto größer ist die Versuchung für den Einzelnen, auch dagegen zu verstoßen."

Mit der Spannung aus Wissen und Fühlen richtig umgehen

Mit der Dissonanz, also der inneren Spannung, zwischen Wissen und Fühlen umzugehen, ist für Menschen in vielen Situationen eine Herausforderung. So weiß zum Beispiel jeder Raucher, dass Rauchen ungesund ist - ein Grund aufzuhören ist das für viele dennoch nicht.

In einer Lockdown-Lockerungen-Wechselsituation kann eine ähnliche Dissonanz entstehen. Hier zwischen: Ich weiß, dass das Virus gefährlich ist. Und: Ich fühle ich mich in meiner Freiheit unverhältnismäßig eingeschränkt.

Um etwas mentale Spannung herauszunehmen, lautet der psychologische Rat auch hier: Freizeit- und Ausgehmöglichkeiten nutzen, so gut es geht. "Man kann", so Krämer, "diese Dissonanz kleiner werden lassen, indem man sich jetzt etwas Positives gönnt, ohne unvorsichtig zu werden."

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Verwendete Quellen:

  • Interview mit Professor Michael Krämer, Psychologe an der FH Münster
  • tagesspiegel.de: Zweite Coronavirus-Welle: Schulöffnungen könnten zu einem drastischen Anstieg der Infektionen führen
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