Auch wenn Kinder selten schwer an Covid-19 erkranken: Long Covid kann in seltenen Fällen auch sie treffen. Leistungsschwäche und Abgeschlagenheit überschatten dann monatelang den Alltag. Doch die Diagnose ist schwer: Ursache der Symptome kann auch der lange Lockdown und die psychische Belastung sein.

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Extreme Abgeschlagenheit, Atem- und Kreislaufprobleme, Schlafstörungen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen: Das sind einige der Symptome, die auch Kinder und Jugendliche nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 heimsuchen können - und zwar auch, wenn der Krankheitsverlauf milde oder moderat war.

Bei diesen möglichen Folgen, bekannt als Long Covid, bleibt ein komplexes Beschwerdebild über Wochen und Monate bestehen. Auch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Leistungsschwäche sowie eine Einschränkung des Geschmacks- und Geruchssinns können auftreten. "Das kann durchaus auch Kinder betreffen, an denen diese Infektion keineswegs immer spurlos vorbeigeht", betont Thomas Brune von der Kinderklinik in Lippe.

Fatigue-Syndrom: Mehr als eine Müdigkeit

Mit Long Covid kann auch die sogenannte Fatigue einhergehen. Sie bezeichnet eine chronische Abgeschlagenheit und Überlastung. Bei dem chronischen Fatigue-Syndrom handelt es sich um eine schwere Erkrankung, die nicht mit einfacher Müdigkeit oder Erschöpfung zu verwechseln ist. Die Patienten sind dauerhaft stark erschöpft und können ihren Alltag kaum noch bewältigen.

Diese Fatigue kennt man auch von chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Rheuma. Zu den Symptomen bei Kindern zählen zudem eine Fehlregulationen von Kreislauf und Körpertemperatur, wiederkehrende Halsschmerzen und Lymphknotenschwellungen und ein ständiges Grippegefühl.

Jedoch ist die Chance auf eine Verbesserung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen besser als bei älteren Erwachsenen, erklären etwa die Spezialistinnen und Spezialisten vom "MRI Chronisches Fatigue Centrum (MCFC)" der München Klinik. Die Entstehung des chronischen Müdigkeitssyndroms ist noch weitestgehend unbekannt. Generell gelten Infektionserkrankungen aber als häufige Auslöser. Auch Autoimmunmechanismen können an der Entstehung beteiligt sein.

Studie: Zwei Prozent der Kinder haben acht Wochen nach Infektion noch Beschwerden

Darüber, wie viele Kinder und Jugendliche von Long Covid mit oder ohne Fatigue betroffen sind, gibt es zurzeit keine gesicherten Erkenntnisse. Eine britische Studie, die im Fachmagazin "The Lancet Child & Adolescent Health" veröffentlicht wurde, weist aber darauf hin, dass es nur wenige sind. Im Rahmen der Untersuchung gaben Eltern von 1.734 symptomatisch an Covid-19 erkrankten Kindern im Alter zwischen 5 und 17 Jahren über eine App deren Symptome und somit den Krankheitsverlauf an.

Der Auswertung zufolge hatten 4,4 Prozent der Kinder noch vier Wochen nach der Infektion Beschwerden. Nach acht Wochen waren es nur noch zwei Prozent. Bei den über Elfjährigen war die Zahl der langfristig Betroffenen mit 5,1 Prozent etwas höher. Allerdings hat die Studie auch Schwächen: Zum Beispiel konnten die Symptome nicht überprüft werden, sodass es um die subjektiven Wahrnehmungen der Kinder und die Beschreibungen der Eltern geht.

Dennoch ziehen die Autoren der Studie ein eher positives Fazit und schreiben: "Es ist beruhigend, dass die Zahl der Kinder, die lange unter Covid-19-Symptomen leiden, sehr niedrig ist." Eine kanadische Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Diagnose Long Covid schwer zu sichern

"Bei uns kommen vereinzelt Kinder mit Long Covid in die Klinik, berichtet Brune von der Kinderklinik in Lippe. Generell sei die Diagnose schwer zu sichern. Es werde jetzt bei jedem Symptom, das in Richtung "schnell erschöpfbar, abgeschlagen, müde" geht, an Long Covid gedacht. "Ist der Antikörpertest positiv, heißt das aber noch lange nicht, dass die Infektion verantwortlich für diese Symptome ist", so Brune.

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat eine Sammlung von Daten Betroffener gestartet. Daraus resultierende Zahlen liegen jedoch noch nicht vor. Auch die DGPI betont, dass es bisher an aussagekräftigen Daten zur Häufigkeit und den spezifischen klinischen Symptomen von Long Covid bei Kindern und Jugendlichen fehlt.

"Insgesamt handelt es sich um ein seltenes Syndrom bei Kindern", äußert sich Dr. Christian Gogoll von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Auch er sieht ein Problem darin, Long Covid festzustellen. "Es gibt keine klaren Kriterien oder eine Checkliste für Long Covid, nach denen das Syndrom diagnostiziert wird. Das Heimtückische ist, dass allgemein internistisch auch Vorerkrankungen vorliegen könnten, die erst durch die Corona-Infektion demaskiert werden. Das kann zum Beispiel ein Diabetes sein, der dem Patienten bis dahin nicht bekannt war. Die Beschwerden fallen aber erst während und nach der Infektion auf und erklären die Symptome, die nicht die Folge eines Long-Covid-Syndroms sind."

Ärzte beobachten auch "Post-Lockdown-Syndrom"

Bei anhaltenden Symptomen nach einer Corona-Infektion ist es deshalb wichtig, den Kinderarzt oder die Kinderärztin zu Rate zu ziehen, um die Beschwerden abzuklären und andere Ursachen auszuschließen. Er oder sie kann dann auch an eine Long-Covid-Ambulanz überweisen.

"Wichtig in der Long-Covid-Ambulanz ist, dass die niedergelassenen Ärzte sowie Patienten eine Anlaufstelle haben, bei der ihnen über die Kinderkardiologie oder Kinderneurologie bei ihrer Symptomatik weitergeholfen werden kann", so Brune. Expertinnen und Experten können dort andere Ursachen ausschließen und überprüfen anhand einer komplexen Diagnostik, ob es sich tatsächlich um Long Covid oder sogar in schweren Fällen um das chronische Fatigue-Syndrom handeln könnte.

Für Letzteres gibt es klare Kriterien, nach denen die Diagnose erstellt werden kann. So muss die Erschöpfung per Definition mindestens sechs Monate lang vorliegen. Zudem müssen vier weitere Kriterien erfüllt sein, darunter Konzentrationsschwierigkeiten, Schmerzen, Schlafstörungen und Unwohlsein nach körperlicher Anstrengung.

"Fatigue bei Kindern ist ganz schwer abzugrenzen. Es kann sich beispielweise auch um ein 'Post-Lockdown-Syndrom' handeln", sagt Gogoll. So hätten die Kinder keinen Sport mehr gemacht und hatten weniger soziale Kontakte. Auch hat der Lockdown der Psyche vieler Kinder zugesetzt, was sich auch in Antriebslosigkeit äußern kann.

In der Long-Covid-Ambulanz wird die Diagnose chronisches Fatigue-Syndrom anhand der klinischen Kriterien gestellt, die anhand von Fragebögen erhoben werden. "Biomarker für das Syndrom gibt es noch nicht, sodass vor der Diagnosestellung eine sehr sorgfältige Ausschlussdiagnose anderer Fatigue-Ursachen erfolgen muss", heißt es von der Münchener Klinik.

Long Covid: Therapie kann nur Symptome lindern

Die Therapie von Long Covid und dem chronischen Fatigue-Syndrom besteht vor allem darin, die Beschwerden zu lindern. "Es ist in erster Linie symptomatische Behandlung und Reha", schildert Gogoll. Dabei sei aber gerade bei der Fatigue wichtig, eine Überbelastung zu vermeiden. Dafür müssten auch die Physiotherapeuten sensibilisiert werden.

Wie lange die Beschwerden andauern, ist individuell unterschiedlich. "Ein Großteil verschwindet nach einiger Zeit. Von rund fünf Prozent kann man sagen, dass sie sehr langwierig sind und andauern. Dennoch kann es sein, dass auch sie mit der Zeit abnehmen und letztlich verschwinden", sagt Gogoll. Zudem können Betroffene lernen, die eigenen Energiereserven einzuteilen. Ein weiterer Teil der Behandlung können Entspannungstechniken und die psychosoziale Unterstützung sein.

Zwar wird die Impfung für Kinder ab zwölf Jahren von der Ständigen Impfkommission (Stiko) derzeit nicht allgemein empfohlen. Das Risiko einer Erkrankung an Long Covid ließe sich durch sie aber sicher stark reduzieren. Allerdings ist diese aktuellen Studien und der Einschätzung von Experten zufolge nicht sehr wahrscheinlich. Daher sollten der Nutzen und die Risiken einer Corona-Impfung für Kinder gründlich abgeschätzt werden. Die Gruppe der Kinder von null bis zwölf Jahre ließe sich durch eine solche derzeit aber ohnehin nicht schützen, da für sie noch kein Impfstoff zugelassen ist.

Über die Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Thomas Brune ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Lippe. An seinem Klinikum gibt es eine Long-Covid-Ambulanz, an der auch die Kinderklinik beteiligt ist.
  • Dr. Christian Gogoll ist Internist und Pneumologe an der Evangelischen Lungenklinik Berlin. Zudem ist er Experte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und Co-Autor der S1-Leitlinie zu Long-Covid. Er erkrankte selber schwer an Covid-19.

Verwendete Quellen

  • Klinikum Lippe: Neue dezentrale Long-Covid-Ambulanz am Klinikum Lippe
  • The Lancet: Illness duration and symptom profile in symptomatic UK school-aged children tested for SARS-CoV-2
  • Klinikum München: MRI Chronisches Fatigue Centrum
  • AWMF.org: S1-Leitlinie Long Covid
  • Kinderärzte im Netz: Kanadische Studie: Etwa 6% der infizierten Kinder entwickeln Long Covid
  • Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie: Aktuelle Nachrichten zu Covid-19

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