- Viele Eltern hatten abgewartet: Nun kam das Ja der Stiko zur Corona-Impfung für Kinder ab zwölf Jahren.
- Die Gründe für die Entscheidung, welchen Einfluss sie aufs weitere Geschehen hat und die häufigsten Nebenwirkungen.
Nun also doch: Nach anfänglicher Zurückhaltung spricht sich die Ständige Impfkommission (Stiko) für Corona-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren aus. Die Impfempfehlung soll entsprechend aktualisiert werden, wie das unabhängige Gremium am Montag mitteilte.
Bisher hatte es die Impfung in der Altersgruppe nur bei bestimmten Vorerkrankungen oder Kontakt zu Risikopatienten empfohlen. Dazu Fragen und Antworten:
Warum kommt die Empfehlung so lange nach der Impfstoff-Zulassung?
Dass ein Impfstoff zugelassen ist, muss nicht bedeuten, dass er auch für Jedermann an jedem Ort von Nutzen ist. Da Kinder und Jugendliche ein relativ geringes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, wollte die Stiko mögliche Risiken genau prüfen, wie Mitglieder wiederholt erklärten.
Die Fachleute aus verschiedenen Disziplinen sahen auch nach der Zulassung noch Wissenslücken, weil zunächst relativ wenige junge Probanden geimpft worden waren. Etwaige seltene Nebenwirkungen der neuen mRNA-Impfstoffe hätten da kaum auffallen können. Auch mit der kurzen Nachbeobachtungszeit argumentierten die Fachleute.
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Was hat sich mittlerweile geändert?
Mehrere Dinge: Mit der nun auch in Deutschland vorherrschenden Delta-Variante des Virus sei laut Modellierungen von einem "deutlich höheren Risiko" einer Corona-Ansteckung auszugehen, schreibt die Stiko.
Hinzu kommt, dass es viel mehr Erfahrungen mit der Impfung gibt, im amerikanischen Impfprogramm etwa seien nahezu zehn Millionen Kinder und Jugendliche immunisiert worden. Die Beobachtungen und Daten hat die Stiko ausgewertet. Sie kommt nun zu dem Schluss, dass die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von "sehr seltenen Impfnebenwirkungen" überwiegen.
Um welche Nebenwirkungen geht es?
Um Herzmuskelentzündungen, die selten und wenn, dann vor allem bei geimpften Jungen auftreten. Dies müsse als Impfnebenwirkung gewertet werden, erklärte die Stiko. Die Mehrzahl der Betroffenen sei im Krankenhaus behandelt worden, habe aber einen unkomplizierten Verlauf gehabt.
Kinderarzt und Stiko-Mitglied Martin Terhardt sprach vergangene Woche davon, dass Jungs nach der Zweitimpfung das höchste Risiko von 1 zu 16.000 hätten. Aber auch COVID-19 könne das Herz in Mitleidenschaft ziehen. Laut Stiko traten bisher keine Signale für weitere schwere Nebenwirkungen auf.
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Wie stark fallen Impfreaktionen bei Minderjährigen aus?
Beschwerden nach dem Piks mit den für die Altersgruppe zugelassenen mRNA-Impfstoffen (Pfizer/Biontech und Moderna) ähneln denen von Erwachsenen: Erfasst wurden zum Beispiel Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber. Die Schwere wurde bei der Zulassung als mild bis moderat beschrieben. Die Beschwerden bessern sich demnach binnen weniger Tage.
Welche Bedeutung hat die angekündigte Aktualisierung?
Am Montag machte die Stiko zunächst Kernpunkte des Beschlussentwurfs bekannt, Bundesländer und Fachkreise können nun noch Hinweise einbringen.
Die offizielle Empfehlung, die in der Regel eine ausführliche Begründung enthält, könnte noch diese Woche erscheinen. Daran orientieren sich insbesondere Ärztinnen und Ärzte, manche impfen streng nach Stiko-Rat. Auch ein großer Teil der Eltern dürfte sich danach richten, wie eine Umfrage der Krankenkasse pronova BKK vom Juli zeigt:
- 43 Prozent hatten angegeben, sie würden ihr Kind impfen lassen, wenn die Ständige Impfkommission die Impfung empfiehlt.
- 17 Prozent wollten ihr Kind auch ohne Stiko-Empfehlung impfen lassen.
- 28 Prozent waren gegen eine Corona-Impfung ihres Kindes.
- Zwölf Prozent hatten nach eigenen Angaben noch nicht darüber nachgedacht.
Wird es jetzt einen Termin-Stau geben?
Die Arztpraxen sehen sich für eine mögliche stärkere Nachfrage gewappnet. Der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag): "Für impfwillige Jugendliche stehen auch bei steigender Nachfrage die Kinder- und Hausarztpraxen bereit."
Weigeldt kritisierte, die Politik habe Druck auf die Stiko ausgeübt. "Wir haben immer betont, dass die Wissenschaft entscheidet, wann ausreichende Erkenntnisse vorliegen, um Jugendlichen ein Impfangebot zu machen. Dazu hätte es keines Drängens von Politikseite aus bedurft." Beim Thema Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren sei die Politik vorgeprescht und habe damit eine Diskussion ausgelöst.
Die Stiko hatte sich für allgemeine Corona-Impfungen für alle Kinder ab zwölf Jahren ausgesprochen. Nach sorgfältiger Bewertung neuer Daten komme man nun zu der Einschätzung, "dass nach gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen", teilte das unabhängige Gremium am Montag mit. Davor hatte sie Corona-Impfungen von Kindern zwischen 12 und 17 Jahren nur bei höherem Risiko für schwere Corona-Verläufe etwa wegen Erkrankungen wie Diabetes empfohlen.
Die Impfungen von gesunden Jugendlichen waren laut Stiko aber auch schon mit ärztlicher Aufklärung als individuelle Entscheidung von Kindern und Eltern möglich. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten bereits Anfang August breitere Impfangebote für Kinder vereinbart - etwa in regionalen Impfzentren. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) sind 24,3 Prozent der 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal gegen Corona geimpft und 15,1 Prozent vollständig.
Ist die Stiko vor der Politik eingeknickt?
Wochenlang hat sich das Gremium gegen Kritik und offene Mahnungen von Politikern gewehrt, denen es mit einer allgemeinen Impfempfehlung nicht schnell genug ging. "Es wird viele geben, die nun glauben, dass die Änderungen in der Empfehlung mit dem politischen Druck auf die Stiko zusammenhängen. Das ist objektiv Unsinn", sagte Stiko-Chef Thomas Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Was bedeutet die Entscheidung der Stiko für die Impfkampagne?
Die Impfungen könnten jetzt stärker Fahrt aufnehmen - in einer Altersgruppe mit aktuell hohem Infektionsgeschehen. Mehr als eine Million Kinder zwischen 12 und 17 Jahren sind allerdings ohnehin schon mindestens einmal geimpft, rund 24 Prozent dieser Altersgruppe. Vollständig geimpft sind rund 15 Prozent.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte umgehend klar: "Wenn gewünscht, kann eine Impfung diese Woche noch stattfinden." Impfstoff für alle ist laut Bund da, leicht buchbare Termine soll es ebenfalls geben.
Was bedeutet die Entscheidung für die Schulen?
Bund und Länder haben natürlich auch den Schulstart nach den großen Ferien im Blick. Kindern soll nach den vielen Einschränkungen in der Pandemie möglichst ungeschmälert Unterricht ermöglicht werden.
Zumindest für einige kommt die neue Position der Stiko nun recht spät: In drei Ländern läuft der Unterricht schon wieder, im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen enden die Ferien an diesem Dienstag.
Die Bundesregierung machte erneut klar, dass es um ein Angebot gehe und Impfen nicht Bedingung für den Schulbesuch sei. Auch die Stiko sprach sich ausdrücklich dagegen aus, eine Impfung bei Kindern und Jugendlichen zur Voraussetzung für soziale Teilhabe zu machen. Allerdings können geimpfte Kinder zum Beispiel von der Testpflicht an Schulen ausgenommen sein.
Werden die Kinder-Impfungen für eine Herdenimmunität gebraucht?
Die Hoffnung auf Herdenimmunität hat sich wegen der deutlich ansteckenderen Delta-Variante ziemlich zerschlagen. Es geht beim Impfen mittlerweile vor allem um den Schutz des Einzelnen vor schwerem Verlauf und Tod - und bei Kindern auch vor den offenkundigen Pandemie-Belastungen: Die Stiko schreibt explizit, die Empfehlung ziele in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor COVID-19 und den damit verbundenen "psychosozialen Folgeerscheinungen" ab.
Was ist mit Kindern unter 12 Jahren?
Für sie gibt es bisher keinen zugelassenen Impfstoff. Bisher hat auch noch kein Hersteller bei der zuständigen EU-Arzneimittelbehörde EMA einen Antrag auf Zulassung gestellt.
Für alle vier bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe gibt es aber einen Studien-Plan für die Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren. Sobald die Studien in einer Altersgruppe abgeschlossen sind, kann für diese ein Antrag auf Zulassung gestellt werden. Wann das sein wird, ist nach Angaben der EMA noch unklar. (dpa/af) © dpa
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