Desinfektionsmittel sind dieser Tage zu einem raren Gut geworden. Die leeren Regale führen zu Wucherpreisen im Internet und Diebstählen in Krankenhäusern. Mit der fatalen Folge, dass es da, wo es wirklich dringend benötigt wird, fehlt. Manche versuchen, selbst Desinfektionsmittel herzustellen. Doch das birgt Risiken.

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Brauchen wir Desinfektionsmittel oder reicht Hände waschen aus?

Gründliches Händewaschen mit Seife von 30 Sekunden ist eine wirksame Hygienemaßnahme gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, das per Tröpfcheninfektion übertragen wird. Das betonten unter anderem das Robert-Koch-Institut und die Gesellschaft für Virologie e.V. auf ihren Webseiten. Für den Hausgebrauch von gesunden Menschen sind Desinfektionsmittel daher nicht notwendig.

Warum reicht gründliches Händewaschen aus?

Wie beispielsweise die Universität Kiel schreibt, besteht die Oberfläche des Virus aus einer Fettmembran. Diese kann durch fettlösende Seifen aufgelöst und das Virus somit unschädlich gemacht werden. Für die Reinigung von Oberflächen empfiehlt die Universität Detergenzien-haltige Haushaltsreiniger.

Wo ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln dringend notwendig?

Desinfektionsmittel werden im medizinischen Bereich dringend benötigt. Dort reduziert die Hände- und Flächendesinfektion das Risiko einer Übertragung von Infektionserregern und trägt zur Vermeidung von Infektionen bei.

Für welche Personengruppen sind Desinfektionsmittel sinnvoll?

"Desinfektionsmittel schützen insbesondere Risikogruppen mit hohem Alter, Vorerkrankungen oder Immunschwäche sowie medizinisches Personal", schreibt die Universität Kiel auf ihrer Webseite. Sinnvoll ist die Verwendung von Desinfektionsmitteln zudem beim Umgang mit Personen im häuslichen Bereich, bei denen eine SARS-CoV-2-Infektion besteht, erläutert die Gesellschaft für Virologie e.V..

Auch Menschen, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen, sind auf Desinfektionsmittel angewiesen. Unter anderem aus der Kinderintensivstation des Virchow-Klinikums der Berliner Charité sind große Mengen Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken, Handschuhe und Schutzkleidung gestohlen worden.

Betroffen sei davon auch eine Station, in der schwer krebskranke Kinder behandelt werden. Wer Desinfektionsmittel aus Krankenhäusern stiehlt, setzt dadurch Menschenleben aufs Spiel.

Welche Desinfektionsmittel helfen gegen das Coronavirus?

Gegen das Coronavirus helfen sämtliche Desinfektionsmittel mit nachgewiesener begrenzt viruzider Wirksamkeit. Produkte mit dem Wirkspektrum begrenzt viruzid PLUS und viruzid können ebenfalls verwendet werden, schreibt die Gesellschaft für Virologie.

Welche Produkte geeignet sind, kann man in den Listen des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH) und des Robert Koch-Instituts (RKI) nachlesen.

Können Desinfektionsmittel auch in der Apotheke hergestellt werden?

Ja. Wegen des Lieferengpasses an Desinfektionsmitteln hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) den Apotheken und der pharmazeutischen Industrie in Deutschland am 4. März 2020 die Erlaubnis erteilt, bestimmte Desinfektionsmittel für die Hände herzustellen. Dabei handelt es sich um alkoholische Lösungen auf Basis von 2-Propanol.

Am 20. März wurden die Anforderungen für die Zutaten herabgesetzt und die Herstellung somit erleichtert.

Droht der wichtigste Inhaltsstoff Ethanol auszugehen?

Laut einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. März 2020 gibt es Engpässe bei der Lieferung des Inhaltsstoffs Ethanol. Davon seien auch Krankenhausapotheken betroffen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn liege dem Bericht nach ein schriftlicher Hilferuf vor. Darin fordere die Branche, die Ethanolmengen, die von den entsprechenden Herstellern der chemischen Industrie noch vor allem der Spirituosenindustrie geliefert werden, so schnell wie möglich zu den Herstellern von Schutz- und Desinfektionsprodukten umzuleiten.

Desinfektionsmittel selbst herstellen – bitte nicht!

Der Apothekenverband warnt ausdrücklich vor Rezepturen zum Selbermischen. Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, warnt auf deren Webseite: "Niemand sollte sich selbst zu Hause ein Desinfektionsmittel aus frei verfügbaren Zutaten zusammenrühren, denn das kann gefährlich werden."

Hochprozentiger Alkohol könne sich entzünden. In zu geringerer Konzentration sei er zudem nicht gegen Coronaviren wirksam. Die Anleitungen, die im Internet kursieren, seien ungeprüft.

Apropos Internet: Manche Händler bieten Desinfektionsmittel auf Plattformen wie Amazon und eBay zu Wucherpreisen an und betreiben damit ein Geschäft mit der Angst. Man solle nicht vergessen, so Schmidt: "Gesunde brauchen keine Desinfektionsmittel, um sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Regelmäßiges Händewaschen ist nach wie vor das Mittel der Wahl."

Verwendete Quellen:

  • Universität Kiel: Ansteckungsrisiko reduzieren
  • Spiegel: Amazon und Ebay inszenieren sich als Kämpfer gegen Corona-Wucher
  • rbb24: Unbekannte stehlen Atemschutzmasken von Kinder-Intensivstation
  • FAZ: Herstellern von Desinfektionsmitteln geht Ethanol aus
  • Abda: Apotheken können wirksame Desinfektionsmittel im Labor herstellen
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Apotheker dürfen Desinfektionsmittel herstellen
  • Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
  • Pharmazeutische Zeitung: BfArM erlässt Allgemeinverfügung
  • Ökotest: Vier Alternativen für wirksame Handhygiene

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