- Wut ist ein normales menschliches Gefühl. Sie wird allerdings zum Problem, wenn Menschen regelmäßig die Kontrolle über sich verlieren.
- Die Ursachen dafür sind vielfältig: Erziehung, Genetik und die eigenen Werte spielen eine große Rolle.
Sie steigt kochend heiß in einem auf – und plötzlich bricht die Wut nach außen durch: Man verliert die Kontrolle über sich und schreit zum Beispiel den Partner oder die eigenen Kinder an. Wieso neigen manche Menschen zu Wutausbrüchen, während andere ihre Impulse gut unter Kontrolle haben? Und was kann man tun, wenn man dazu neigt, aggressiv zu werden?
"Wut ist zunächst einmal ein ganz normales und sinnvolles Gefühl", sagt Katrin Hoster, die als Wut-Coach arbeitet, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie zeigt, dass eine Grenze bei uns überschritten worden ist." Der Unterschied dabei: Manche Menschen können ihre Wut und ihre Bedürfnisse ruhig äußern, während andere in einer solchen Situation regelrecht toben.
Wutanfälle treten seit Corona-Pandemie häufiger auf
Die Kontrolle über die eigenen Impulse zu verlieren, kann sogar gefährlich werden: Wer wütend Auto fährt, neigt etwa zu riskantem Verhalten. Wutanfälle können auch Freundschaften und Beziehungen zerstören oder Betroffene den Job kosten, wenn sie etwa ihren Chef wüst beleidigen.
Auch wenn sie selten so öffentlich passieren wie bei
Die Corona-Pandemie habe die Situation noch zusätzlich verschärft. "Viele mussten zugleich Homeoffice und Homeschooling meistern, während der Ausgleich durch Sport oder Treffen mit Freunden fehlte." Dadurch habe die Belastbarkeit bei vielen abgenommen und damit sei auch die Wahrscheinlichkeit für gereiztes oder aggressives Verhalten gestiegen.
Ursachen für Wut liegen oft in der Kindheit
Warum jemand zu Wutausbrüchen neigt, kann ganz verschiedene Ursachen haben. "Häufig kommen mehrere Faktoren zusammen", sagt die Expertin. Ein wichtiger Faktor ist die eigene Kindheit. "Wer als Kind nicht gelernt hat, mit Wut umzugehen oder aggressives Verhalten vorgelebt bekommen hat, der ist klar im Nachteil." Viele Erwachsene wissen nicht, dass und wie sie entsprechende Verhaltensweisen erlernen können.
Auch die Genetik spielt eine Rolle. "Manche Menschen sind durch ihre genetische Ausstattung eher entspannt und ausgeglichen, andere unausgeglichen oder impulsiv", sagt Hoster. Impulsive Menschen neigen eher zu Wutausbrüchen. "Aber das heißt natürlich nicht, dass nur impulsive Menschen ein Problem mit Wut haben."
Wer oft wütend reagiert, schafft Gewohnheiten
Wichtig beim Thema Wut sind auch die eigenen Regeln und die Ansprüche an andere: "Die Erwartungen an unser Umfeld haben wir in unserer Kindheit vermittelt bekommen", weiß Hoster. "Habe ich zum Beispiel gelernt, dass man immer pünktlich sein muss und es respektlos ist, zu spät zu kommen, dann kann mich der Kollege zur Weißglut treiben, der zu Meetings immer ein paar Minuten später erscheint."
Darüber hinaus macht auch die Gewohnheit viel aus: Je häufiger jemand mit Wut reagiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auch in Zukunft so verhalten wird. "Das liegt daran, dass sich solche Verhaltensweisen regelrecht ins Gehirn einschleifen", sagt die Expertin. Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es beim Thema Wut hingegen weniger, als man vielleicht vermuten würde. "Auffällig ist aber die Bewertung", erklärt Katrin Hoster. "Wutausbrüche werden bei Männern eher toleriert als bei Frauen."
Wutanfall: SOS-Tipps für schwierige Situationen
Wer zu Wutanfällen neigt, kann einige Dinge tun, um einen Wutausbruch zu verhindern. "Langfristig rate ich aber dazu, sich Hilfe zu suchen, weil die Wutanfälle sonst immer wiederkommen werden", sagt Hoster.
- Weggehen: Die Situation zu verlassen, ist der wichtigste SOS-Tipp von Katrin Hoster: "Man sollte aus der Situation und von dem Menschen weggehen, der die Wut bei einem ausgelöst hat." Ein Orts- und Themenwechsel hilft vielen. Sinnvoll ist es zum Beispiel, an die frische Luft zu gehen und erst einmal herunterzukommen. Manche trinken auch ein Glas kaltes Wasser und atmen einige Male tief durch. Auch eine Dusche oder Sport können für den Moment helfen.
- Wuttagebuch: Wutanfälle werden oft durch sogenannte Trigger ausgelöst. "Wir werden an frühere Situationen erinnert, in denen wir uns hilflos oder ohnmächtig gefühlt haben", erklärt Hoster. "Weil wir heute erwachsen sind und diese Gefühle nicht haben wollen, reagieren wir stattdessen mit Wut." Die Trigger sind meistens unbewusst. "Es handelt sich um bestimmte Reize, zum Beispiel einen bestimmten Geruch, manche Reizworte, eine Geste oder die Art zu sprechen", sagt die Expertin. Ein Wuttagebuch kann helfen, die eigenen Muster besser zu verstehen, wenn man scheinbar aus dem Nichts wütend wird.
- Für einen Ausgleich sorgen: Wer ohnehin müde oder überlastet ist, neigt eher zu Wut als jemand, der sich entspannt fühlt. Deshalb ist es wichtig, für einen Ausgleich zu sorgen: Vielen Menschen hilft es, regelmäßig Sport zu treiben, andere meditieren oder lernen ein Entspannungsverfahren. Hilfreich ist alles, was einem guttut.
Diese Tipps helfen allerdings nur dabei, die Symptome zu behandeln. Sie lösen das Problem nicht an der Wurzel. Wer das Gefühl hat, die Wut allein nicht in den Griff zu bekommen und darunter leidet, sollte sich professionelle Hilfe suchen.
Professionelle Hilfe bei Wut suchen
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist ein Anti-Aggressionstraining. "Diese Trainings haben vor Corona oft an den Wochenenden in Turnhallen stattgefunden", sagt Hoster. Die Teilnehmenden lernen dort gemeinsam, besser mit Wut umzugehen. "Allerdings sind solche Angebote wegen der Zusammensetzung der Gruppe nicht für alle passend", erklärt die Expertin. "Meist sind viele der Teilnehmer dort, weil sie vom Gericht oder vom Jugendamt geschickt worden sind und eine Zertifizierung brauchen."
Eine andere Möglichkeit ist eine Psychotherapie. Sie kann dabei helfen, der Ursache für die eigenen Gefühle auf die Spur zu kommen. In manchen Fällen kann Wut auch Ausdruck einer psychischen Krankheit sein, die in fachliche Hände gehört. "Wut kann zum Beispiel Symptom einer Depression sein", sagt Hoster. Außerdem gibt es auch eine Impulskontrollstörung, die in die Hände eines Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin gehört.
Therapie oder Coaching?
Ein Vorteil ist, dass bei einer Psychotherapie keine Kosten für die Betroffenen entstehen. "Allerdings kann es sein, dass man sehr lange auf einen Therapieplatz warten muss", sagt Hoster. Nicht jeder Psychotherapeut ist auf das Thema Wut spezialisiert. "Darüber hinaus wird die Diagnose in der Krankenakte vermerkt", weiß die Expertin. Das kann ein Problem sein, wenn Betroffene in der nächsten Zeit etwa eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchten.
Die dritte Möglichkeit, die Wut in den Griff zu bekommen, ist ein Coaching. Manche Coaches haben sich auf das Thema Wut spezialisiert und viel Erfahrung mit dem Problem. Betroffene lernen, ihre Wut besser zu verstehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie wenden im Coaching bestimmte Techniken an und üben neue Verhaltensweisen ein. Die Kosten für das Coaching tragen sie allerdings selbst.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Katrin Hoster von den Wut Coaches
- Rotem Abdu et al.: Situational (state) anger and driving, Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behaviour, Volume 15, Issue 5, 2012
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: ICD-10-WHO Version 2019, Kapitel V, Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60-F69)
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